Bernhard Peter
Röteln in der Schwangerschaft
Bitte besprechen Sie im Zweifelsfall alle Beschwerden und Maßnahmen mit einem Arzt Ihres Vetrtrauens!

Eine „Kinderkrankheit“ wird zur tückischen Katastrophe

Wegen der hohen Ansteckungsgefahr und dem dadurch bedingten bevorzugten Erkranken im Kindesalter spricht man bei Röteln traditionell von einer „Kinderkrankheit“. Ein irreführender Begriff, denn weder ist die Möglichkeit einer Erkrankung auf Kinder beschränkt, noch ist eine Erkrankung an Röteln „Kinderkram“. Auch als Erwachsener kann man sich bei mangelndem Schutz an Röteln anstecken, und in Zusammenhang mit einer Schwangerschaft kann es zu katastrophalen Folgen für das ungeborene Leben kommen. Das Tückische daran ist, daß die Mißbildungen auch nach Infektionen der Mutter ohne sichtbare Krankheitszeichen auftreten. Die Wahrscheinlichkeit für schwerste Schäden und Mißbildungen (Rötelnsyndrom, Embryopathia rubeolaris, Gregg-Syndrom) ist so groß, daß eine Rötelnerkrankung während der Schwangerschaft eine medizinische Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch darstellt.

 

Wie steckt man sich als Mutter an Röteln an?

Es gibt folgende Übertragungswege:

1 Woche vor Ausbruch des Hautausschlages (bzw. ab 8. Tag nach der Ansteckung) bis mindestens eine Woche nach Abklingen des Exanthems, manchmal bis zu zwei Wochen danach ist von einer hohen Ansteckungsgefahr auszugehen.

 

Wie steckt sich das ungeborene Kind an Röteln an?

Kommt es zu einer Erkrankung der werdenden Mutter, breitet sich das Virus über die Blutbahn im gesamten Körper aus. Die Erreger machen auch nicht vor der Plazentarschranke Halt, sie können über den Mutterkuchen (Plazenta) auch zum Kind gelangen und dieses schädigen. Am Mutterkuchen (Plazenta) kann das Virus die Eihäute infizieren, in den kindlichen Blutkreislauf gelangen und sich über die Blutgefäße ausbreiten, bis hin zum Herzen, und dort z. B. die kindliche Herz-Innenschicht (Endokard) schädigen. Über den kindlichen Blutkreislauf können sich die Viren im gesamten Organismus des Ungeborenen ausbreiten und im Prinzip jedes Organ befallen und schädigen.

 

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit von Schäden?

Nicht jede Infektion der Mutter führt zwangsläufig zu einer Schädigung des Kindes. Die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß der zu erwartenden Schäden hängen vom Zeitpunkt der Infektion der Mutter mit dem Rötelnvirus ab.

 

Welche Schäden können auftreten?

Die Art der Schäden und das Ausmaß derselben hängen vom Zeitpunkt der Infektion ab. Es gibt keine Phase, in der nicht Schäden zu befürchten sind, aber besonders empfindlich ist das Kind im ersten Trimenon. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Fehlbildungen auch mehrfach auftreten können. In den späteren Phasen der Schwangerschaft wird die Mißbildungshäufigkeit mit bis zu 10% geringer, ist aber immer noch gegen die normale Quote deutlich erhöht.

 

Wie können Sie vorbeugen?

Da Rötelninfektionen sehr häufig ohne sichtbare Beschwerden verlaufen, kann man keine wirksame Expositionsprophylaxe durchführen, d. h. man kann den Umgang mit möglicherweise infizierten Personen nicht grundsätzlich vermeiden. Außerdem sind die Röteln so ansteckend, daß auch eine zufällige Begegnung mit einem Virenträger, z. B. einem erkrankten Kind, ein ernstes Risiko darstellt.

Aus diesem Grund sollten Kinder routinemäßig gegen Röteln geimpft werde, am besten im Rahmen einer MMR-(Mumps-Masern-Röteln)-Kombinationsimpfung. Alle Mädchen sollten generell gegen Röteln geimpft werden. Damit sich die Röteln-Viren nicht ausbreiten, sollten Eltern auch Jungen gegen diese Infektionskrankheit impfen lassen, denn auch wenn diese keine Viren an Kinder übertragen können, stellen sie doch ein Risiko für die in ihrer Umgebung lebenden werdenden Mütter dar. Kinder werden im Alter von 12 bis15 Monaten, sowie ein zweites Mal z. B. im zweiten Lebensjahr, frühestens 4 Wochen nach der ersten, spätestens aber zur Einschulung mit 6 Jahren gegen Röteln geimpft.

 

Was tun bei Eintritt einer Schwangerschaft?

Sofort nach Bekanntwerden einer Schwangerschaft oder besser schon in der Planungsphase sollte der sog. Antikörpertiter der Mutter bestimmt werden. Der Arzt untersucht dabei, ob und wieviel Antikörper (Abwehrstrukturen) im Blut der Mutter sind. Das wird vom Arzt im Rahmen der Mutter-Kind-Paß-Untersuchungen in der Frühschwangerschaft festgestellt. Wenn genügend Antikörper vorhanden sind, können diese evtl. übertragene Rötelnviren binden und für Vernichtung derselben sorgen, und es besteht keine Gefahr für Mutter und Kind. Die Mutter ist immun, wenn der Antikörpertiter im sogenannten indirekten Hämagglutinationshemmtest (HAH) 1:16 und größer ist. Als Folge der Röteln-Impfung ist die Zahl der Frauen, die im gebärfähigen Alter keine Antikörper tragen, rückläufig. Trotzdem ist die Gefahr einer Infektion nicht völlig auszuschließen, da ein sehr niedriger Antikörpertiter bei geimpften Frauen nicht unbedingt vor einer Neuinfektion schützt. Ca. 5 % der gebärfähigen Frauen in den alten Bundesländern und 10% in den neuen Bundesländern sind ohne jede Rötelnschutzimpfung, insgesamt ca. 15% der Frauen im gebärfähigen Alter haben zuwenig oder keine Antikörper und sind damit noch empfänglich für Rötelnviren.

 

Was tun, wenn keine oder zu wenig Antikörper im Blut der Mutter nachzuweisen sind?

In der Planungsphase ist das nicht schlimm. Wenn ein Kind langfristig geplant wird, kann man bei ungenügendem Antikörpertiter (Menge an Abwehrstoffen im Blut) die Impfung planmäßig nachholen und die Schwangerschaftsplanung ein wenig verschieben. Frauen mit niedrigem Antikörper-Titer (kleiner als 1:16) können also vorsorglich vor Eintritt einer Schwangerschaft nachgeimpft werden. Nur sicher nicht schwangere Frauen dürfen geimpft werden. Impfungen können die fruchtschädigende Wirkung von Rötelnviren reduzieren, gewährleisten jedoch keinen hundertprozentigen Schutz. Entscheidend ist immer der Antikörpertiter, also wieviel Abwehrmoleküle tatsächlich im Blut herumschwimmen.

Wenn aber erst nach Eintreten einer Schwangerschaft festgestellt wird, daß zu wenig Abwehrstoffe im Blut der Mutter sind, dann kann nicht mehr aktiv nachgeimpft werden. Dann ist es aber möglich, durch passive Immunisierung (Gabe von Antikörpern = Abwehrstoffen) einen Schutz aufzubauen. Haben Frauen mit negativem Röteln-Antikörpertest (seronegativ) in den ersten 17 Schwangerschaftswochen Kontakt mit Röteln-Viren, können Immunglobuline (= Antikörper = Abwehrstoffe) gegeben werden. In diesen Fällen müssen weitere Kontrolluntersuchungen des Blutes durchgeführt werden, um immer zu schauen, ob die Abwehr der Mutter weiterhin steht.

Bei seronegativen Frauen, die auf Grund ihres Berufes vermehrt mit den Viren in Kontakt kommen können, wie z. B. Kinderkrankenschwestern, Ärztinnen, Kindergärtnerinnen, Lehrerinnen etc., kann in der Frühschwangerschaft eine mehrmalige Immunglobulin-Gabe angezeigt sein. Bei auf der Kippe stehenden Antikörpertitern ist eine vorbeugende Immunglobulin-Gabe nicht angemessen. Eine Antikörper-Kontrolle in der 17. SSW ist anzuraten.

 

Was wird mit dem Kind bei einer Infektion?

Die vorgeburtliche Diagnostik ist bei Neuinfektionen der Mutter zwischen der 1. und 17. SSW anzuraten. Auch beim Nachweis von mütterlichen IgM-Antikörpern kann das Kind in einem Zentrum für pränatale Diagnostik untersucht werden. Bei der pränatalen Diagnostik wird versucht, Virusmaterial zu gewinnen. Dies erfolgt mit Hilfe einer Punktion der Plazenta, des Fruchtwassers oder der Nabelschnur. Das jeweilige Vorgehen richtet sich nach dem Alter der Schwangerschaft.

Bei Infektionen innerhalb der ersten elf Schwangerschaftswochen kann ein Abbruch empfohlen sein. Bei dieser Erkrankung wird den betroffenen Frauen in den meisten Ländern eine Abtreibung aus medizinischer Indikation ermöglicht.

 

Kann oder soll man auch nach einer Schwangerschaft noch impfen?

Damit ist eine Impfung der Mutter im Wochenbett nach der Geburt des ersten Kindes gemeint, weil durch Haushalts- und Pflegekontakt mit Kindern eine erhöhte Infektionsgefahr für die Mutter im falle einer erneute Schwangerschaft besteht. Die Gelegenheit ist günstig, weil die Mutter jetzt sicher nicht schwanger ist und der Impfschutz dann in der Regel das gebärfähige Alter der Frau überbrücken dürfte. Die Wochenbettimpfung ist auch dann zu empfehlen, wenn nach längerem Infektions- oder Impfintervall der Antikörpertiter unter 1:16 abgesunken ist. Diese Auffrischimpfung ist anzuraten, wenn weitere Schwangerschaften zu erwarten sind. Eine Bestimmung der Antikörper zur Kontrolle des Impferfolges bei Wochenbettimpfungen ist sinnvoll (Impferfolg nur 80%). Damit geht man für spätere Schwangerschaften auf Nummer sicher.

 

Fazit:

Die gefürchtete Röteln-Embryopathie kann man nur beseitigen, wenn man die Röteln ganz eliminiert und durch hohe Durchimpfungsraten diese Elimination erhält. Hierbei sollten alle Eltern mithelfen und ihren Kindern, Jungen wie Mädchen, die zweimalige Röteln-Impfung mit auf den Weg geben. Gesunde Enkel dürften reichlich Belohnung für diesen kleinen Aufwand sein.

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