Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 301
Mainz - Erzbischöfe, Kurfürsten, Adelspaläste

Der Erthaler Hof in Mainz

Der Erthaler Hof, Schillerstraße 44 (damals Thiermarkt), wurde von Philipp Christoph Reichsfreiherr von Erthal (1689-17.06.1748) in den Jahren 1734-1739 erbaut, wobei er die Entwürfe selbst gemacht haben soll. Dies ist ein Kuriosum - ein Adliger als Architekt, das war nach damaligem Standesdenken nicht vereinbar. Als "Kavaliersarchitekt" ging das dagegen. Was als Beruf verpönt war, war als Hobby gestattet. Neben standesgemäßer Beschäftigung in wichtigen Verwaltungsämtern konnte er seiner Leidenschaft als Hobby nachgehen. Er schulte seinen Stil in Frankreich, insbesondere der französische Hofarchitekt Germain Boffrand (1667-1754) beeinflußte seinen Stil. Wegweisend wurden diese Einflüsse im noch vom Barock geprägten Mainz seiner Zeit, in das jetzt erstmalig klassischeres Gedankengut einfloß. Ausgeführt haben den Bau freilich Johann Michael Schmitt und Franz Anton Hermann.

Philipp Christoph Reichsfreiherr von Erthal war der Sohn von Philipp Valentin Freiherr von Erthal auf Schwarzenau, Elfershausen und Hetzlos und Katharina Barbara von Aufseß. Er hatte im Kurstaat Mainz wichtige (und einträgliche) Ämter inne: Er war Mainzer Oberamtmann zu Lohr, wo er im dortigen Schloß ab 1719 wohnte, Obermarschall, kurmainzischer Geheimrat und Vizekammerpräsident unter Kurfürst Johann Friedrich Karl von Ostein. Eigentlich war er für die geistliche Laufbahn vorgesehen, 1702 kam er an den Mainzer Dom zur Ausbildung, dreizehnjährig. Danach trat er allerdings 1714 mit 25 Jahren wieder in den weltlichen Stand über. Er ehelichte 1717 Maria Eva Freiin von Bettendorf. Auf Wunsch seiner Frau, die in der Stadt Verwandte hatte, hat er den Mainzer Stadthof erbaut. Geplant war ein Umzug von Lohr nach Mainz, sobald es die Amtsgeschäfte zuließen. Doch es kam anders, seine Frau starb 1738, und der Witwer zog zusammen mit seinen Kindern nach Mainz, sobald dieser 1739 vollendet war. Die Datierung der Fertigstellung ergibt sich durch die letzten Handwerkerrechnungen aus diesem Jahr, und bereits 1740 unterschrieb Philipp Christoph in seinem neuen Domizil eine Weinlieferung. Philipp Christoph heiratete zum zweiten Mal, eine Reichsgräfin von Reichenstein. Am Mainzer Hof erinnern die Wappensteine jedoch einzig an seine erste Ehe.

Die straßenseitige Vorderseite (Abb. oben) ist relativ wenig tiefenstrukturiert. Alle Flächen liegen fast in einer Flucht, die Akzentuierung erfolgt durch unterschiedliche Höhen und Abschlüsse. Die seitlichen, nur wenig vorspringenden Querflügel sind dreigeschossig, während der Zwischenbau nur zweigeschossig ist. Das dritte Obergeschoß ist zwar nur ein niedrigeres Mezzaningeschoß, es läßt die Seitenteile jedoch sehr wuchtig hervortreten. Um den siebenachsigen Mittelbau stärker zu akzentuieren, werden die drei mittleren Achsen risalitartig durch gequaderte Lisenen zusammengefaßt und von dem Dreiecksgiebel überhöht. Die beiden Querflügel wurden vom Erbauer als Pavillons verstanden, wirken insgesamt jedoch sehr wuchtig im Vergleich zum schwächeren Mittelbau. Seitlich an die beiden Querflügel stoßen eingeschossige Anbauten.

Rückseitig ist die Front viel stärker tiefengestaffelt (Abb. oben). Beide Querflügel springen deutlich nach hinten vor, und der Mittelrisalit hat hier zwar keinen Giebel wie vorne, springt aber ebenfalls körperhaft in den Hof vor; seine Kanten sind abgerundet. Dieser Mittelrisalit enthielt das Treppenhaus und den Festsaal. Alle schlank proportionierten Fenster des Erdgeschosses und des ersten Obergeschosses besitzen glatte Rahmen, die von einer schmalen Putzumrandung begleitet werden. Nur die Fenster des Mezzaningeschosses schließen oben mit einem Segmentbogen ab, und die drei rückwärtigen Festsaalfenster schließen oben halbrund ab. Der Putzbau wird mit roten Sandsteinelementen verziert; alle Eckkanten bis auf die zwei abgerundeten des rückwärtigen Mittelrisalites werden mit rustizierten Hausteinen geschmückt. Das Palais besitzt hohe, geschieferte Mansarddächer. Eine Besonderheit in Mainz ist, daß der Erthaler Hof noch den originalen Dachstuhl aus der Erbauungszeit besitzt. Unter Lothar Franz von Erthal wurden 1757-58 die Nebengebäude erweitert.

Der Name von Erthal ist in der Mainzer Geschichte ein wichtiger Name, z. B. der letzte Kurfürst auf dem Mainzer Erzbischofsstuhl entstammt dieser Familie (Friedrich Karl Joseph von Erthal (1774-1802), eines der 10 Kinder von Philipp Christoph Reichsfreiherr von Erthal). Die Familie von Erthal ist ein äußerst altes fränkisches Adelsgeschlecht mit Stammsitz in einem Nebental der Fränkischen Saale, am Ufer des Baches Er. Die Stammreihe beginnt mit Heinrich von Erthal 1170. 1553 erfolgt Spaltung der Familie in eine fränkische Linie und eine Linie in Fulda. Die fränkische Linie teilt sich weiter auf in die Elfershausener und in die Leuzendorfer Linie. Philipp Christoph Reichsfreiherr von Erthal entstammt der in der Nähe von Kissingen bzw. Hammelburg beheimateten Elfershausener Linie. Der Name begegnet uns in Franken häufiger, z. B. in der Geschichte der Würzburger und Bamberger Fürstbischöfe (Franz Ludwig von Erthal (16.09.1730-14.02.1795), Fürstbischof von Würzburg und Bamberg). Bekannt ist ebenso der Würzburger Domherr und Geheimrat Freiherr Karl Friedrich Wilhelm von Erthal (01.07.1717-17.09.1780). Auch Fulda hat einen Fürstabt aus der Familie Erthal: Heinrich von Erthal 1249-1261. Mit Lothar Franz Michael von Erthal, kurmainzischer Geheimrat und erster Staatsminister, Ritter des Johanniter-Ordens, Hofgerichtspräsident, starb die Familie 1805 aus. Die fuldische Linie war schon früher, nämlich 1640, erloschen.

Der straßenseitige Mittelrisalit (vorletzte Abb.) wird durch einen Dreiecksgiebel betont (Abb. oben), darin ist das Allianzwappen von Erthal und von Bettendorf zu sehen. Das Wappen Erthal ist geviert, Feld 1 und 4 zeigen in Rot zwei silberne Balken, Feld 2 und 3 sind ledig und blau tingiert. Das ist übrigens das Stammwappen, es wurde nicht nachträglich geviert. Die Helmzier auf dem gekrönten Helm wäre ein in den Schildfarben tingiertes Paar Büffelhörner, die Helmdecken wären rot und silbern.

Das Stammwappen der von Bettendorf ist in Rot ein silberner Ring, hier in den Feldern 1 und 4 des gevierten Wappens. Die zugehörige Helmzier wäre auf rot-silbernem Wulst ein silberner Ring, oben besteckt mit einem schwarzen Hahnenfederbusch. Die zugehörige Helmdecke wäre rot und silbern. Feld 2 und 3 zeigen unter goldenem Schildhaupt in Blau 6 (3:2:1) goldene Lilien. Das soll das Wappen der Brömser von Rüdesheim sein; im Jahre 1694 wurde das Wappen der von Bettendorf anläßlich der Erhebung in den Freiherrenstand um dieses Element vermehrt. Das Wappen wie hier gewählt ist aber das der von Rüdesheim, denn die Brömser von Rüdesheim hatten lt. Lit. unter silbernem Schildhaupt in Schwarz 6 (3:2:1) silberne Lilien. Deren Helmzier war ein schwarzer Hut, in dessen silbernem Aufschlag zwei schwarz-silbern übereck geteilte Federstöße stecken. Warum die anderen Farben, ist unklar. Die Familie von Erthal erwarb 1770 die Brömserburg zu Rüdesheim. Die von Bettendorf stammen ursprünglich aus der Oberpfalz und kamen am Anfang des 15. Jh. mit dem kurpfälzischen Burggrafen zu Stahleck und Amtmann zu Bacharach an den Rhein. Die Familie wird im 15. Jh. als Burggrafen zu Bacharach erwähnt. Sie besaßen Güter im Rheinland, in Baden und in Württemberg. Es gibt verschiedene Linien. Sie stellten Domkapitulare in Mainz, Bamberg, Worms, Würzburg und sogar Augsburg. Bedeutende Vertreter der Familie sind Johann Friedrich von Bettendorf, Fürstbischof zu Worms 1552-1580, und Adolph Johann Carl von Bettendorf, Geheimrat in Kurmainz, Ritterhauptmann am Mittelrhein, gest. 15.12.1705.

Über dem rückseitigen Portal zum Hof hin ist ein weiteres Allianzwappen identischen Inhaltes angebracht, auf 1735 datiert (Abb. oben). Auch hier werden beide Ovalkartuschen unter einer Blattkrone zusammengestellt. Der architektonische Rahmen ist jedoch ein völlig anderer, weil das Wappen hier in der Portalbekrönung zwischen zwei einwärts eingerollten Voluten unter einem Segmentbogen als Abschluß positioniert ist.

Mainz wird immer noch geprägt von der Architektur seiner alten Adelshöfe. Weiß gestrichene Wände, warmer roter Sandstein, meist dreigliedriger Aufbau, verleiht die Architektur der Altstadt von Mainz eine noble Feierlichkeit, auch wenn nur ein Teil der alten Palais die Zerstörungen überlebt hat. Innen ist ein sehenswertes Treppenhaus, beachtenswert die erhalten gebliebenen feinen Stuckarbeiten. Nur die Nutzung hat sich geändert. Wohnten früher dort die führenden Adelsfamilien des Kurstaates, so sind heute Banken und Behörden, die heutigen Zentralen der Macht, dort eingezogen. Hinter dem Adelspalais lagen früher ein Hof mit Wirtschaftsgebäuden und ein Garten, diese Strukturen sind verlorengegangen. Nachdem Kurfürst Friedrich Josef von Erthal verstorben war, wurde das Gebäude großherzoglich-hessen-darmstädtischer Regierungssitz. 1816-1945 wurde der Bau als Sitz der Provinzialdirektion Rheinhessen genutzt, ab 1969 hatte hier die Verwaltung des neu gegründeten Landkreises Mainz-Bingen ihren Sitz. Der repräsentative Erthaler Hof wird heute vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz genutzt.

Literatur, Links und Quellen:
Baedeker: Mainz, Karl Baedeker-Verlag, 2004. ISBN 3-87954-074-8
Werner Schäfke: Der Rhein von Mainz bis Köln, eine Reise durch das romantische Rheintal, DuMont Kunstreiseführer, DuMont Verlag, Köln 2006, ISBN 978-3-7701-4799-1
Otto Gruber: Wappen des mittelrheinisch-moselländischen Adels, Trier 1962-1965, incl. Nachtrag Trier 1967, ebenfalls veröffentlicht in verschiedenen Jahrgängen der "landeskundlichen Vierteljahresblätter".
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener 3. Aufl. 1999
Aschaffenburger Wappenbuch.
Siebmachers Wappenbuch.
Anton P. Rahrbach, Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und Geschichte fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag - Die Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4
http://de.wikipedia.org/wiki/Erthaler_Hof
http://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_Christoph_von_und_zu_Erthal
ein herzliches Dankeschön an Frau Ellengard Jung für wertvolle Hinweise
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz, Stadt Mainz, Band 2.2: Altstadt, bearb. von Ewald Wegner, hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz 1988, Wernersche Verlagsgesellschaft Worms, 3. Auflage 1997, ISBN 3-88462-139-4, S. 306-308
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Werner Loibl: Der Vater der fürstbischöflichen Erthals, Philipp Christoph von und zu Erthal (1689-1748), Aschaffenburg 2016, ISBN 978-3-87965-126-93.6, 3. Der Erthaler Hof in Mainz, S. 104-282, insbesondere Kapitel 3.6, Die Bauzeit, S. 270-275
ein herzliches Dankeschön an Herrn Klaus Weyer aus Kreuzwertheim für wertvolle Hinweise zur Bau- und Familiengeschichte

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