Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 410
Randersacker (Landkreis Würzburg, Unterfranken)

Der Zehnthof des Domkapitels in Randersacker

Der Zehnthof des Domkapitels ist in der Herrngasse 25/27 zu finden. Der eigentliche Hof liegt zurückgesetzt am anderen Ende des Hofes, während der Torbau schräg an der hier abknickenden Straße steht. Der Torbau grenzt rechterhand an das Weingut Wolfram und Bernhard König im Bergmeisterhaus. Dieser Hof war quasi das Finanzamt der Kirche im Ort und gehörte zunächst dem Fürstbischof. Spätestens ab Anfang des 17. Jh. war der bischöfliche Zehnthof dann im Eigentum des Domkapitels. Das Domkapitel war aber nur ein Herr und Grundbesitzer in Randersacker unter vielen, denn neben dem Zehnthof des Bischofs hatten etliche Klöster (Zisterzienserkloster Ebrach, Stift St. Burkard, Kloster Himmelspforten, das Würzburger Stift St. Stephan, Zisterzienserkloster Heilsbronn, Kloster Langheim, die Abtei Oberzell) und Adelsfamilien (von Henneberg, von Castell, von Seinsheim, von Hohenlohe) ihre eigenen zehntfreien Höfe im Ort.

Die Wurzeln des Hofes liegen im 14. Jh., als die erste Anlage um einen Binnenhof entstand; aber der heutige Baubestand stammt im wesentlichen aus dem frühen 17. Jh. Der Hof überstand den Dreißigjährigen Krieg mit einem Schutzbrief des kaiserlichen Generalissimus Piccolomini, wurde aber trotzdem geplündert. Seit 1610 hatte der Hof ein besonderes Asylrecht: Verfolgte waren ab dem Moment, in dem sie den Torknauf in den Händen hielten, drei Tage vor Verfolgung sicher. Die historische Bausubstanz ist sehr gut erhalten. Oben der Blick auf das zweigeschossige Torhaus.

Auch wenn die Wappen primär unsere Aufmerksamkeit anziehen, beginnen wir die Beschreibung zunächst mit der bildlosen Inschriftentafel links der Tordurchfahrt, denn sie ist eine echte Besonderheit, denn es handelt sich um die älteste Weinzehnttafel Frankens, datiert auf das Jahr 1332, hergestellt 1333. Die Inschrift lautet: "ANNO D(OMI)NI MCCC / XXXII DUCENTE (E)T / SEXAGINTA KAR/RATE / VINI AD / HANC CURIAM / PRO DECIMA CE/DEBANT ANNO V/ERO TERCIO DE/INDE SUBSEQU/ENTE / DUODECIM / TANTUM KARAT(E)" - Im Jahre des Herrn 1332 fielen diesem Kurienhof 260 Fuder Wein als Zehnt zu, im darauffolgenden dritten Jahr waren es nur 12 Fuder. Das zeigt die enorme Schwankungsbreite des Ertrages in Abhängigkeit von den Witterungsumständen des jeweiligen Jahres, einmal 2290 Hektoliter und dann nur 106 Hektoliter, Glanz und Elend des fränkischen Weinbaus. Einzigartig ist dieses Dokument als Beleg für den dem Domkapitel abzuliefernden Zehnten der zehntpflichtigen Weinberge.

 

Direkt über dem Schlußstein des äußeren Torbogens ist das Wappen des Würzburger Domkapitels angebracht, von Rot und Silber mit drei Spitzen geteilt. Die nächste Tafel links des Tordurchgangs ist auf 1624 datiert und trägt die Inschrift "16 24 / Zwo stallu(n)gen und Scheune(n), Thor / Sambt diesem Wagenhaus beuor / Auß nott ursstift geführet auff / Zur Zeit da der Wein war im kauff / Ein Eimer für drei gulden gahr / Da doch gewesen solches Jahr / Das hundert drey und siebe(n)tzig / Fuder am Zehent überig / Nach alle(n) außtheil blieben sein / Schreib di(e)ß in daged(a)echtnus ein". Zwei geflügelte Engel stehen rechts und links der Inschriftenzone.

Insgesamt sieben Wappenschilde sind zu sehen: Oben in der Mitte ist der Fränkische Rechen, der hier ohne fürstbischöfliche Insignien etc. anzeigt, daß es sich um einen Besitz des Domkapitels handelt. Heraldisch rechts daneben befindet sich der Schild der von Thüngen, in Silber ein roter Balken, belegt mit drei goldenen, in der Mitte nach rechts ausgebogenen Pfählen. Gegenüber befindet sich die Kartusche mit dem Wappenbild der von Wiesenthau, in Silber (auch Gold als Feldfarbe möglich bei der Familie) ein roter Rautenpfahl. Der "bessere" Platz ist der für den Dompropst; im fraglichen Jahr war das Konrad Friedrich von Thüngen (amtierte als Dompropst 28.5.1618-3.4.1629). Konrad Friedrich von Thüngen wurde am 22.12.1592 Domherr, nachdem eine Präbende durch den Tod des Pankraz von Rabenstein neu vergeben werden konnte. 1604 wurde er Mitglied des Kapitels, 1608 wurde er Cellarius, 1609 Domcustos, und ebenfalls 1609 Landrichter in Franken. 1611 stieg er zum Domdekan auf, am 28.5.1618 wurde er Dompropst. Er war auch Propst am Stift Haug in Würzburg und am ehemaligen Kloster Wechterswinkel. Außerdem war er 1614-1616 Rektor der Würzburger Universität. Er ließ im Würzburger Dom einen Altar zu Ehren der Heiligen Peter und Paul errichten, der posthum vollendet wurde und mit seinen Ahnenwappen geschmückt war. Sein bronzenes Epitaph befindet sich im Würzburger Dom im südlichen Seitenschiff links oberhalb des Durchgangs zum Domschatz. Der "zweitklassige" Platz ist der für den Domdekan, das war im fraglichen Jahr Georg von Wiesenthau (lebte 1578-8.8.1627, amtierte als Domdekan 1623-8.8.1627).

Diese drei Kartuschen sind farbig gefaßt, die anderen vier nicht, von denen die beiden oberen die Wappenbilder der von Neustetter gen. Stürmer (in Silber ein schwarzer Schach-Roch, entweder für Johann Christoph Neustetter gen. Stürmer, lebte 30.3.1570-9.11.1638, 1579 aufgeschworen, 1594 zu Kapitel, 1626 Jubilaeus und Senior, auch noch in Mainz und Bamberg Domherr, in Bamberg Dompropst und Domdekan, oder für Georg Neustetter gen. Stürmer, 1585 Dompräbende, 1599 zu Kapitel, auch noch in Bamberg Domherr, verstarb 1628) und von Guttenberg (in Blau eine doppellagige goldene Rose, entweder für Johann Caspar von Guttenberg, 1598 erhielt er eine Dompräbende, ging 1613 zu Kapitel, dazu noch Domherr in Bamberg und Stiftsmitglied in Comburg, lebte bis 1640, oder für Johann Andreas von Guttenberg, 1603 im Domstift, 1618 im Domkapitel, 1648 Jubilaeus und Senior, auch noch in Bamberg Domherr, starb am 9.2.1659) zeigen.

 

Auf der dem Torhaus gegenüberliegenden Seite des Hofes befindet sich das eigentliche Zehnthaus, ein zweigeschossiger Massivbau mit Satteldach, Volutengiebeln und angebautem Treppenturm, über dessen Eingang sich der nächste Wappenstein befindet. Die Inschrift lautet: "Daß die Alten uff gut trauen / Täten für Ihr Nachkom(m)en Bauen / Bezeuget auch zu dieser stundt / Das aufgeführt werck vom grundt". Im Zehnthof gründete 1921 Ludwig Schmitt eine Winzergenossenschaft.

In der Mitte ist wiederum der Fränkische Rechen für das Würzburger Domkapitel zu sehen. Heraldisch rechts daneben befindet sich der Schild der von Aschhausen, in Rot ein silbernes, fünfspeichiges Wagenrad. Hier steht es für den Würzburger Dompropst Johann Gottfried von Aschhausen (amtierte als Dompropst 1610-1617), der ab 1617 Würzburger Fürstbischof war. Gegenüber befindet sich die Kartusche mit dem Wappenbild der von Thüngen, in Silber ein roter Balken, belegt mit drei goldenen, in der Mitte nach rechts ausgebogenen Pfählen. Hier steht der Schild für den vorerwähnten Würzburger Domdekan Konrad Friedrich von Thüngen (amtierte als Domdekan 1611-28.5.1618. Zwischen diesem Wappenstein und dem am Torhaus liegt also seine Beförderung vom Domdekan zum Dompropst, entsprechend rückte sein Schild von der linken auf die "bessere" rechte Seite. Umgekehrt erlaubt das die Datierung dieses Wappensteines auf den Zeitraum 1611-1617. Alle drei Wappen sind hier mit Kleinoden dargestellt, die aber im Spätsommer von den Geranien verdeckt werden (Mitte: Büffelhörner, rechts: Rad auf Hut, links: wachsender Mannesrumpf mit Mütze). Ganz unten sind noch die Schilde für die von Lichtenstein (rot-silbern im Zackenschnitt geviert) und für die von der Tann (in Rot eine mit dem Rücken aufwärts gebogene silberne Forelle, hier fälschlicherweise golden angestrichen) zu sehen.

Und noch mehr Wappen des Domkapitels gibt es am Ort, direkt an den ihm gehörenden Weinbergen: Einzigartig ist in Randersacker die die Weinberge an ihrem unteren Ende begrenzende Mauer, die parallel zur Verbindungsstraße nach Würzburg verläuft. Diese ca. 3 km lange Fußmauer besitzt insgesamt 48 Schriftsteine, Wappentafeln, Bildstöcke und Skulpturen. Die meisten dieser Wappensteine (ohne Abb.) zeigen den Fränkischen Rechen als Symbol des Domkapitels.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.7605804,9.9806143,19.92z - https://www.google.de/maps/@49.7605942,9.9804362,74m/data=!3m1!1e3
Baudenkmäler in Randersacker:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Baudenkm%C3%A4ler_in_Randersacker
Zehnthof mit Bergmeisterhaus:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Zehnthof_mit_Bergmeisterhaus
Geschichte von Randersacker:
https://www.randersacker.de/de/unser-ort/ueber-uns/geschichte/
Herbert Haas: Mittelalterlicher Weinbau in der 'villa Randersacker' und dem südlichen Maindreieck, eine ungewöhnliche Weinstory, 120 S., Verlag Königshausen u. Neumann, 1. Auflage 2005, ISBN-10: 3826031695, ISBN-13: 978-3826031694
Zehnthof:
https://de.wikipedia.org/wiki/Randersacker#Zehnthof
Domherren:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_W%C3%BCrzburger_Domherren - https://wuerzburgwiki.de/wiki/Liste_der_W%C3%BCrzburger_Domherren
Joh. Octavian Salver, Proben des hohen deutschen Reichs Adels oder Sammlungen alter Denkmäler
http://books.google.de/books?id=ZONWAAAAcAAJ

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