Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1198
Coburg (Oberfranken)

Coburg: Stadthaus

Das Coburger Stadthaus (Markt 10) ist einer der beeindruckendsten Renaissancebauten der Stadt und stammt aus der kulturellen Blüte unter Johann Kasimir Herzog v. Sachsen-Coburg (12.6.1564 - 16.7.1633), unter dem die Architektur der Stadt einen gewaltigen Aufschwung nahm. Das gewaltige, dreistöckige Gebäude mit mehreren reichverzierten Zwerchhäusern und lebendigen Giebeln voller Figuren und Obelisken nimmt die gesamte Nordseite des Coburger Marktplatzes ein. Zu beiden Seiten der Schaufront befinden sich Runderker auf reichverzierten Konsolen mit phantastischen figürlichen Darstellungen und Ornamenten. Der Prachtbau wurde jedoch ursprünglich nicht als Rathaus, sondern als Kanzleigebäude errichtet. Das Rathaus befindet sich genau gegenüber an der Südseite des Marktplatzes, und so stehen sich bürgerliches Rathaus und herzogliche Kanzlei genau gegenüber und bauen ein räumliches, architektonisches, repräsentatives und politisches Spannungsfeld quer über den riesigen Platz auf. Als Architekt gilt Peter Sengelaub (1558-1622), ein bevorzugter Künstler von Herzog Johann Kasimir.

Der Neubau ersetzte ein älteres Ensemble an der Nordseite des Marktplatzes, die sog. Vogtei, wo der herzogliche Vogt wohnte und arbeitete. Auch ein Kaufhaus fiel dem Neubau zum Opfer. Auch der Neubau bot im Erdgeschoß reichlich Platz für Verkaufsläden, jeweils Tür und Schaufenster dicht nebeneinander unter einem Bogen vereint. Gleichzeitig wurde durch das neue Konzept der Marktplatz vergrößert. Innen waren einst die Amts- und Gerichtsräume der herzoglichen Regierung, heute sind die Innenräume jedoch komplett umgebaut bis auf ein langes, niedriges Gewölbe über der Ladenreihe, zu dem die kleinen quadratischen Fensterchen gehören, der sog. „Lange Kram“ zur Aufbewahrung von Akten.

An dem Bau finden wir viele heraldische Darstellungen, zum einen ein großes herzoglich-sächsisches Wappen auf der Westseite über dem dortigen Portal an der Spitalgasse, zum andern tragen sämtliche Brüstungen der beiden Runderker Einzeldarstellungen der Komponenten des herzoglichen Wappens. Die Bildhauerarbeiten der Giebel und Erker sind ein Werk von Nikolaus Bergner.

Wappen über dem westlichen Portal des Stadthauses, mit der Datierung des Bauwerks auf 1597-1601. Über dem Gesimsabschluß zwei goldene Löwen als Schildhalter.

Das Wappen am Westeingang im Detail:
Der Wappenschild ist zweimal gespalten und viermal geteilt und besitzt einen Herzschild an Position des 5. Feldes. Aufbau im Detail:

Dieses Wappen stammt aus der Zeit von 1597-1601, also deutlich vor dem Auftreten der Ansprüche von Cleve-Jülich-Berg-Moers-Ravensberg-Mark. Es kann und darf hier also weder ein Feld für das Herzogtum Berg noch eines für Ravensberg geben. Die entsprechende fehlerhafte Farbfassung gibt nicht die tatsächliche Zusammensetzung des Wappens vor 1609 wieder. Ein ähnliches Wappen für Herzog Johann Casimir ist am Gymnasium, am Schloß Ehrenburg und über dem Chorbogen der Kirche St. Johannis in Rödental-Oeslau angebracht (siehe Kapitel dazu, dort auch Erläuterung weiterer geschichtlicher Zusammenhänge). Es kommt leider bei vielen Farbfassungen des Wappens von Johann Casimir aus der Zeit vor 1609 vor, daß Inhalte des Wappens nach 1610 für die Farbgebung Pate standen. Dadurch wurden beim "Abmalen" aus Unkenntnis jedoch Inhalte transferiert, die vor 1609 keinen Platz im Wappen hatten. Das Wappen am Gymnasium ist eines der wenigen (bis auf läßliche Kleinigkeiten) wirklich korrekt angestrichenen Wappen von Johann Casimir aus der Zeit vor Anfall der Ansprüche auf Cleve-Jülich-Berg.

Drei Helme:

Abb.: rechts und links Details vom Portal mit den Einzelwappen für Sachsen (von Schwarz und Gold neunmal geteilt, darüber ein grüner schrägrechter Rautenkranz) und Thüringen (in Blau ein golden gekrönter und bewehrter Löwe, von Silber und Rot siebenmal geteilt). In der Mitte der Löwenkopf stammt von einem der beiden Erker.

Heraldischer Schmuck an den Erkern:
Beide Erker enthalten die Einzelelemente des großen Staatswappens, mit den Ansprüchen Kleve-Jülich-Berg, also nach 1610. Hier sehen wir daher Inhalte, die am zuvor beschriebenen Wappen nicht vorkommen sollten und auch nicht vorkommen dürften.

In den abgebildeten Kartuschen sieht man die Wappen von Kleve (in Rot mit silbernem Schildchen ein goldenes Glevenrad), Jülich oder Markgrafschaft Meißen (in Gold ein schwarzer Löwe), Altenburg (in Silber eine fünfblättrige rote Rose, golden bebutzt) und Ravensberg (in Silber drei rote Sparren), getrennt durch Engelsköpfe auf den Erkerkanten.

Blick auf den gesamten Unterbau des südwestlichen Erkers des Stadthauses mit den oben abgebildeten Wappen. Man sieht deutlich den abgestuften Aufbau der Konsole mit einer Mädchenkopfzone ganz unten, einer Löwenkopfzone, einer Fruchtgebindezone und einer Widderzone ganz oben, begleitet von Renaissance-Beschlagwerk.

In der abgebildeten Kartusche sieht man das Wappen der Grafschaft Mark (in Gold ein von Silber und Rot in drei Reihen geschachter Balken), rechts und links Zierelemente von der Erkerkonsole.

In der abgebildeten Kartusche sieht man das Wappen der Herrschaft Eisenberg (in Silber drei blaue Balken, eine der vielen Varianten), rechts und links Zierelemente von der Erkerkonsole. Allegorische Figuren ergänzen die auf beiden Erkern in zwei Etagen umlaufend vorhandenen Wappenschildkartuschen.

In den abgebildeten Kartuschen sieht man die Wappen von Orlamünde (in einem mit roten Herzen bestreuten goldenen Feld ein rot gekrönter und bewehrter schwarzer Löwe) und der Herrschaft Pleissen (in Blau ein von Gold und Silber geteilter Löwe).

In den abgebildeten Kartuschen sieht man die Wappen der Grafschaft Brehna (in Silber 3 (2:1) im Dreipaß ausgeschlagene rote Seeblätter) und der Markgrafschaft (Herrschaft) Landsberg (in Gold zwei blaue Pfähle).

Abb.: Der Blick auf den Unterbau des Erkers an der südöstlichen Ecke des Stadthauses zeigt die hohe bildhauerische Qualität und das Repräsentationsbedürfnis des Baus bzw. Auftraggebers.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher (insbes. Bände Fürsten, Landesfürsten)
Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder - die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. C. H. Beck Verlag München 7. Auflage 2007, ISBN 978-3-406-54986-1
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Geschichte des Stadthauses:
http://www.stadt.coburg.de/gastcoburg.asp?mid=201&iid=3028

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