Bernhard Peter, Gernot Ramsauer und Alex Hoffmann
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1442
Nürnberg (Mittelfranken)

Melanchthon-Gymnasium am Egidienplatz

Eines der bildungsgeschichtlich interessantesten Gebäude ist das alte Melanchthon-Gymnasium südlich der Egidienkirche. Schon vor dem hinter hohen Bäumen zurückgesetzten rosa getönten Gebäude mit hellgrau abgesetzten Gewänden befindet sich das Denkmal des Humanisten und praeceptor Germaniae Philipp Schwartzerdt (1497 - 1560), besser bekannt unter der gräzisierten Form Melanchthon, dessen Namen die Schule seit 1933 trägt. Philipp Melanchthon kam zum ersten Mal 1518 nach Nürnberg und besuchte den bedeutenden Humanisten Willibald Pirckheimer. Wegbereitend für die Reformation in Nürnberg war ferner auch Hieronymus Paumgartner, ein Schüler Melanchthons aus Wittenberger Zeiten, eine weitere Verbindung zwischen Reichsstadt und Reformator. Ein Denkanstoß für den Nürnberger Rat, der sich früher eher für wirtschaftliche Erfolge interessiert hatte, war wohl auch Luthers Appell von 1524 an die Ratsherren aller deutschen Städte, christliche Schulen einrichten zu lassen. Bereits 1524 wollte der Nürnberger Rat Melanchthon für eine Schulgründung nach Nürnberg holen, doch der blieb erst einmal Luther in Wittenberg treu. Im darauffolgenden Jahr erneuerte der Rat seinen Ruf, und diesmal folgte der Reformator ihm, gemeinsam mit seinem Freund Joachim Camerarius als erstem Rektor. 1526 wurde das neue Gymnasium im leerstehenden Kloster der Schottenmönche am Egidienberg als "Obere Schule bei St. Egidien" eröffnet, das erste rein humanistisch-reformierte Gymnasium Deutschlands und die dritte der im Zuge der Reformation und Luthers Aufruf gegründeten neuen Schulen nach den Lateinschulen in Magdeburg und Eisleben. Auch wenn das Melanchthon-Gymnasium später verlegt und wieder zurückverlegt wurde, verstaatlicht und mehrfach umbenannt wurde (1633 Gymnasium Aegidianum, 1889 Königliches Altes Gymnasium Nürnberg, 1933 Melanchthon-Gymnasium) und heute in moderneren Gebäuden an der Sulzbacher Straße untergebracht ist, ist dieses Gebäude am Egidienplatz auch heute noch ein Symbol für die Bildungsemanzipation der reformierten Lehre und die Wegbereitung des Humanismus in der Reichsstadt.

Der Mittelteil ist erhöht und wird durch vier Pilaster hervorgehoben, die sich über dem Hauptgesims im kurzen Mezzaningeschoß fortsetzen. Alle vier Pilaster schließen ganz oben mit einem Wappenschild ab (s. u.). Über dem mittleren Stück bildet ein halbrunder Giebel den Abschluß der Fassade, und darin ist die typische Kombination Nürnberger Stadtwappen, die uns vielerorts als Trias begegnet, am Rathaus, an der Burg, an den Stadttoren, am Zeughaus usw. Oben im Zentrum steht der Schild mit dem Reichsadler, in Gold ein schwarzer Adler, wobei es sich hier um das Symbol für die Reichsstadt handelt, nicht um den Adler des Heiligen Römischen Reiches, wie er in anderen Triaden zu finden ist, z. B. in den Fenstern von St. Lorenz.

Der optisch linke Schild zeigt das Große Nürnberger Stadtwappen, in Blau ein goldener, gekrönter Jungfrauenadler. Eigentlich handelt es sich um einen Königsadler, hier ist der Rumpf jedoch eindeutig weiblich mit zwei aus der goldenen Befiederung ausgenommenen Brüsten. In seiner heutigen Form ist der Rumpf nicht weiblich, sondern eher geschlechtsneutral und auch auf der Brust vollständig gefiedert dargestellt, was darstellerisch mehr einem Königsadler entspricht, die Farben sind beim 1936 verliehenen und 1963 vom Stadtrat bestätigten heutigen Wappen aber gleich geblieben. Der rechte Schild zeigt hingegen das Kleine Nürnberger Stadtwappen, gespalten, vorne in Gold ein halber, rotbewehrter und golden nimbierter schwarzer Adler am Spalt, hinten von Rot und Silber fünfmal schräggeteilt.

Abb. links: Am ganz rechten Pilaster befindet sich das vermehrte Fürer-Wappen. Die Fürer von Haimendorf hatten einen gevierten Schild mit Herzschild, Feld 1 und 4: in Gold ein schwarzer, golden gekrönter Adler, Feld 2 und 3: unter silbernem Wolkenschildhaupt (hier durchaus plastisch zu erkennen, insbesondere in Feld 3) in schwarz-golden geteiltem Feld ein gekrönter Löwe in verwechselten Farben (das ist hier beim Anstreichen fälschlicherweise "vereinfacht" worden), hier abweichend von anderen Darstellungen alle Tiere rechtsgerichtet, Herzschild gespalten, rechts in Rot eine halbe silberne Lilie am Spalt, links in Silber ein halbes rotes Rad am Spalt (Stammwappen der Fürer). Die ältere Linie der Fürer vermehrte das Wappen (kaiserliche Wappenbestätigung 30.12.1599 durch Rudolf II., Wappenbesserung durch Kaiser Leopold I. 9.3.1688). Das vermehrte Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Bö Seite: 223 Tafel: 97 und Band: Bay Seite: 78 Tafel: 88. Zu diesem Wappen gehören zwei hier nicht dargestellte gekrönte Helme: Helm 1 (rechts): auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein wachsender, golden gekrönter, schwarzer Adlerkopf und -hals zwischen einem offenen Flug, beiderseits mit dem Bild des Herzschildes belegt, die Seite mit der halben Lilie jeweils innen und die mit dem halben Rad außen. Helm 2 (links): auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein wachsender, gekrönter, golden-schwarz geteilter Löwe zwischen einem golden-schwarz oder schwarz-golden übereck geteilten Paar Büffelhörner mit Pfauenfedern in den Mündungen. So wird das Wappen von der älteren, katholischen Linie in Böhmen geführt.

Abb. rechts: Am zweiten Pilaster von rechts befindet sich der Wappenschild der Grundherr (Grundherr von Altenthann und Weiherhaus), sie führen in Rot einen oberhalben, golden gekrönten, silbernen Löwen. Hier nicht dargestellt ist das Oberwappen, auf dem rot-silbern bewulsteten Helm mit ebensolchen Decken der Löwe wie beschrieben wachsend. Das Wappen wird im Siebmacher (Band: Bay Seite: 80 Tafel: 92) beschrieben.

Abb. links: Am zweiten Pilaster von links befindet sich der Wappenschild der Harsdörffer (Harsdörffer von Enderndorf). Sie führen in Rot auf einem goldenen Dreiberg einen silbernen Zinnenturm mit Tor und zwei Erkern, alles spitzbedacht. Das hier nicht dargestellte Oberwappen ist auf dem Helm mit rot-silbernen Decken der Zinnenturm auf dem Dreiberg. Das Wappen wird im Siebmacher (Band: Bay Seite: 39 Tafel: 36) beschrieben.

Abb. rechts: Am ganz linken Pilaster befindet sich das vermehrte Haller-Wappen. Die Haller von Hallerstein führten seit dem 27.3.1528 anläßlich einer Adelserneuerung durch Kaiser Karl V., Erweiterung des Namens zu "Haller von Hallerstein" und Aufnahme des Wappens der ausgestorbenen von Hallerstein (Siebmacher Band: BayA2 Seite: 64 Tafel: 41) einen gevierten Schild: 1 und 4: in Rot ein schwarz gefüllter, schräger, linker, silberner Sturzsparren (Stammwappen), hier der untere Schenkel waagerecht liegend, 2 und 3: geteilt, oben in Rot eine gestürzte, eingebogene goldene Spitze, unten in Silber ein schreitender, schwarzer Löwe. Das hier nicht abgebildete Oberwappen wäre: Helm 1 (rechts): ein wachsender, roter Frauenrumpf zwischen zwei roten Büffelhörnern, an den Mündungen mit Pfauenfedern besteckt. Helm 2 (links): auf dem schwarz-silbern bewulsteten Helm rechts eine aufrechte schwarze Hirschstange, links ein rot-silbern geteilter Flug, oben eine gestürzte eingebogene goldene Spitze (Kombinationshelmzier).

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere der Band Bayern
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999, Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6

Melanchthon-Gymnasium heute: http://melgym.de/
Geschichte des Melanchthon-Gymnasiums:
http://melgym.de/index.php?id=61&contUid=41
Geschichte des Melanchthon-Gymnasiums:
http://www.petraschuster.de/nuernberg/geschichte/bildung.shtml

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