Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1485
Kirchensittenbach (Mittelfranken, Landkreis Nürnberger Land)

Die Bartholomäuskirche in Kirchensittenbach (1):
Wappenmedaillons im Ostchor

In den Fenstern des Chores sind linkerhand zwei heraldische Medaillons in den Glasfenstern. Das erste ist ein Wappen, das uns im Zusammenhang mit der gleichen Person im Nürnberger Raum noch mehrfach begegnet, zum einen in den Glasfenstern von St. Martha in Nürnberg, zum andern in der Stadtkirche von Hersbruck. Die umlaufende Inschrift nennt neben dem Jahr 1607 als Stifter der Scheibe den Verwalter und Landpfleger "H(errn) Jacob Starckh von und zu Reckhenhoff " (lebte 1550 bis 1617) und seine beiden Ehefrauen "bede Ehewirtin Elisabeth Ußlerin von Goßlar un.(d) Magda.(lena) Riet.(er) zu Kor.(nburg)". Jacob Stark von und zu Röckenhof (1550-5.7.1617) war der Sohn von Hans IV. Stark (1516-1572) und Helena Muffel (gest. 1592), und er hatte drei Brüder, Ulrich Hans Stark (1546-1587), Hans V. Stark (1548-1629) und Georg Stark (1554-1632). Die Familie unternehmenslustiger Kaufherren war einst 1387 aus Weißenburg eingewandert. Im Nürnberger Rat war die Familie Stark erstmals 1453 vertreten. Der Stifter der Scheibe, Jakob Stark, kam 1578 in den Kleineren Rat als Alter Genannter. 1583 wurde er jüngerer Bürgermeister, 1587 Rugherr, 1604 Septemvir, 1612 dritter Oberster Hauptmann, 1613 Zweiter Losunger und schließlich 1617 Vorderster Losunger. Gleichzeitig wurde er Reichsschultheiß von Nürnberg, ein Amt, das lange Zeit seit 1571 vakant war, so daß die Vordersten Losunger eigentlich juristisch nur Verweser waren, aber nun gab es mit Jakob Stark wieder einen echten "Schultheißen von Nürnberg".

Zwei Schilde sind hier als Ehewappen unter der gemeinsamen Helmzier des Ehemannes vereinigt. Davon zeigt der Schild des Mannes das Wappenbild der Stark (Starck) von und zu Röckenhof, in Silber auf schwarzem Dreiberg eine wachsende männliche Figur in roter Gewandung, mit einer schwarzen Kappe mit silbernem Stulp, in jeder Hand einen Karst (eine Hacke oder Haue mit langem Zinken zur Bodenlockerung und zur Ernte) an langen goldenen, auf dem Dreiberg aufgestützten Stielen haltend. Auf dem Helm mit rot-silbernen Decken der Mann wie beschrieben auf dem Dreiberg. Der namengebende Sitz Röckenhof wurde übrigens 1514 erworben. Dabei ist die Benennung "Stark von Röckenhof" eine selbstgewählte in Nachahmung der Namensbildung landsässiger Patrizier- und Adelsfamilien, die Namensgebung fand keine Autorisierung von höherer Stelle, wurde aber toleriert. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Bg13 Seite: 76 Tafel: 51 und Band: BayA1 Seite: 109 Tafel: 108.

Der andere, heraldisch linke Wappenschild ist geviert, und er setzt sich zusammen aus den Einzelwappen zweier Ehefrauen. Hier werden also in einem einzigen Schild zwei Motive vereinigt, die sonst nie gemeinsam in den selben Schild gehören, nur weil sie nacheinander die Ehefrauen des Stifters waren. Seine erste Frau (Feld 1 und 4) war die 1574 geehelichte und um 1589 kinderlos verstorbene Elisabeth Uslar aus der Stadt Goslar, ihr Wappenbild ist geteilt, oben schwarz, unten von Silber und Rot dreimal gespalten (hier gewendet). Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Brau Seite: 10 Tafel: 8, Band: Han Seite: 26 Tafel: 27, Band: Me Seite: 20 Tafel: 19, Band: PrE Seite: 175 Tafel: 152. Diese Goslarer Patrizier führten als Helmzier (hier nicht dargestellt) auf dem Helm mit rot-silbernen Decken zwei Büffelhörner, geteilt, oben schwarz, unten silbern-rot gespalten. Seine zweite Ehefrau (Felder 2 und 3) ist die 1603 geehelichte und ebenfalls kinderlose Magdalena Rieter, ihr Wappenbild zeigt in von Schwarz und Gold geteiltem Schild eine rotgewandete und golden gekrönte zweischwänzige silberne Meerjungfrau/Sirene/Melusine (Siebmacher Band: BayA1 Seite: 106 Tafel: 105, Band: BayA3 Seite: 42-43 Tafel: 27). Was hier nicht zu sehen ist, ist die Tatsache, daß Jacob Starck nach Magdalenas Tod zum dritten Mal heiratete, nämlich 1613 Anna Maria Holzschuher (1582 - 1626), die Witwe Gottlieb II. Volkamers. Da diese Scheibe 1607 entstand, kann sie natürlich die dritte Ehe noch nicht zeigen, im später entstandenen Pendant in St. Martha in Nürnberg sehen wir hingegen die Wappen aller drei Frauen. In der gleichzeitig mit dieser Scheibe hier entstandenen Wappenscheibe in der Hersbrucker Stadtkirche sind auch nur die beiden ersten Frauen repräsentiert.

Eine zweite, weniger gut erhaltene, auf 1677 datierte Wappenscheibe befindet sich links von der oben beschriebenen. Eine erläuternde Inschrift fehlt, der kreisrunde Rahmen wird von einem goldfarbenen Laubkranz gebildet. Das dargestellte Wappen ist das der Familie Tetzel, es zeigt in Rot eine aufspringende silberne Katze, hier gewendet, denn sie springt normalerweise nach rechts auf. Auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken die silberne Katze wachsend, wobei man hier der symmetrischen Frontaldarstellung so weit den Vorzug gab, daß nun Helmzier und Helm nicht in die gleiche Richtung blicken und so eine wichtige Regel gestalterischer Harmonie nicht beachtet wird. Ein Beischild für die Ehefrau zeigt in blau-golden schräglinks geteiltem Schild ein aufspringendes Einhorn in verwechselten Farben. Dies ist das Wappen der Stauffer von Untrach. Deren Wappen wird beschrieben bei Schöler auf S. 101, Tafel 108, sowie im Siebmacher Band: BayA3 Seite: 93 Tafel: 60. Damit läßt sich die Wappenscheibe Johann Jakob II. Tetzel (1649-1688) und seiner 1673 geehelichten Frau Helena Katharina Stauffer zuordnen. Dieser Johann Jakob II., Sohn von Philipp Jakob (1624-1669) und Urenkel von Karl Tetzel (1559-1611), hatte 1674 Teile von Kirchensittenbach (Kleines Schloß und mehrere Güter) von seiner Tante Anna Felicitas geb. Haller, Witwe von Karl Erasmus Tetzel, gekauft. Die gleiche Wappenkombination begegnet uns wieder auf seiner Grabplatte. Die Stauffer stammen eigentlich aus Österreich, der kaiserliche Rat Georg Stauffer zog 1626 aus Glaubensgründen nach Regensburg. In Franken gehörte der Familie zeitweise Schloß Adlitz. Ihre hier nicht dargestellte Helmzier wäre auf dem gekrönten Helm mit blau-goldenen Decken ein goldenes Einhorn wachsend. Am 6.1.1648 gab es von Kaiser Ferdinand III. für Elias und Ehrenreich Stauffer von Untrach, beides Söhne des erwähnten Georg, eine Adelsbestätigung und Wappenvermehrung, dabei wurde in den gevierten Schild das Wappen der mit David ausgestorbenen Aigl zu Lind (Siebmacher Band: Salz Seite: 1 Tafel: 1, Band: Stei Seite: 23 Tafel: 8) aufgenommen. Es sieht danach wie folgt aus: Geviert, Feld 1 und 4: in Rot zwei schräggekreuzte Hackbeile oder Äxte an goldenen Stielen (Aigl), Feld 2 und 3: in blau-golden schräglinks geteiltem Feld ein aufspringendes Einhorn in verwechselten Farben (Stammwappen). Zwei gekrönte Helme: Helm 1 (rechts): ein roter, mit zwei schräggekreuzten Hackbeilen oder Äxten an goldenen Stielen belegter Flug zu rot-goldenen Decken (Aigl), Helm 2 (links): auf dem mit heidnischer Krone gekrönten Helm ein wachsendes goldenes Einhorn zu blau-goldenen Decken (Stammhelm). Dabei ist interessant, daß das Stammwappen in die nachgeordneten Felder kam. Der Name wurde ebenfalls gebessert in "Stauffer v. Stauff und Untrach".

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere der Band Bayern
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999, Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6

Peter Fleischmann, Rat und Patriziat in Nürnberg. Nürnberger Forschungen, Einzelarbeiten zur Nürnberger Geschichte, herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg. Bände 31/1, 31/2, 21/3 (Stammbäume) und 31/4. VDS Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch. ISBN 978-3-87191-333-4.
Evangelisch-lutherische Gemeinde Kirchensittenbach:
http://www.kirche-kirchensittenbach.de/
Geschichte der Bartholomäuskirche:
http://www.kirche-kirchensittenbach.de/bartholomaeuskirche/geschichtliches.html
Veröffentlichung der Bilder aus dem Innenraum der Bartholomäuskirche mit freundlicher Genehmigung von Herrn Pfarrer Johannes Ziegler vom 9.11.2010,
wofür ihm an dieser Stelle ganz herzlich gedankt sei.

(2): Johann Jakob II. Tetzel - (3): Glasfenster Empore - (4): Glasfenster Empore - (5): Glasfenster Empore - (6): Weitere Wappendarstellungen

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