Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1574
Prettin (Annaburg, Sachsen-Anhalt, Landkreis Wittenberg)

Schloß Lichtenburg in Prettin, Torbau

Die dunkle Seite der Geschichte - vom Witwensitz zum Konzentrationslager, vom Flüchtlingslager zur LPG: 1717 verstarb die letzte Wettinerwitwe, die hier Quartier genommen hatte. Danach nutzte man das altmodisch gewordene Schloß als adeliges Fräuleinstift und später als königliches Kammergut. 1811 brauchte man das Schloß nicht mehr als Nebenresidenz. Friedrich August I. (23.12.1750 - 5.5.1827), erster König von Sachsen, befahl den Umbau. Die Gebäude wurden Zuchthaus, erst seit 1812 unter sächsischer, dann unter preußischer Landesherrschaft nach dem Verlust umfangreicher Landesteile an den nördlichen Nachbarsouverän. Infolge dieser Nutzung wurde das Schloß umgebaut und entstellt, Haftzellen wurden eingebaut, die unteren Stockwerke mit Fenstergittern versehen, im Norden wurde 1878/79 auf dem hinteren Schloßhof ein häßlicher Zellentrakt angebaut, an den Westflügel wurde ein Lazarettflügel angebaut. Wo sich früher die kulturtragende Hofgesellschaft in Sälen die Zeit vertrieb, wurden Werkstätten eingerichtet. 1928 wurde die Haftanstalt geschlossen.

1933 entstand auf dem Gelände ein Konzentrationslager, eines der frühesten, die eingerichtet wurden, bis 1937 für Männer, 1937 bis 1939 für Frauen. An diese Zeit wird in einer 1965 eingerichteten Gedenkstätte erinnert. 1939-1945 war hier ein SS-Hauptzeugamt untergebracht, und nach Kriegsende brachte man bis 1946 in den heruntergekommenen Gebäuden Flüchtlinge unter. 1946 bis 1990 wurde das weitläufige Gelände durch eine landwirtschaftliche Produktions-Genossenschaft namens "Geschwister Scholl" genutzt.

Heute bemüht man sich nach Kräften, die Folgen unseliger Geschichte und vor allem jahrzehntelanger Vernachlässigung zu kompensieren, allein es ist eine Sisyphusarbeit. So sind weite Teile des Gebäudes immer noch in beklagenswertem Zustand, an großen Flächen platzt der gelb-orange Putz von den Fassaden, und es sind dringend Investitionen nötig, um aus dem Schloß mehr zu machen als einen von unseliger Geschichte und Vernachlässigung geprägten Ort, um wieder die Geschichte als wettinische Residenz in den Vordergrund treten zu lassen, damit man den Ort wieder als Schauplatz des Lebens wichtiger historischer Persönlichkeiten erleben kann. Aber die Restaurierung ist kein Pappenstiel - 23000 Quadratmeter Fläche hat das Schloß, allein der Minimalunterhalt ist kaum finanzierbar, und die Komplettrenovierung dürfte einen leicht dreistelligen Millionenbetrag erfordern. Heute enthält die Lichtenburg ein Museum der Stadt Prettin. Seit 2007 ist sie Teil der "Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt".

Abb.: Blick auf die Südfront entlang der Schloßstraße. Über den Dächern sieht man links die Hauben der im südlichen Innenhof eckständig erbauten beiden Treppentürme. Dem eigentlichen, durch einen Turm überhöhten Torbau (rechts im oberen Bild) ist ein niedriger Bau mit Volutengiebel vorgesetzt (unteres Bild rechts), der die beiden unterschiedlichen, parallelen Torwege trennt. Wegen dieser zwei Torwege sieht man auch in der Umfassungsmauer zwei gemauerte Torbögen. In der Mitte zwischen beiden Durchfahrten erhebt sich der Turm, und zwischen erstem und zweitem Obergeschoß ist ein einst prächtiges, heute vernachlässigtes Allianzwappen angebracht.

Hier begegnet uns zum dritten Mal das gleiche Allianzwappen für August Kurfürst v. Sachsen (13.7.1526 - 12.2.1586) und Anna von Dänemark (1532 - 1.10.1585). Im Gegensatz zu den beiden anderen hier vorgestellten Wappen, die in hervorragendem Zustand sind, ist dieses mit seinen abblätternden Farbschichten, Schäden am Stein, ausgebrochenen Helmbügeln und Profilen, Salzkrusten etc. noch dringend renovierungsbedürftig (wie so viele Trakte des Schlosses). Gerahmt wird die Komposition von zwei kannelierten Pilastern, die einen Dreiecksgiebel tragen. Unter der Wappenzone ist ein Sockelfeld mit Platz für Inschriften, die bis auf die Jahresangabe "AD 1565..." unleserlich geworden sind. Darunter verjüngt sich die Konstruktion, neben zwei Voluten sind zwei Steinmetzzeichen zu erkennen, und unten schließt das Kunstwerk mit einer Löwenmaske ab. In der Mitte zwischen beiden Wappen steht ein Engel mit Flügeln und mit zwei über der Brust gekreuzten Bändern als Schildhalter.

Inhaltlich ist das Wappen heraldisch rechts für August I. Kurfürst v. Sachsen identisch mit den beiden zuvor beschriebenen, mit Feldern für das Herzogtum Sachsen, die Landgrafschaft Thüringen, die Markgrafschaft Meißen, die Pfalzgrafschaft Sachsen, die Pfalzgrafschaft Thüringen, die Grafschaft Orlamünde, die Herrschaft Landsberg, die Herrschaft Pleissen, die Burggrafschaft Altenburg, die Burggrafschaft Magdeburg, die Grafschaft Brehna, die Regalien, die Kurschwerter, dazu 3 Helme für Kursachsen, die Landgrafschaft Thüringen und die Markgrafschaft Meißen (siehe ausführlich bei der Schloßkirche). Wie an der Schloßkirche trägt auch hier der Schlußstein der rundbogigen Tordurchfahrt eine ovale Wappenkartusche mit dem einfachen kursächsischen Wappen, allerdings sehr stark verwittert und vernachlässigt.

Heraldisch links ist wiederum das Wappen für Anna von Dänemark mit dem Danebrog im oberen Teil und Feldern für Dänemark, Norwegen, Goten, Wenden, Schweden bzw. Kalmarer Union, Gotland, Schleswig, Island, Holstein, Stormarn, Oldenburg, Delmenhorst, Herzschild Dithmarschen (siehe ausführlich bei der Schloßkirche). Gerahmt wird die ovale Kartusche von Renaissance-Rollwerk, in das oben rechts und links zwei Löwenmasken eingearbeitet sind. Über der Kartusche ist eine Krone.

Abb.: Blick entlang der Schloßstraße nach Nordwesten. Links im Bild ist der Westrakt zu sehen, an den der niedrige Südflügel angesetzt ist. Beide haben einen Renaissance-Volutengiebel. Über die Dächer ragt der im südwestlichen Eck des Innenhofes stehende Treppenturm.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Informationstafeln am Gebäude und im Tordurchgang
http://www.prettin.de/Lichtenburg/Lichtenburg.htm
http://www.sachsen-anhalt.de/index.php?id=8917
http://www.freitag.de/politik/0123-einstiges-konzentrationslager-verkauf
Norbert Eisold, Edeltraud Lautsch, DuMont Kunst Reiseführer Sachsen-Anhalt: zwischen Harz und Fläming, Elbe, Unstrut und Saale - eine denkmalreiche Kulturlandschaft
Ute Essegern, Fürstinnen am kursächsischen Hof: Lebenskonzepte und Lebensläufe zwischen Familie, Hof und Politik in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Leipziger Universitätsverlag, 2007, 524 S.,
http://books.google.de/books?id=vNvUej1mFvIC
Lichtenburg:
http://www.lichtenburg.org/ - Geschichte: http://www.lichtenburg.org/13.0.html
Arbeitskreis Schloß und Gedenkstätte:
http://www.lichtenburg.org/uploads/media/Selbstdarstellung.pdf
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9

Lichtenburg, Schloßkirche - Schloß Lichtenburg

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