Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1903
Schwäbisch Hall (Landkreis Schwäbisch Hall)

Großcomburg (1)

Die Comburg ist eine burgartige Stiftsanlage im Südosten von Schwäbisch Hall, malerisch auf einer Hügelkuppe gelegen (Großcomburg). Auf mehreren Ebenen staffeln sich Gebäude von der Romanik bis zum Rokoko und bilden ein geschichtlich wie kunsthistorisch faszinierendes Ensemble auf dem Umlaufberg des Kochers. Eine äußere Ringmauer von ovalem Verlauf besitzt insgesamt sieben Türme und umschließt fast alle Gebäude, lediglich die Obervogtei und der Samenbau liegen außerhalb. Innerhalb staffeln sich die Gebäude, die größtenteils aus der Renaissance und aus dem Barock stammen, rings um die 1088 geweihte Kloster- und spätere Stiftskirche auf dem höchsten Punkt der Anlage, die wiederum eine Mischung aus romanischen und barocken Bauteilen ist. In ihrer Geschlossenheit und in ihrem Erhaltungszustand ist die Anlage einzigartig, und mit den weltberühmten romanischen Kunstschätzen im Innern ist die Comburg das kunsthistorisch bedeutendste Ensemble der Stadt Schwäbisch Hall. Dazu sei jedoch bemerkt, daß die Comburg erst 1930 eingemeindet wurde, und daß seit dem Mittelalter die Reichsstadt einerseits und das geistliche Territorium andererseits unabhängig voneinander waren und eine getrennte Entwicklung nahmen.

Abb.: Ansicht von Großcomburg von Kleincomburg aus

Geschichtlich lassen sich ganz unterschiedliche Phasen unterscheiden. Zuerst handelte es sich bei der Comburg um eine echte Burg der Grafen von Comburg-Rothenburg zur Sicherung ihres Territoriums. Auch wenn sich dem flüchtigen Betrachter die Assoziation aufdrängen mag - was wir heute an Wehrmauern und Türmen sehen, hat nichts mit dieser Burg zu tun, sondern ist sehr viel später im 16. Jh. entstanden. Auch wenn die Anlage noch so mittelalterlich wirkt und den Eindruck einer idealtypischen befestigten Klosterburg vermittelt, stammen die meisten Gebäude tatsächlich aus deutlich späterer Zeit, meist aus Renaissance und Barock. Die Grafenburg wurde 1078 in ein Kloster umgewandelt, in das Angehörige der Grafenfamilie selbst eintraten. Das Kloster folgte der Benediktinerregel und gehörte zu den cluniazensischen Reformklöstern mit dem Vorbild Hirsau, und von dort kam auch der erste Abt. Zu Beginn hatten die Grafen von Comburg selbst die Vogtei inne, garantierten also den militärischen Schutz und übten die Rechtsprechung über die Hintersassen aus. Im Jahre 1090 wurde die Comburg noch unter Graf Burkhard dem Hochstift Mainz unterstellt. Der Mainzer Erzbischof durfte den Abt wählen und hatte das Visitationsrecht. Das Kloster durfte dafür seinen Vogt wählen. Der geistliche Chef aber saß in Würzburg. Das wird z. B. deutlich, als es 1216 zu einem Streit über die Investitur eines Comburger Abtes kam, und der Papst zugunsten Würzburgs entschied. 1138 unterstellte König Konrad III. das Kloster seinem Schutz, was 1273 von Kaiser Rudolph bestätigt wurde, ebenso von den Nachfolgern. 1318/1319 kam die Vogtei an die Stadt Hall, wo sie bis 1485 verblieb. Die Comburg erlebte durch regen Austausch mit anderen Reformklöstern ihre erste Blütezeit. Aus dieser Epoche ist aber nur ganz wenig an Bauten erhalten, eigentlich nur der Westturm der Stiftskirche, der Torbau und die Alte Abtei mit der Klausur, wo bis zum Dach romanisches Mauerwerk erhalten ist.

Die Klosterzeit währte 1078-1488. Baulich können wir zwei Hauptphasen unterscheiden. In der ersten Phase 1075-1140 stammen die wesentlichen Gebäude des alten Klosters, Dormitorium und Refektorium, Kreuzgang, Torbau, Kapelle St. Michael, Westturm der Kirche, alte Abtei u.v.a.m. In der zweiten Phase entstanden 1220-1250 die Osttürme der Kirche und die Sechseckkapelle. 1237 wurde unter Abt Entsevius (Conrad von Entensee) festgelegt, daß nur adelige Mitglieder ins Kloster Aufnahme finden sollten, keine Bürgerlichen.

Das Kloster war während seiner Blütezeit aufgrund vieler Schenkungen wirtschaftlich gut gestellt. Zum Eigentum und zu den Rechten des Klosters Comburg gehörten gemäß einer päpstlichen Urkunde von 1248 Besitzungen in Gebsattel, Leutzhof, Gruzhof, Rothenburg, Untergröningen, Trögelsberg, Sanwel, Geifertshofen, Winzenweiler, Benzenhof, Kirchenkirnberg, Rötenberg, Ottendorf, Großaltdorf, Hausen, Zainbach, Hütten, Michelfeld, Tullau, Leubingsforst, Steinbach, Hessental, Sulzdorf, Gschlachtenbretzingen, Rauhenbretzingen, Michelbach, Altenhausen, Gelbingen, Erlach, Otterbach, Hall, Reinsberg, Hohenberg, Rudelsdorf, Dörrmenz, Steinkirchen, Leipoldsweiler, Haßfelden, Wackershofen, Witzmannsweiler, Kocherstetten, Morsbach, Künzelsau, Stein, Ingelfingen, Widdern, Neckarsulm, Untergriesheim, Nußbaum, Billigheim und Waldmühlbach. Das Patronat hatte das Kloster Comburg davon in Gebsattel, Waldmühlbach, Künzelsau, Steinkirchen, Haßfelden, Reinsberg, Tüngental, Erlach, Steinbach, Michelbach und Ottendorf inne. Wie man sieht, erstreckte sich der klösterliche Besitz über ein riesiges Gebiet entlang des Kochers nach Norden und Süden, mit einigen weiter abgelegenen Besitzungen zusätzlich.

Vom 13. bis zum 15. Jh. kam es aber zu einem Niedergang. Der Untergang der Staufer beraubte das Kloster seines Schutzes. Auf einmal sah es sich in zahlreiche Fehden verwickelt. Die Aufbruchsstimmung der Gründerzeit war verflogen, wirtschaftliche Schwierigkeiten mehrten sich, kaum Stiftungen gab es, es fanden mehr Verkäufe als Käufe statt, und der Grundbesitz nahm ab. 1318/1319 mußte man den Kirchenschatz verpfänden, weil das Kloster bereits bankrott war. In der Tat nahmen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Formen eines richtigen Konkurses an: Man verzeichnete 250 Pfund Heller Einnahmen, hatte aber 3220 Pfund Heller Schulden angehäuft. Ein Konsortium Haller Patrizier kümmerte sich um die Sanierung. Der sich aus Mitgliedern des Niederadels der Umgebung bzw. aus dem Patriziat von Hall zusammensetzende Konvent wurde zeitweise aufgelöst, wertvolle Bücher nach Schöntal bzw. an eine Witwe Guta Veldner aus Hall verpfändet; Notverkäufe und auch mal mit Fäusten ausgetragener Zank zwischen Abt und Konvent bestimmten die folgenden Jahrzehnte. Um die Rückgabe verpfändeter Gegenstände erwuchs Streit, der zu einem bewaffneten Angriff des Abtes Konrad von Münkheim auf Hall führte, der mit seiner Gefangennahme endete. Eine strikte Gütertrennung zwischen Abt und Konvent beruhigte erst langsam die wirtschaftliche Lage.

Das Jahr 1488 markiert die Umwandlung in ein Ritterstift (Chorherrenstift). Die Mönche, nur 7-10 an der Zahl, hatten die Wahl, zur Regeltreue zurückzukehren, sie entschieden sich dagegen. Anstelle von Rückkehr zur benediktinischen Regel gab es durch Änderung der Rechtsform eine Legalisierung der bestehenden Zustände, die sich weit von mönchischen Idealen entfernt hatten (s. u.). Man wurde die Bindung an die Regel lieber ganz los. Verhandelt wurde darüber seit 1482, und am 5.12.1488 bestätigte Papst Innozenz VIII. die getroffenen Absprachen. Anstelle von Äbten, Prioren und Mönchen gab es nun in der Personalhierarchie einen Propst, einen Dekan, die Würden (dignitates) eines Scholasticus, eines Kantors und eines Kustos, Kapitulare, Domizellare (Pfründenanwärter), Vikare (zum Priester geweihte Bürgerliche, die die Gottesdienste und Jahrestage abhielten), Kirchner, Pfarrer, Räte, Offizianten. Anstelle der schwarzen Kutten der Benediktiner zogen die frischgebackenen Chorherren weiße Chorhemden und Almutium an.

In diese Zeit fällt auch die Übernahme der Vogtei, welche Kaiser Friedrich III. 1485 der Stadt Hall weggenommen hatte, durch das Hochstift Würzburg unter Fürstbischof Rudolf von Scherenberg. Bis dahin hatte das Kloster der Stadt jedes Jahr 90 Gulden Schirmgeld bezahlt, und die Gegenleistung der Stadt Hall war, die Sicherheit des Klosters gegen äußere Feinde militärisch zu gewährleisten und die Hohe Gerichtsbarkeit über die Untertanen des Klosters auszuüben. Für den Bischof verbanden sich mit der Übernahme der Vogtei und der sich daraus ergebenden Verpflichtungen zwei Vorteile: Zum einen faßte man territorial in diesem Gebiet Fuß, zum anderen konnte man mit den sich ergebenden Pfründen eine Menge geistlicher Mitglieder der fränkischen Ritterschaft zufriedenstellen. Während das Hochstift und die Bischöfe die Vogtei hatten, hatten die Schenken von Limpurg die Untervogtei, und so kam es, daß die Comburg quasi zu deren Hausstift mit entsprechender Grablege wurde. Für die Schenken von Limpurg bedeutete das vor allem eine Stärkung ihrer oppositionellen Position in bezug auf die Reichsstadt Hall. Nicht ganz unbeteiligt an der Vergabe war Wilhelm Schenk von Limpurg (1434-1517), Domdekan in Würzburg. Das Hochstift Würzburg bekam im Gegenzug vier Dörfer. Die Mönche, das Hochstift Würzburg und die Schenken gewannen alle bei diesem Coup. Nur Hall war der Verlierer. Ok, nicht ganz: 1485 verweigerte die Comburg die Zahlung des Schirmgeldes, weshalb es Krach mit Hall gab. Warum sollte man auch bezahlen, wo Hall doch nicht mehr die Vogtei innehatte? 1497 gab es einen Vergleich, in dem die Comburg das Schirmgeld für die letzten 12 Jahre nachzuzahlen und auch einen Kredit rückzuzahlen sich verpflichtete. Mit dem Aussterben der Schenken von Limpurg im Mannesstamm mit Graf Vollrat (gest. 19.8.1713) aus der Obersontheimer Linie fiel die Wahrnehmung der Vogtei wieder an das Hochstift Würzburg zurück, das die Verwaltung fortan wieder selber übernahm.

Der Bauernkrieg ließ die Comburg unzerstört, das Stift galt als arm, hier war nichts zu holen. Der 30jährige Krieg sorgte für eine kurze Unterbrechung des Stiftslebens, denn nach der Besetzung durch die Schweden 1631 wurden die Chorherren 1632-1634 ohne Pension vertrieben, während die Comburg am 3.6.1632 von König Gustav Adolf an den württembergischen Oberst Bernhard von Schaffalitzki zu Muckendell zum Dank für geleistete Dienste verschenkt wurde. In dieser Zeit wurde der evangelische Gottesdienst unter dem Prediger Mathias Ströle eingeführt. Am 27.8.1634 beendete jedoch die Schlacht von Nördlingen das Intermezzo, und Bernhard von Schaffalitzki geriet in Gefangenschaft. Die Stiftsherren kehrten zurück.

Die Stiftszeit währte 1488-1802 bis zur Säkularisierung. Baulich spiegelt sich die neue Ordnung insofern in der Comburg wider, als rings um die alten Abteigebäude in einem äußeren Bebauungsring die Kurien mit den Wohnungen der Chorherren entstanden. Nur die Chorvikare wohnten gemeinsam im sog. Vikarienbau. Die weltlichen Beamten wohnten in den Außenbereichen oder unten im Dorf Steinbach. Eine zweite große Blüte erlebte die Comburg unter Erasmus Neustetter gen. Stürmer, eine Zeit religiöser Toleranz, geistigen Austausches und kulturellen Schaffens. In konfessioneller Hinsicht herrschte in seiner Amtszeit ein liberaler und toleranter Geist. Nach seinem Tod kam die Comburg in den gegenreformatorischen Sog, und am 1.4.1595 gab Bischof Julius Echter von Mespelbrunn dem Stift neue Statuten. Darin wurde die Zahl der Kanonikate auf 12 festgelegt, 10 für Adelige und 2 für promovierte Theologen oder Juristen. Die neue Stiftsordnung legte akribisch Aufgaben für die Stiftsmitglieder und ihren Lebenswandel fest. Danach wurde die Comburg zunehmend ein kulturell unbedeutender, aber wirtschaftlich interessanter Außenposten des Hochstifts Würzburg

Abb.: Ansicht von Osten, Wehrmauern und Wehrturm links des Außentores

1802 bekam Württemberg aus der "Erbmasse" des abgewickelten Fürstbistums Würzburg die Comburg als Ersatz für verlorene linksrheinische Territorien, und die stets unter fränkischem Einfluß stehende, seit mehr als 700 Jahren als Institution bestehende Comburg wurde jetzt württembergisch. Am 4.10.1802 erfolgte die militärische Inbesitznahme, am 23.11.1802 die Zuerkennung, und am 26.11.1802 die Zivilinbesitznahme, alles noch vor dem Reichsdeputationshauptschluß. Württemberg bekam damals viele ehemals geistliche Territorien, so auch die Propstei Ellwangen, die Abtei Zwiefalten, die Abtei Schöntal, das Kloster Heiligkreuztal, das Kloster Rottenmünster, das Damenstift Oberstenfeld und das Kloster Margarethausen, dazu Ochsenhausen, Weißenau, Schussenried etc. Fast könnte man von einem gewissen plötzlichen Überfluß repräsentativer Bauten in württembergischer Hand sprechen. Die Auflösung als geistliche Institution erfolgte per Dekret vom 12.1.1803. Die Württemberger hatten auf der Comburg zunächst nichts Eiligeres zu tun, als sämtliche Gegenstände und Kunstwerke aus massivem Edelmetall in die Münze zu Ludwigsburg zu überführen und einzuschmelzen. Das Personal wurde mit Pensionen abgefunden, der Propst, der Dekan, sechs Kapitulare und vier Domicellare. Die Chorvikare durften bleiben, bis sie das Zeitliche segneten. Die Bibliothek wurde 1805 nach Stuttgart überführt. Danach diente die Anlage wechselnden Nutzungen, sie war Ämtersitz, 1807-1810 Apanage-Schloß des Prinzen Paul von Württemberg (19.1.1785-16.4.1847) und seiner Gemahlin Charlotte von Sachsen-Hildburghausen (17.6.1787-12.12.1847), denen hier aber so tief in der Provinz bald die Decke auf den Kopf fiel, 1817-1909 Sitz des württembergischen Ehreninvalidencorps, Sitz einer Näh- und einer Kochschule, 1879 Sitz des Landwehrbezirkskommandos, dann 1926-1936 Sitz einer Heimvolkshochschule unter Theodor Bäuerle (1882-1956), anschließend war sie Bauhandwerkerschule, HJ-Heim, Arbeitsdienstlager und Kriegsgefangenenlager. Seit 1947 ist die Großcomburg eine staatliche Akademie für Lehrerfortbildung.

Abb.: Südlicher Zwinger zwischen äußerer und innerer Ringmauer, auf letzterer aufsitzend von rechts nach links das Mesnerhaus, der Vikarienbau und die Kaplanei (Registratur)

Übersicht: Dekane des Stifts Großcomburg
Der Dekan ist die zweithöchste Dignitas der Stiftsverwaltung. Er wurde vom Stiftskapitel gewählt und war der Vorsteher des Stifts und der eigentliche Geschäftsführer der Stiftsangelegenheiten mit Residenzpflicht. Bei den Wappendarstellungen, z. B. auf den Wappentafeln der Comburger Kanoniker, sind die Wappen der Dekane ohne Inful und ohne Krummstab, dafür aber, sofern Vollwappen, mit zwei Kleinoden, dem des Stifts und dem der Familie. Von besagten Wappentafeln gibt es neun, je eine für die Äbte, eine für die Pröpste, eine für die Dekane und sechs für die Kanoniker, insgesamt 173 Kanoniker und Kapitulare zwischen 1488 und 1798. Sie wurden 1989 restauriert und sind auf verschiedene Räume der Stiftskirche, die Wintersakristei etc. verteilt. Die Dekane der Comburg waren:

Abb.: Sechseckkapelle, rechts im Hintergrund die neue Dekanei, links ganz hinten der Wambold-Bau

Übersicht: Pröpste des Stifts Großcomburg
Der Propst ist die höchste Dignitas des Stifts. Er wurde vom Stiftskapitel gewählt und war der oberste Vorgesetzte sowie Leiter der äußeren Angelegenheiten des Stifts. Es bestand keine Residenzpflicht. Bei den Wappendarstellungen, z. B. auf den Wappentafeln der Comburger Kanoniker, sind die Wappen der Pröpste meist wie die der Äbte aufgebaut, kombinieren also das Stiftswappen mit dem Familienwappen, entweder als zwei separate Schilde oder in einem gevierten Schild, sie werden mit Inful und Abtsstab dargestellt, im Gegensatz zu den Wappen der Dekane. Es gab mit Erasmus Neustetter nur einen Propst, der gleichzeitig Dekan war, und mit Johann Gottfried von Aschhausen einen einzigen Propst, der zuvor Dekan war und dann das Amt wechselte.

Abb.: Sechseckkapelle mit darunter hindurch führendem Aufgang, im Hintergrund rechts die alte Dekanei, links die neue Dekanei

Allgegenwärtig ist auf der Comburg das Stiftswappen, in Blau ein goldener, hersehender Löwenkopf (Löwenmaske, Leopardenkopf), der in die Spitze eines erniedrigten goldenen Sparrens beißt. Dieses Wappen begegnet uns auch in der Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber, z. B. am dortigen Rathaus und an der Klingenbastei. Zwischen der Comburg und Rothenburg gibt es eine enge Verbindung durch eine 1116 ausgestorbene, fränkische Grafenfamilie, durch die Grafen von Comburg-Rothenburg. Die Grafen von Comburg, die seit 1037 Herrschaftsrechte in Hall innehatten und die unter Graf Burkhard II. von Comburg-Rothenburg ihre eigene Burg Comburg erst zur Hälfte, dann um 1078 gänzlich in ein Kloster umwandelten, z. T. selbst dort eintraten, und denen u. a. das Dorf Gebsattel gehörte, errichteten um 1070 auf einer Bergnase über der Tauber die Burg Rothenburg. Bei ihrem Aussterben mit Graf Heinrich im Alter von fünfzig Jahren sollte eigentlich der ganze Besitz, auch die Stadt Rothenburg, dem Kloster Comburg zufallen, doch Kaiser Heinrich sah das ganz anders und verhinderte dies, und so ging der Besitz einschließlich Hall und Rothenburg an die Staufer über. Die Staufer übernahmen die Klostervogtei der Comburg, und dieses Recht ging später an das Hochstift Würzburg über (zu Zeiten der Grafen war das Kloster dem Hochstift Mainz unterstellt). Die Städte Hall und Rothenburg wurden zu Reichsstädten.

Die Abb. oben und unten zeigen das Stiftswappen jeweils ohne die Begrenzung durch eine Schildform auf gußeisernen Brunnentrögen. Beide Brunnen stehen direkt nebeneinander, aber auf ganz unterschiedlichen Niveaus östlich der Sechseckkapelle. Das Stiftswappen in der oberen Abb. ist vom auf dem oberen Niveau stehenden Brunnentrog, der insgesamt viermal dieses Motiv zeigt, auf jeder Längsseite zweimal, und die beiden unteren Aufnahmen zeigen den winkelständigen Brunnen gleich linkerhand nach Durchschreiten des inneren Torhauses mit ovaler Einfassung des Stiftswappens auf zwei Seitenwangen des Troges (die beiden anderen Flächen zeigen eine Rosette). Übrigens - böse Zungen behaupten, der Löwe hätte den Pfarrer gefressen, und dessen Beffchen hinge noch aus dem Maul heraus.

 

Das Stiftwappen wird zugleich den Grafen von Rothenburg-Comburg zugeordnet. Das muß aber cum grano salis gesehen werden: Nicht nur werden die Grafen von Comburg-Rothenburg erst in ihren letzten Generationen kurz vor ihrem Aussterben faßbar und belegbar, und eine tatsächliche Führung eines solchen Wappens ist nirgends belegt, sondern wir sprechen hier über das Jahr 1116, in dem das Geschlecht erlosch. Wir befinden uns hier in einer Zeit, wo die Entwicklung des Wappenwesens noch bevorstand, in der Tat aber im Verlauf des 12. Jh. eine rasante Entwicklung durchlief. Die älteste bekannte Wappenrolle Europas ist die Wappenrolle anläßlich der Aachener Krönung von Otto IV am 9.6.1198. Wir können also davon ausgehen, daß die Grafen von Comburg-Rothenburg tatsächlich vor der Schwelle zur Entwicklung des eigentlichen Wappenwesens lebten, und daß dieses Wappenbild mit der Löwenmaske und dem Sparren eine nachträgliche Zuschreibung ist. Deshalb ist es weniger das Wappen von den, sondern eher für die Grafen von Comburg-Rothenburg.

Viel interessanter ist in dem Zusammenhang eine im Vorraum zum Kapitelsaal aufgestellte Grabplatte aus dem 12. Jh. für Konrad von Sulz, die in einem geteilten Schild (noch oben halbrund und unten spitz) oben einen Löwenkopf und unten einen Sparren zeigt, möglicherweise ein Vorläufer des später üblichen Stiftswappens, ganz sicher aber einer der ältesten wappengeschmückten Grabsteine des Landes.

Die obige Übersicht über die Wappenfundstellen auf der Comburg zeigt das große Ausmaß des heraldischen Schmucks. In der Kirche und in der Schenkenkapelle dominiert neben einigen Wappen der Stiftsführung jeweils die Funeralheraldik, während sich an den meisten wichtigen Gebäuden der Anlage die jeweiligen Bauherren vom 15. bis zum 18. Jh. verewigt haben. Im folgenden werden die einzelnen Wappensteine zeitlich sortiert gruppenweise beschrieben.

Großcomburg - die ältesten Wappensteine

Noch bevor der Besucher das erste, äußerste Tor der Comburg durchschreitet, ist linkerhand an einem der mittelalterlichen Wehrtürme ein Wappen zu sehen. An der östlichen Schmalseite des Burgbezirkes befinden sich insgesamt drei Rundtürme mit kegelförmigen Dächern. Der linke ist der sog. Musikturm, der rechte grenzt an das Torhaus, und der mittlere Turm sichert den östlichen Zwingerbereich. An letzterem ist ein auf m cccc l xxxx iiii = 1494 datierter Wappenstein eingemauert.

Abb.: östliche Ringmauer mit Wehrtürmen

Dieses Wappen gehört zu Seifried (Seyfried) vom Holtz, dem Leiter der Comburg während einer Umbruchszeit, denn er war zuerst der letzte Abt des Klosters und danach der erste Propst des Chorherrenstifts, denn der wirtschaftliche Niedergang im 14. und 15. Jh. hatte zur Aufhebung des Klosters und zur Umwandlung am 5.12.1488 in ein weltliches Chorherrenstift geführt.

Das 15. Jh. brachte erneute Reformbestrebungen. Vorangegangen war das Konzil zu Konstanz, und man bemühte sich um eine weitere Reform des Benediktinerordens und des Mönchtums allgemein. Die Comburger Mönche aber führten ein Leben, das so gar nicht zu den neuen Forderungen paßte. Es war - mit Verlaub - ein richtiger "Sauhaufen", Mönche wurden auf Tanzvergnügen der Umgebung gesichtet, und man liest von in Prügeleien verwickelten Mönchen. Päpstliche Abordnungen besuchten die Comburg und fanden so ungeordnete Zustände, daß das Kloster kurz vor der Schließung stand. Und jetzt sollte auf einmal alles anders werden, mönchischer, benediktinischer: Beten und Arbeiten statt Tanzen und Prügeln, Fasten statt Schlemmen. Das Privateigentum der Mönche sollte zugunsten der Gütergemeinschaft abgeschafft werden (Armutsgelübde mal wieder ernst nehmen), das adelige Standesprivileg sollte für Mönche nicht mehr gelten (Gleichheit vor dem Herrn, Aufnahme von Nichtadeligen), auch sollten Kleidungs- und Ernährungsgewohnheiten mal wieder etwas "mönchischer" werden (Rückkehr zur Benediktinerregel). Das paßte den Herren Mönchen aber gar nicht, und deshalb beschloß man, lieber Chorherren zu werden als sich zu reformieren. Benediktinerregel ade! Privateigentum blieb möglich, und in der neuen Rechtsform waren Einzelpfründen für adelige Chorherren vorgesehen. Man wohnte auch nicht mehr in einem gemeinsamen Dormitorium, sondern bewohnte individuelle Kurien. Mit der Nutznießung der Pfründe war freilich eine gewisse Präsenzpflicht verbunden, die aber sehr großzügig geregelt war und noch großzügiger ausgelegt wurde, so wie auch in anderen Stiften die Anwesenheitspflichten gerne und ungesühnt vernachlässigt wurden. Während die Amtsträger eine größere Präsenzpflicht hatten, mußten die Chorherren nur 14 Tage im Jahr im Stift anwesend sein, eine sehr überschaubare Pflicht, die es einem ermöglichte, den Rest des Jahres z. B. in Würzburg zu leben. Und sie konnten sich durch die Vikare für ihren Chordienst vertreten lassen. Außerdem wurden solche Verrichtungen, wenn man sie durchführte, extra bezahlt. Der Propst hatte keinerlei Präsenzpflicht, es gab sogar Pröpste, die nie auf der Comburg waren. Viele Stiftsmitglieder hatten parallel noch weitere Pfründen in anderen Stiften inne, weil die Comburger Pfründen eher klein waren. Und anstelle dem mönchischen Gehorsamsgebot waren die Chorherren freier gegenüber dem Propst oder dem Dekan gestellt.

Diese Umwandlung entspannte die Situation, entschärfte die große Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit. Das Ideal einer mönchischen Gemeinschaft war damit ziemlich zerfallen, von der einstigen Lebens- und Gütergemeinschaft blieb allenfalls das gemeinsame Essen übrig, wenn die Stiftsherren denn anwesend waren. Ach ja, und gewisse Dinge wie Ehelosigkeit, Tonsur als Zeichen der Zugehörigkeit zum geistlichen Stand, körperliche Unversehrtheit und adelige Abstammung (Stiftsfähigkeit) waren die Voraussetzungen, um dazugehören zu können. Anders als in einer mönchischen Gemeinschaft konnte man aber jederzeit wieder austreten und heiraten, sofern man nicht die Priesterweihe empfangen hatte, und das hatten die wenigsten. Solche Stifte waren also ideal für den Adel, um überzählige Söhne zu "parken" - sie waren versorgt, die Güter der Familie mußten nicht durch Erbteilung zerteilt werden, man blieb unter seinesgleichen, und die Chorherren konnten bei Bedarf jederzeit unter Verzicht auf die Pfründe resignieren und die Familie bei Bedarf fortführen.

Seifried vom Holtz war von 1488 bis zu seinem Tod am 29.8.1504 Propst des Stifts Comburg, und aus dieser Zeit stammt das bauplastische Relief. Unter Seifried vom Holtz wurde im Südosten der Kirche die erste Propstei errichtet, die später im Gebsattelbau aufging und etwa dessen Mittelstück bildete, ferner wurde unter ihm der Vorhof, also die Mauer östlich dieser Propstei samt ihren Türmen erbaut. Auch die anderen Türme der inneren, fast rechteckig angelegten Ringmauer wurden unter ihm angelegt. Die äußere Ringmauer jedoch kam erst unter Erasmus von Neustetter gen. Stürmer hinzu, obwohl sie wehrtechnisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit war (siehe Folgekapitel). Im Jahre 1498 zog sich Seifried vom Holtz von der Stiftsverwaltung zurück. Er bekam seinen Nachfolger Peter von Aufseß als Koadjutor. Seifried vom Holtz lebte noch ständig auf der Comburg, seine Nachfolger mit Ausnahme von Erasmus Neustetter nicht mehr. Die anderen zukünftigen Pröpste überließen die Stiftsverwaltung ihren Dekanen.

 

Das Wappen der vom Holtz zeigt in Silber eine schwarze Truhe mit Beschlägen. Hier ruht auf dem Schild eine Inful, hinter der ein aufrecht gestellter Krummstab hervorkommt. Als Propst hatte er das Recht, seine Wappendarstellung mit einem Krummstab zu schmücken, wie zuvor auch als Abt. Die nicht dargestellte Helmzier der Familie wäre auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein wachsender Rumpf eines schwarz gekleideten Mannes mit Spitzbart und hinten abstehendem Haarzopf. Das Wappen wird beschrieben im Rahrbach S. 126, im Alberti S. 344, sowie im Siebmacher Supplement IV 30.

Diese reichsritterschaftliche Familie war vor allem in Schwaben und Franken und in den Ritterkantonen Kocher und Odenwald ansässig und stellte zwei Ritterhauptleute im Kanton Kocher, nämlich Georg Friedrich vom Holtz (-1666), der 1652 Generalkommandeur über sämtliche Festungen und Truppen des Herzogtums Württemberg wurde, sowie Eberhard Maximilian vom Holtz (-1762), kaiserlicher Rat.

Neben diesem Wappen befindet sich das sog. "Lecksfidle" (Abb. oben links) am Turm, eine drollige und volkstümliche Skulptur mit auffordernd entblößtem Hintern (schwäb. "Fiedle" = Hintern), nach der der Turm auch Lecksfidleturm heißt.

Eine weitere Wappendarstellung findet sich auf dem farbig gefaßten Epitaph für Seifried (Seyfried) vom Holtz in der Schenkenkapelle (ehem. Kapitelsaal), wobei das vom Holtz-Wappen den ersten Schild einer 4er-Ahnenprobe darstellt.

Einen der ältesten Wappensteine der Comburg, die außen an den Gebäuden gefunden werden können, ist am sog. Vellbergbau im Nordwesten der Gesamtanlage. Als dieser Bau noch zur Klosterzeit errichtet wurde, existierte die zweite, äußere Ringmauer noch nicht, und das direkt an die innere Ringmauer angrenzende Gebäude kontrollierte zugleich den Zugang von Nordwesten her. Das Wappen gehört zu Abt Ehrenfried II. von Vellberg, der um 1450 im Amt war. Schon vor ihm gab es mit Ehrenfried I. von Vellberg einen Abt aus dieser Familie; er amtierte 1401-1421 und starb 1421. Interessant ist, daß hier der Abtsstab nicht hinter dem Schild ist, sondern in den Schild mit dem Familienwappen (in Blau ein silberner Adlerflügel, im vorderen Obereck ein goldenes Freiviertel, Siebmacher Band: WüA Seite: 16 Tafel: 8, Band: WüA Seite: 264 Tafel: 152, Scheiblersches Wappenbuch Folio 241, Alberti S. 905) hineingesetzt wurde. Oben sieht man noch zwei Hände eines nicht mehr erhaltenen einstigen Schildhalters.

Literatur, Links und Quellen:
Rainer Jooß, Comburg als Kloster und als Stift, in: Die Comburg - Vom Mittelalter bis ins 20. Jh., hrsg. von Elisabeth Schraut, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1989, ISBN 3-7995-3303-6, zugleich Kataloge des Hällisch-Fränkischen Museums Schwäbisch Hall Band 3, S. 17-21
Ausstellungskatalog: Die Comburg - Vom Mittelalter bis ins 20. Jh., hrsg. von Elisabeth Schraut, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1989, ISBN 3-7995-3303-6, zugleich Kataloge des Hällisch-Fränkischen Museums Schwäbisch Hall Band 3, S. 11-14
Eduard Krüger, Schwäbisch Hall, ein Gang durch Geschichte und Kunst, neu bearb. von Fritz Arens und Gerd Wunder, Eppinger Verlag Schwäbisch Hall 1990, S. 123-153.
Anton P. Rahrbach, Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und Geschichte fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag - Die Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4
J. Siebmachers Grosses Wappenbuch Band E. Württembergisches Adels- und Wappenbuch. Im Auftrage des Württembergischen Altertumsvereins begonnen von Otto v. Alberti, Bauer & Raspe 1975 (Reprint)
Plan der Comburg:
http://lehrerfortbildung-bw.de/lak/co/standort/gebaeude/gesamtplan/ und http://www.comburg.de/Bilder/Plan_Comburg_1024.htm sowie http://www.kloester-bw.de/abbildung.php.......be=&zeigekapitel=8
Landesakademie Comburg:
http://lehrerfortbildung-bw.de/lak/co/index.html
Geschichte der Comburg:
http://lehrerfortbildung-bw.de/lak/co/standort/geschichte/
Kloster Großcomburg im Schlössermagazin:
http://www.schloesser-magazin.de/de/kloster-grosscomburg/Startseite/267812.html - http://www.schloesser-magazin.de/de/kloster-grosscomburg/Kloster/250065.html - http://www.schloesser-magazin.de/de/kloster-grosscomburg/Beruehmte-Personen/250120.html
Kloster Großcomburg im Klösterverzeichnis Baden-Württemberg:
http://www.kloester-bw.de/kloster1.php?kreis=&bistum=&alle=&art=&orden=&orte=&buchstabe=&nr=208
Urkunden im Landesarchiv Baden-Württemberg:
https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php?bestand=17223
Kloster Comburg:
http://de.wikipedia.org/wiki/Comburg
Großcomburg:
http://www.zum.de/Faecher/G/BW/Landeskunde/franken/staedte/schwhall/comburg/index.htm
Bibliothek der Comburg: Friedrich David Gräter, Ueber die Merkwürdigkeiten der Comburger Bibliothek: Entstehung und ..., Band 2:
http://books.google.de/books?id=-C1KAAAAcAAJ
Comburg: Württ. Oberamtsbeschreibung Hall,
http://books.google.de/books?id=M3oAAAAAcAAJ S. 244-254.
Friedrich Ernst Mejer, Beiträge zur Geschichte von Comburg
http://books.google.de/books?id=ZUI3AAAAYAAJ - darin sind Listen der Pröpste, Äbte und Dekane enthalten
Wolfgang Albrecht von Würtzburg, Johann Veit von Würtzburg: Dr. Wilhelm Hotzelt, Familiengeschichte der Würtzburg,
http://www.von-wuertzburg.de/
Anselm Philipp Friedrich Frhr. Groß von Trockau
http://www.deutsche-biographie.de/xsfz27265.html und http://www.franken-wiki.de/index.php/Anselm_Friedrich_Gro%C3%9F_von_Trockau sowie http://books.google.de/books?id=NHg0HVaN5n0C S. 332
Hans (Johann) Wilhelm von Holdingen:
http://books.google.de/books?id=NHg0HVaN5n0C S. 293
Ein herzliches Dankeschön an Herrn Wolfgang Willig für wertvolle Hinweise

Großcomburg (2): die Zeit Neustetters - Großcomburg (3): die Zeit Guttenbergs - Großcomburg (4): die neue Dekanei - Großcomburg (5): die Greiffenclau-Wappen und die Stiftskirche

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