Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2171
Weikersheim (Main-Tauber-Kreis)

Schloß Weikersheim, Schloßkapelle

Die Weikersheimer Schloßkapelle ist als Hallenkirche ohne abgesetzten Chor in den Saalbau integriert und befindet sich an dessen westlichem Ende, in der regelmäßig gegliederten Architektur dieses Flügels nicht nach außen in Erscheinung tretend; auch die Fenster verbleiben im Rhythmus der durch die angrenzenden Räume vorgegebenen Fassadengliederung und Stockwerksaufteilung. Die Kapelle ist zweistöckig; im Erdgeschoß grenzt sie rückwärtig an ein Treppenhaus, im ersten Obergeschoß an den Rittersaal; der Zugang auf die Empore erfolgt hier vom Korridor des Küchenbaus. Die im Ostteil des Gewölbes auf das Jahr 1600 datierte Kapelle, ein Schmuckstück der Renaissance, ist von rechteckigem Grundriß und besitzt drei kreuzgratgewölbte Schiffe von je drei Jochen. Die Konsolen der Gewölberippen sind mit Kriegerfiguren verziert. Zwischen die schwarzen Säulen sind an den beiden Längsseiten und an der Rückseite Emporen eingebaut, die Ostseite besitzt dort oben die Herrschaftsloge mit verglasten Fenstern, wo die gräfliche Familie Platz nahm. Die vorherrschende Farbe des nobel zurückhaltend gestalteten Raumes ist Weiß, von dem sich die schwarzen Säulen wirkungsvoll abheben. Die Verzierungen bringen noch eine goldene und blaue Komponente ein.

Besonders bemerkenswert sind die dem freien Kirchenraum zugewandten Brüstungsfelder der Emporen, wo in zehn von dem Bildhauer Gerhard Schmidt geschaffenen Feldern Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament einander gegenübergestellt werden. Pro Jochbreite sind das je zwei Doppelfelder, im Osten also vier, an der Nord- und Südseite je acht Szenen, insgesamt 20 Szenen. Jede Doppelszene ist durch einen Pilaster unterteilt, der sich nach oben verbreitert und dann mit einem ionischen Kapitell abschließt, die Pilasterfläche ist mit drei blauen Feldern belegt. Zwischen den Doppelszenen befindet sich ein breiteres Rahmenstück mit einer Maske. Diese Felder sind der einzige figürliche Schmuck der ansonsten schlichten Kirche, wobei dem Protestantismus Bildwerke zur Verehrung prinzipiell fremd sind. Zwischen den Emporen verbleibt also ein freier Raum in voller Höhe von zwei Jochen. Unter der Herrschaftsloge befindet sich die Orgelempore mit einem aus dem 18. Jh. stammenden Instrument. Weitere vier Relieffelder mit Musikerszenen verkleiden die Orgelempore.

Im Gewölbe finden wir das heraldische Programm des Raumes in Form von wappengeschmückten Schlußsteinen. Im mittleren westlichen Joch befindet sich das reichgeschmückte Allianzwappen für den Bauherrn Wolfgang Graf von Hohenlohe-Weikersheim (14.6.1546-28.3.1610) und seine Ehefrau Magdalena von Nassau (15.12.1547-16.5.1633). In den jeweils drei Jochen über den Emporen befinden sich jeweils weitere drei Wappenschlußsteine. Die Konzeption des Raumes mit den 3 x 3 Jochen gibt vor, daß auf jeder Seite nur drei Wappen einer Ahnenprobe Platz haben, so daß die zum Ehewappen vereinigten Wappen nicht nur das aktuelle Bauherrenpaar symbolisieren, sondern zugleich auch Bestandteil der Ahnenprobe werden, die aus 2 x 4 Inhalten besteht.

Dabei kommt es zu einem Kuriosum: Normalerweise befindet sich immer das Wappen des Ehemannes heraldisch rechts, also optisch links, und das der Ehefrau heraldisch links, also optisch rechts. Hier ist es jedoch genau umgekehrt, eine höchst ungewöhnliche Darstellung. Warum? Diese beiden Inhalte sind notwendiger Bestandteil einer aus 2 x 4 Inhalten bestehenden Ahnenprobe, und ohne diese beiden Inhalte wäre weder die Ahnenprobe des Ehemannes noch die der Ehefrau vollständig, enthält das zentrale Wappen doch die wichtigsten Inhalte, den Mannes- und Namensstamm. Eine Ahnenprobe ist stets so angeordnet, daß die Vorfahren des Mannes optisch links sind, und so befinden sich die entsprechenden drei Ahnenwappen auf der Südseite im Gewölbe über der Empore. Die Vorfahren der Ehefrau finden wir traditionell auf der optisch rechten Seite, und hier sind sie richtig im Gewölbe über der nördlichen Empore zu sehen. Dazu müssen jetzt die beiden Hälften des Allianzwappens passen: Das zum Mannesstamm des Ehemannes passende Wappen muß auf die südliche Hälfte der Kirche, und das zum Mannesstamm der Ehefrau passende Wappen muß auf die nördliche Hälfte der Kirche, um mit den jeweils anderen drei Wappen eine vollständige Vierereinheit bilden zu können.

Dann gibt es jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder können die Helme nach Westen zeigen, dann muß Nassau in die optisch linke Hälfte und Hohenlohe in die optisch rechte Hälfte, so wie hier. Oder man dreht die Darstellung um, so daß die Helme nach Osten zeigen, dann muß Hohenlohe in die optisch linke Hälfte und Nassau in die optisch rechte Hälfte, das wäre so, wie man es normalerweise erwarten würde. Die Eingänge in die Kirche und auf die Emporen und zur Herrschaftsloge liegen im Osten, und hier hat der Künstler entschieden, daß es besser aussieht, wenn die Helme nach Westen zeigen, daß also das Wappen in die gleiche Richtung zeigt wie die Blickrichtung der Gläubigen auf Altar und Kanzel, daß das Wappen also in der Hauptrichtung aufrecht und nicht gestürzt erscheint. Und deshalb wurde der Konflikt zwischen der angemessenen Blickrichtung der Komposition einerseits und dem Eingebundensein in die seitlichen Ahnenproben andererseits, was eine Seitenbindung der Inhalte zur Folge hat, so entschieden, daß die Inhalte scheinbar auf der falschen Seite stehen, wenn man von isolierten Allianzwappengestaltungen ausgeht.

Der Schild ist gespalten, und jede Spalthälfte ist geviert. Von den acht Feldern gehören die vier heraldisch linken, optisch rechts der Mittellinie, zum Bauherrn Wolfgang Graf von Hohenlohe-Weikersheim (14.6.1546-28.3.1610), sein Wappen ist geviert, Feld 1 und 4: in Silber einwärts zwei rotgezungte, schwarze Leoparden (schreitende, hersehende Löwen) für die Grafschaft Hohenlohe, Feld 2 und 3: geteilt, oben in Schwarz ein einwärts schreitender goldener Löwe, rot gezungt, golden gekrönt, unten golden-schwarz gerautet, für die Herrschaft Langenburg. Von den acht Feldern gehören die anderen vier, die vier heraldisch rechten, optisch links der Mittellinie, zu Gräfin Magdalena von Nassau (15.12.1547-16.5.1633), ihr Wappen ist geviert, Feld 1: in blauem und mit goldenen aufrechten Schindeln bestreutem Feld ein goldener Löwe, rot gezungt und golden gekrönt, Grafschaft Nassau, Feld 2: in Gold ein roter, eigentlich hersehender Löwe, eigentlich blau bewehrt und blau gekrönt, Grafschaft Katzenelnbogen, Feld 3: in Rot ein silberner Balken (hier geschwärzt), Grafschaft Vianden, Feld 4: in Rot zwei goldene, blau bewehrte, hersehende, schreitende Löwen übereinander, Grafschaft Diez. Gleich der Darstellung im Treppenturmgewölbe wird diese Wappendarstellung ebenfalls durch einen üppigen Kranz aus Frucht- und Blütengebinden verziert, der um das gesamte Wappen herumgelegt wird.

Wolfgang Graf von Hohenlohe-Weikersheim führt zwei Helme, Helm 1 (rechts): auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein silberner Phönix mit roten Schwungfedern, sich erhebend, Stammkleinod Hohenlohe, Helm 2 (links): auf dem gekrönten Helm mit schwarz-goldenen Decken ein wachsender goldener Löwe, golden gekrönt, rot gezungt, zwischen zwei schwarzen Büffelhörnern, Herrschaft Langenburg. Magdalena von Nassau führt drei Helme, Helm 1 (Mitte): auf dem Helm mit rot-goldenen Decken ein schwarzer Flug, beiderseits belegt mit einer goldenen, mit einem roten Löwen belegten Scheibe, Grafschaft Katzenelnbogen, Helm 2 (rechts): auf dem Helm mit blau-goldenen Decken ein schwarzer Flug, belegt mit einem Rahmen, dazwischen Blättchen, Grafen von Nassau in der ottonischen Linie, Helm 3: auf dem Helm mit rot-goldenen Decken ein schwarzer Flug, beiderseits belegt mit einer roten, mit zwei goldenen Löwen übereinander belegten Scheibe, Grafschaft Diez.

Nun zu der Ahnenprobe: Da wir nur drei Ahnenwappen auf jeder Emporenseite haben, sind die Väter des Paares, Ludwig Kasimir Graf v. Hohenlohe-Waldenburg-Neuenstein (12.1.1517-24.8.1568) und Wilhelm I. Graf von Nassau-Dillenburg (10.4.1487-6.10.1559), sowie die beiden Großväter väterlicherseits, Georg I. Graf von Hohenlohe-Waldenburg (17.1.1488-16.3.1551) und Johann V. Graf von Nassau-Dillenburg (9.11.1455-30.7.1516), bereits durch das Hauptwappen im mittleren Kirchenschiff mit abgedeckt.

Über der nördlichen Empore finden wir die drei Wappen, die zu den restlichen Vorfahren der Ehefrau passen. Dieses hier paßt zu Magdalenas Großmutter mütterlicherseits, Anna Gräfin von Eppstein-Königstein-Rochefort (-7.8.1538). Sie führt einen gevierten Schild mit Herzschild, Feld 1 und 4: eigentlich in Silber drei rote Sparren, hier die Reihenfolge der Farben vertauscht und das Silber geschwärzt, Herrschaft Eppstein, Feld 2 und 3: rot-golden geteilt, Herrschaft Münzenberg, Herzschild gespalten, rechts in Gold ein eigentlich schwarzer, hier fälschlich roter Löwe, für Königstein, links in Rot zwei goldene Löwen, Grafschaft Diez. Am 6.8.1505 wurde den Herren von Eppstein der Grafentitel zu Königstein zugestanden. Dazu sei angemerkt, daß es davor keine Grafen von Königstein gab und daß die früheren Herren von Königstein (Niederadel), mit denen die von Eppstein-Königstein nichts zu tun haben, ein ganz anderes Wappen führten. Offensichtlich ist der Königsteiner Löwe eigens zu dem Zwecke der Wappenverbesserung angenommen und im Herzschild plaziert worden. Eine Anmerkung noch zum Feld Münzenberg: Das taucht hier im Gewölbe auch bei den Grafen von Solms auf (s.u.), was an einer komplexen Erbengemeinschaft liegt, der ein eigenes Kapitel gewidmet ist (siehe dort). Das Geschlecht der Grafen von Eppstein-Königstein erlosch schon 1535 im Mannesstamm.

Dieser Wappenschlußstein paßt zu Magdalenas Großmutter väterlicherseits, Elisabeth Landgräfin von Hessen (1466-17.1.1523). Sie führt einen gevierten Schild, Feld 1 und 4: in Blau ein silbern-rot mehrfach geteilter aufrechter Löwe, golden gekrönt und golden bewehrt, Landgrafschaft Hessen, Feld 2: schwarz-golden geteilt, oben ein silberner sechsstrahliger Stern, Grafschaft Ziegenhain, Feld 3: schwarz-golden geteilt, oben zwei eigentlich achtstrahlige, hier aber sechsstrahlige silberne Sterne, Grafschaft Nidda.

Dieser Wappenschlußstein paßt zu Magdalenas Mutter, Juliana zu Stolberg-Wernigerode (15.2.1506-16.6.1580), und ihren Großvater mütterlicherseits, Bodo Graf zu Stolberg (4.1.1467-1538). Deren Wappen ist geviert, Feld 1 und 4: in Gold ein schreitender schwarzer Hirsch, Grafschaft Stolberg, Feld 2 und 3: in Silber (hier geschwärzt) zwei rote, pfahlweise gestellte und in der Mitte nach außen gekrümmte Fische (Forellen) nebeneinander, Grafschaft Wernigerode.

Über der südlichen Empore folgen nun die drei Wappenschlußsteine für die Vorfahren von Graf Wolfgang. Dieser Wappenschlußstein paßt zu Graf Wolfgangs Großmutter mütterlicherseits, Anna von Mecklenburg (14.9.1485-12.5.1525). Das Wappen der Herzöge von Mecklenburg ist geviert mit Herzschild, Feld 1: in Gold ein schwarzer hersehender Stierkopf mit silbernen Hörnern, mit Halsfell, goldener Lilienkrone, aufgerissenem roten Maul und ausgestreckter roter Zunge, silbernen Zähnen und Augen, Herzogtum Mecklenburg, Feld 2: in Blau ein goldener Greif, Grafschaft Rostock, Feld 3: in Rot ein silberner rechter Arm, aus einer silbernen Wolke wachsend, mit blauer Oberarmbinde, einen goldenen Ring mit blauem Juwel haltend, Grafschaft Stargard, Feld 4: in Gold ein schwarzer hersehender Stierkopf ohne Halsfell mit silbernen Hörnern, goldener Laubkrone, silbernen Zähnen und Augen und roter Zunge, Fürstentum Wenden, Herzschild: eigentlich rot-golden geteilt, hier umgekehrt, Grafschaft Schwerin.

Dieser Wappenschlußstein paßt zu Graf Wolfgangs Großmutter väterlicherseits, Praxedis von Sulz (1495-14.4.1521). Praxedis führt das Wappen der Grafen von Sulz, von Silber und Rot mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt.

Der letzte Wappenschlußstein auf der Südseite paßt zu Graf Wolfgangs Mutter, Anna Gräfin von Hohenlohe geborene Gräfin von Solms-Lich und Frau zu Münzenberg (12.11.1522-9.5.1594), sowie zu seinem Großvater mütterlicherseits, Otto I. Graf von Solms-Laubach (11.5.1496-14.5.1522). Ihr Wappen ist geviert, Feld 1 und 4: in Gold ein blauer Löwe, rot bewehrt und rot gezungt (Solms), Feld 2 und 3: rot-golden geteilt (Falkenstein-Münzenberg).

Diese Ahnenprobe hat prinzipiell die gleiche genealogische Grundlage wie die im Gewölbe der Stadtkirche und die erheblich ausführlichere im Rittersaal, und dennoch ist sie hier wieder anders und besonders durch ihre Anordnung und vor allem durch die Einbeziehung des zentralen Allianzwappens in die Gesamtkomposition.

Literatur, Links und Quellen:
Schloß: http://www.schloss-weikersheim.de/
Schloßkapelle:
http://www.schloss-weikersheim.de/schloss/gebaeude/schlosskapelle/
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Veröffentlichung der Innenaufnahmen mit freundlicher Genehmigung von Frau Monika Menth vom 2.5.2014, wofür ihr an dieser Stelle herzlich gedankt sei
Siebmachers Wappenbücher
Schloß Weikersheim in Renaissance und Barock, Geschichte und Geschichten einer Residenz in Hohenlohe, Staatsanzeiger Verlag (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg, Mai 2006, ISBN 3-929981-58-0, S. 9-10
Carla Fandrey, Schloß Weikersheim, Führer Staatliche Schlösser und Gärten, Deutscher Kunstverlag Berlin München, 2010, ISBN 978-3-422-02239-3, S. 57-58
Gradmann, Wilhelm: Burgen und Schlösser in Hohenlohe, DRW-Verlag /KNO, 1982
Wolfgang Willig, Landadel-Schlösser in Baden-Württemberg, eine kulturhistorische Spurensuche, 1. Auflage 2010, ISBN 978-3-9813887-0-1, S. 566-567

Schloß, inneres Tor - Schloß, äußeres Tor - Hofgarten: heraldische Blumenkübel - Orangerie - Schloß, Rittersaal - Schloß, Treppenturm - Schloß, ehem. Hofstube (sog. Säulenhalle) - Schloß, Ahnentafel in der Säulenhalle - Schloß, Georg-Friedrich-Zimmer - Schloß, Wappen in den Korridoren

Haus Nassau - ottonische Hauptlinie - Haus Nassau - walramsche Hauptlinie
Die Entwicklung des Hessischen Wappens
Wappen des gräflichen und fürstlichen Hauses Stolberg
Wappen der Grafen und Fürsten von Solms
Die Wappen des Hauses Hohenlohe
Das Feld für Münzenberg und seine Verbreitung in deutschen Adelswappen

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