Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2308
Reicholzheim (zu Wertheim, Main-Tauber-Kreis)

Die Kirche St. Georg in Reicholzheim

Im Norden der Ortschaft Reicholzheim im Taubertal, seit 1975 zur Stadt Wertheim gehörig, steht die Kirche St. Georg in einer den Ort beherrschenden Hanglage. Spätestens ab dem 12. Jh. gab es in Reicholzheim ein erstes Kirchengebäude. Das Kloster Bronnbach erwarb in Reicholzheim Grundbesitz und übte seit 1285 Gerichtsrechte aus. Seit 1378 besaß das Kloster die Patronatsrechte für die Pfarrkirche, die sie bis zur Säkularisierung ausübte. Es gibt viele Parallelen zur Kirche im benachbarten Dörlesberg: Beide Orte und Kirchen waren zwischen den Grafen von Wertheim (Vogteirecht über das Kloster Bronnbach, protestantischer Einfluß) und ihren Rechtsnachfolgern einerseits und dem Kloster Bronnbach andererseits umstrittener Besitz. Einerseits hatte im Jahr 1285 Graf Rudolf II. von Wertheim alle seine Reicholzheimer Güter an das Kloster übergeben, lediglich unter Vorbehalt der Landeshoheit. Nachdem 1369 das Straßengericht an das Kloster Bronnbach verkauft worden war, hatten die Wertheimer eigentlich alle Rechte bis auf eben die Landeshoheit verloren, und Reicholzheim war zur Gänze dem Kloster Bronnbach unterstellt. Dann kam die Reformation, der sich die Grafen von Wertheim anschlossen, und Reicholzheim ging 1524 für 150 Jahre wieder in den gräflichen Besitz des Grafen über. Die Wirren der Reformationszeit und der immer wieder in Frage gestellte Besitz der Ortschaft führten dazu, daß die Reicholzheimer Einwohner in dieser Zeit siebenmal ihre Konfession änderten, je nachdem, wer gerade die Hoheit über den Ort tatsächlich innehatte.

 

Und wie in Dörlesberg wurde auch in Reicholzheim erst im Vergleich von 1672 der Ort endgültig der Herrschaft des Klosters Bronnbach unterstellt. Im Gegenzug kam das Dorf Nassig zur Grafschaft Wertheim. Außerdem war 1672 vereinbart worden, daß der Bekenntnisstand dem Status quo von 1624 in den drei Dörfern entsprechen solle. Das zu halten war natürlich weder möglich noch vom Würzburger Fürstbischof, der hinter den Bronnbacher Interessen stand, beabsichtigt: Gleichermaßen wie im Nachbarort fand die bis 1674 erreichte Rekatholisierung ihren sichtbaren Ausdruck im Abriß der alten Kirche und in der Errichtung eines barocken Neubaus - sowohl steingewordenes Symbol der erfolgreichen Gegenreformation als auch Machtdemonstration der katholischen Seite mit dem Würzburger Fürstbischof als Autorität im Rücken. Entsprechend triumphal fiel die weithin sichtbare, dreiachsige Giebelfassade mit guter Tiefenmodellierung und mit wirkungsvollem Wechsel zwischen Sandstein und Putzflächen aus. 1699 begannen die Arbeiten am Langhaus, dem heutigen Hauptschiff. Die Hauptbauphase war 1711-1712. Die Reicholzheimer Kirche war früher fertiggestellt als die in Dörlesberg, nämlich 1713. Der Bauherr war auch hier der baufreudige Bronnbacher Abt Joseph Hartmann. Es handelte sich ursprünglich um eine Chorturmkirche nach Vorbildern des Barockarchitekten Joseph Greissing, der ebenso hier gewirkt hat wie sein Maurer Florian Hoffmann. Der Turm war älter und wurde übernommen. Weitere beteilgte Handwerker waren der Steinhauermeister Christoph Bischof, Greissings Zimmerpalier Joachim Gruber und der Tünchner Adam Blum aus Ochsenfurt. Der Abt war so zufrieden mit Greissings Arbeit, daß er ihm nach Vollendung der Kirche einen silbernen Becher zum Andenken schenkte, um ihn über die übliche Honorierung seiner Leistung hinaus seiner Wertschätzung zu versichern. Der Einbau der Empore erfolgte 1760 unter Abt Ambrosius Balbus. Nach der Klosterauflösung im Jahr 1803 kam der Ort an die Fürsten zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg. Und ebenso wurde die Kirche in Reicholzheim später erweitert und umgebaut; 1903-1909 erhielt sie unter Pfarrer Martin Noe ein Querschiff und damit einen kreuzförmigen Grundriß, einen neuen Chor mit anschließender Sakristei und einen 43 m hohen Turm. 1903-1904 wurde der alte Chorturm abgerissen und durch einen im Nordosteck angebauten neobarocken Turm ersetzt. Die barocken Formen der Vorgabe wurden im wesentlichen aufgegriffen, so daß das junge Alter des Turmes kaum auffällt. Die Kirche wurde 1977 und 2001-2003 außen sowie 2008-2009 innen renoviert.

Über dem aufwendigen und reich profilierten, von Nischen mit 1719 entstandenen Statuen des hl. Paulus und des hl. Petrus flankierten Eingangsportal der Westfront ist ein Wappenstein des Bronnbacher Abtes Joseph Hartmann im Bogenfeld des Segmentbogengiebels angebracht, der als 49. Abt 1699-22.12.1724 dem Kloster vorstand. Die barocke Ovalkartusche ist durch eine eingebogene Spitze in drei Felder unterteilt, Feld 1: in Schwarz ein schrägrechtsgelegter goldener Krummstab (Abtsstab), darüber schräglinks ein rot-silbern in zwei Reihen geschachter Schrägbalken für den Zisterzienserorden, Feld 2: in Blau ein goldener, schräggelegter Schalenbrunnen mit über dem Becken noch zwei Brunnenschalen übereinander, die Brunnensäule hier oben mit einer Kugel abgeschlossen, insgesamt ein redendes Symbol für Bronnbach, Feld 3: in Grün ein frontal dargestellter, goldener Geharnischter mit Helm, welcher in seiner ausgestreckten Rechten eine Blume (oder mehrblütige Pflanze) hält und die Linke in die Hüfte stemmt.

Vergleichswappen für diesen Abt befinden sich an und in der Dörlesberger Pfarrkirche, dort innen auch in Farbe (danach die obigen Angaben), am historischen Rathaus von Allersheim sowie im Kloster Bronnbach am Refektorium, über dem Nordeingang des Krankenhauses, am 1710 entstandenen Thron des Landesfürsten auf der Rückwand als Holzeinlegearbeit, am 1704/06 entstandenen Stephanusaltar. Das Motiv aus Feld 3 findet sich als Einzelwappen über dem Eingang zum Gasthaus von 1715. Das Initialkürzel des Abtes, Fecit Iohann Abbas in Bronnbach, befindet sich auf dem Türsturz (Abb. unten).

Zur Übersicht die Liste der Bronnbacher Äbte:

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung in Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.7286227,9.5359409,19z - https://www.google.de/maps/@49.7286227,9.5359409,163m/data=!3m1!1e3
Pfarrkirche St. Georg in Reicholzheim
http://www.kath-kuelsheim-bronnbach.de/html/pfarrkirche523.html
Paul Benz: Reicholzheim – ältestes Dorf im unteren Taubertal, Horst Benz/Schnaufer Druck, 1993
Pfarrgemeinde St. Georg Reicholzheim – damals und heute, hrsg. vom Pfarrgemeinderat St. Georg Reicholzheim, 2003
Reicholzheim:
https://de.wikipedia.org/wiki/Reicholzheim
Pfarrkirchen der Seelsorgeeinheit Bronnbach - Reicholzheim St. Georg - Dörlesberg St. Dorothea, Schnell Kunstführer 2798, Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2012
Wappen der Abtei Bronnbach: Alfred F. Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch, Veröffentlichung des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e. V., Aschaffenburg 1983, Tafel 97 Seite 245
Vergleichswappen am Refektorium Bronnbach:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kloster_Bronnbach_Wappen_Refektorium_20070714_1.jpg
Wappen am Bursariat Bronnbach:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e7/Kloster_Bronnbach_Wappen_Bursariat_20070714.jpg
Vergleichswappen Abt Hartmann:
http://www.tripota.uni-trier.de/single_picture.php?signatur=121_port_3623 und http://www.tripota.uni-trier.de/single_picture.php?signatur=121_port_3624 = Exlibris von Johann Salver (1638-1718)
Exlibris des Abtes Hartmann: Thieme-Becker, Bd. XXIX, 1935, S. 360
Äbteliste:
http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Bronnbach/Äbte
Geschichte Kloster Bronnbach:
http://www.kloster-bronnbach.de/showpage.php?Kloster/Geschichte/1153_1803&SiteID=39
Kloster Bronnbach:
http://www.leo-bw.de/detail-gis/-/Detail/details/DOKUMENT/labw_kloester/188/Zisterzienserabtei+Bronnbach
Kloster Bronnbach:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Bronnbach
Kloster Bronnbach:
http://www.zum.de/Faecher/G/BW/Landeskunde/rhein/kloester/zisterz/bronnb/bronnbach1.htm
Kloster Bronnbach: Jahrbuch für das Badner Land. (Badische Heimat). 1985 S. 107-114
Alfred Friese, Die Zisterzienserabtei Bronnbach, Mainfränkische Hefte, Heft 30, 1958
Leonhard Scherg, die Zisterzienserabtei Bronnbach im Mittelalter, Mainfränkische Studien, Bd. 14, 1976
Kloster Bronnbach: Adolph von Oechelhäuser, die Kunstdenkmäler des  Großherzogtums  Baden,  Bd. 4,  Kreis  Mosbach, l. Abt. Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Wertheim, Freiburg i. B., 1896
Bronnbacher Äbte: Joachim Heinrich Jäck, Galerie der vorzüglichsten Klöster Deutschlands, Nürnberg 1831, S. 105-108, online:
http://books.google.de/books?id=assDAAAAcAAJ
Gerhard Wissmann, Kloster Bronnbach, ein Gang durch die Geschichte der ehemaligen Zisterzienserabtei im Taubertal, hrsg. von der Sparkasse Tauberbischofsheim
Johannes Mack: Der Baumeister und Architekt Joseph Greissing, mainfränkischer Barock vor Balthasar Neumann, hrsg. von der Gesellschaft für fränkische Geschichte, VIII. Reihe: Quellen und Darstellungen zur fränkischen Kunstgeschichte, c/o Verlag Ph. C. W. Schmidt, 1. Auflage 2009, 797 S., ISBN-10: 3866528167, ISBN-13: 978-3866528161, S. 290, S. 628-629

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