Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2460
Groß-Umstadt (Landkreis Darmstadt-Dieburg)

ehem. Curti-Schloß (Max-Planck-Gymnasium)

Das Curti-Schloß, einer der einst sieben Adelssitze in Groß-Umstadt, war ein 1590 von den Landgrafen von Hessen erbauter Burgsitz, der dann als freier Besitz an die von Weitolshausen gen. Schrautenbach kam; die zugehörigen Güter waren hessische Lehen. Danach wurde das Anwesen 1653/1654 an den namengebenden Wilhelm Curti verkauft, der es als Altersruhesitz nutzte. Mehrere Gebäude umgaben einen langgestreckten Hof: Das Hauptgebäude war der zweigeschossige Westflügel mit schlichten, zweifach abgetreppten Giebeln mit Voluten und mit südlich angebautem Turm. Ein Tor verband den West- mit dem Ostflügel. Die Stadt übernahm 1856 das Schloß nach seiner Versteigerung in ihr Eigentum und nutzte den Westflügel als kleines Hospital und Arrestanstalt, später als städtische Realschule und schlußendlich für Armenwohnungen. Der Ostflügel diente als Spritzenhaus; darüber war eine Lehrerinnenwohnung. An den Ostflügel grenzte nördlich ein rechteckiges Treppenhaus mit runder Wendeltreppenspindel und ein weiteres Gebäude an, das unten als Unterrichtsraum und oben als weitere Lehrerinnenwohnung genutzt wurde. In den Treppenturm des Ostflügels führte ein beschlagwerkgerahmtes rundbogiges Portal. Waschküche und Faselstall führten nach Norden zur Scheune, die den nördlichen Abschluß des Anwesens bildete. Auf der Westseite lagen das Kuhhirtenhaus und der Gemüsegarten, von der Stadtmauer seitlich begrenzt. Das Curti-Schloß war baulich sehr heruntergekommen (es wurde aufgrund der verarmten Bewohner Läusekaserne genannt), aber dennoch ein bedeutendes Baudenkmal, als es 1960-1963 sukzessive kurzerhand abgerissen wurde, damit das Max-Planck-Gymnasium expandieren konnte, dessen neue Gebäude bis 1967 entstanden. Heute wäre so ein denkmalpflegerischer Kahlschlag glücklicherweise nicht mehr möglich. Nur die ehemals an der Fassade des Westflügels zum Innenhof über einem Segmentbogenportal angebrachten Wappensteine wurden gerettet und an einer Backsteinwand des Gymnasiums (Rückseite der Aula) unter einem kleinen Schutzdach eingemauert.

Diese Wappenkombination führt uns zu Wilhelm Curti und einem hochinteressanten internationalen Lebenslauf. Er wurde am 12.8.1599 in Bensheim geboren, ein Sproß einer lombardischen Familie, aus der ein Zweig über den Genfer See und das Rheintal in die Pfalz gekommen war. Sein Vater ließ sich in Bensheim nieder. Wilhelm Curti war evangelisch-reformiert. Er trat in kurpfälzische Dienste unter Friedrich von der Pfalz. Nach dessen Tod im Jahr 1632 an der Pest trat er in die Dienste des englischen Königs Charles I., zunächst nur kurzfristig, doch dann wurde er nach ein paar erfolgreichen diplomatischen Aufträgen offizieller britischer Ministerresident in Frankfurt am Main, also Gesandter Großbritanniens für das Heilige Römische Reich. Er war ab 1632 für Großbritannien in diplomatischer Mission in Schweden tätig und erlebte als Diplomat die Wirren des Dreißigjährigen Krieges in dessen Endphase mit. Die Wirren der Regierungszeit von Charles II. und des englischen Bürgerkrieges brachten einen Rückschlag, doch 1664 wurde er Resident Ambassador in Frankfurt und blieb es bis 1677. Am 3.10.1667 wurde er als Fellow in die Royal Society aufgenommen. Außerdem war er noch zeitweise Botschafter des Königreichs Frankreich und Navarra am deutschen Kaiserhof und am Hof des Kurfürsten von der Pfalz. Dazu war er 1650-1672 und 1681-1691 pfälzischer Oberamtmann in Umstadt, in der von den Pfalzgrafen und den hessischen Landgrafen gemeinsam als Kondominium regierten Stadt. Als Oberamtmann wohnte er bereits ab 1650 im Pfälzer Schloß, als er wenige Jahre später das Curti-Schloß kaufte. Am 14.4.1653 wurde er mit dem hessischen Burglehen zu Umstadt belehnt. Weiterhin war er Oberamtmann auf dem Otzberg. Er starb am 23.1.1678 in Frankfurt am Main.

Wir sehen insgesamt drei Wappen. Das optisch ganz linke Wappen ist dasjenige, das ihm in Großbritannien verliehen wurde: Wilhelm von Curti wurde als Sir William Curtius am 2.4.1652 zum 1st. Baronet Curtius erhoben. Seltsamerweise existieren beim College of Arms in London keinerlei Unterlagen mehr zu diesem Wappen, wie eine Nachfrage ergab. Auch in der englischen Standardliteratur ist es nicht erfaßt, so daß die Hoffnung auf den Original-Blason nicht erfüllt werden kann. Dieses hier in gewendeter Form dargestellte Wappen (Farben nach Rietstap) zeigt innerhalb eines blauen Bordes in Silber einen grünen, janusköpfigen und rotgezungten Löwen, das Innenfeld mit drei (2:1) nach außen gerichteten goldenen Lilien besteckt, in einem silbernen rechten oberen Eck eine rote Baronets-Hand. Auf dem Helm mit grün-silbernen Decken ein schwarzer auffliegender und golden gekrönter Adler. Original wird das Wappen im Rietstap/Rolland wie folgt beschrieben: "D'argent à un lion de sinople à deux têtes adossées lampassées de gueules à la bordure d'azur et un canton d'argent brochant sur la bordure le canton chargé d'une main senestre appaumée de gueules et la bordure de deux fleurs-de-lis d'or mouv. du champ l'une au canton senestre du chef et l'autre en pointe renversée. Bourlet de sinople et d'argent. Cimier une aigle de profil de sable couronnée d'or le vol ouvert et abaissé. Lambrequin d'argent et de sinople". Rietstap verlegt das Baronets-Obereck auf den äußeren Bord, wodurch eine Lilie weniger zu sehen ist; hier aber ist er Teil des Innenfeldes.

Ein weiteres Mal ist dieses Wappen neben dem Pfälzer Schloß über einem Friedhofseingang im gesprengten Dreiecksgiebel des Toreinganges zu sehen; auch dort ist das Baronetszeichen noch innerhalb des Innenfeldes angeordnet, ebenso auf historischen Siegelabdrücken, so daß die Interpretation im Rietstap als unzutreffend bezeichnet werden kann. Der Anbringungsort des oben abgebildeten Steines ist ebenfalls sekundär; der Stein stammt von der ehemaligen Familiengruft in der Friedhofskapelle, die gleichfalls abgerissen wurde. Die Datierung auf dem Sturz verweist auf das Jahr 1695.

Nach dem Diplomaten folgte sein Sohn, Charles William Curtius (Carl von Curti, 26.12.1654-1733) als 2nd Baronet nach (er war vermählt mit Anna Helena Schenck zu Schweinsberg), danach dessen Sohn Herman Charles August Adolf Curtius (22.4.1699-18.8.1753) als 3rd Baronet (vermählt mit Erhardine Catharina Louise von Wahl), schließlich Wilhelm Adam von Curti (21.7.1742-15.1.1823) als 4th Baronet, der 1790 unrühmlich bankrott ging und mit Charlotte Elisabeth geb. von Fleckenbühl genannt Bürgel verheiratet war. Der Titel eines Baronets Curtius ist seit 1823 erloschen. Das Erbe, bzw. was davon übrig war, ging über Wilhelm Adams Schwester Juliane Albertine von Gall Curti (17.3.1744-15.6.1799) an ihren Ehemann, Wilhelm Rudolf Daniel Philipp von Gall (1734-1799).

In der Mitte sehen wir das Wappen der Curti di Gravedon(n)a. Denn bei Wilhelm Curtius handelt es sich um einen Sproß einer aus der Lombardei stammenden und in Mailand ansässigen Patrizierfamilie, die auch in den venezianischen Adel Eingang fand. Das Wappen ist halbgespalten und geteilt, Feld 1: in Silber ein naturfarbener (roter) janusköpfiger Löwe, Feld 2: in Rot ein silbernes, zweitürmiges Kastell, auf dem ein gekrönter Adler mit ausgebreiteten Schwingen sitzt, Feld 3: fünfmal silbern-rot gespalten, auf dem Helm ein auffliegender gekrönter Adler (Ausschnittsvergrößerung des Schildes unten).

Dieses Wappen Curti wird mit Rietstap in einer späteren Form mit einem zusätzlichen Schildhaupt mit dem schwarzen Adler in goldenem Feld und mit Schrägbalken anstelle der Spaltungen geführt. Im Italienischen wird das Wappen der Baroni Curti di Gravedona wie folgt blasoniert: Interzato in fascia; nel 1° d'oro all'aquila spiegata di nero, coronata del campo (capo dell'Impero); nel 2° che è partito: a destra d'argento, al leone rampante al naturale; a sinistra di rosso, al castello a due torri d'argento, aperto e finestrato del campo; nel 3° sbarrato d'argento e di rosso. Für die Baroni Curti di Palermo wird angegeben: Interzato in fascia; nel 1° d'oro all'aquila spiegata di nero, coronata del campo (capo dell'Impero); nel 2° che è partito: a destra d'oro, al leone bicipite passante di nero, le teste coronate del campo; a sinistra di rosso, al castello a due torri d'oro, aperto, finestrato del campo e sormontato da un'aquila d'oro coronata dello stesso; nel 3° di rosso, a tre pali d'oro. Das Wappen Curti ist auch am Haus Schloßberg am westlichen Ende der historischen Altstadt von Rapperswil (Schweiz) in gemalter Form zu sehen, mit abweichenden Farben, aber auch mit Schrägteilungen in Feld 3.

Das dritte Wappen optisch rechts ist schließlich für die Ehefrau von Wilhelm Curti, Catharina Fabricius gen. Gressenich (5.3.1625-6.10.1659). Die Beiden hatten am 8.11.1649 in Mühlheim bei Köln geheiratet. Sie war die Tochter von Peter Fabricius gen. Gressenich und Anna Hoeuft. Ihr Vater war Kurpfalz-Neuburgischer Rat, Richter und Rentmeister des Amtes Windecken. Das Wappen der holländischen Familie Fabricius zeigt in Schwarz einen goldenen Balken, unten begleitet von Kopf und Hals eines gekrönten silbernen Straußen mit Hufeisen im Schnabel (Tinkturen nach Rietstap). Rietstap benennt das Tier als Schwan: "De sable à la fasce d'or accompagnée en pointe d'une tête et col de cygne d'argent." Die Helmzier ist beschädigt und nicht mehr klar zu definieren.

Nachdem seine erste Frau in Frankfurt am Main im sechsten Kindbett gestorben war, heiratete Wilhelm von Curti erneut, am 27.4.1676 in Frankfurt am Main. Seine zweite Frau war Anna Sibylla von Stalburg (1636-1710), die verwitwete zweite Frau des vermögenden Frankfurter Händlers Johann Martin du Fay (10.5.1632-22.5.1674). Das war insofern ein interessanter "Frauentausch", weil Johann Martin du Fay in erster Ehe Helena Fabricius gen. Gressenich geheiratet hatte, die Schwester von Curtis erster Frau. Anna Sibylla von Stalburg wiederum heiratete nach dem Ableben von Wilhelm von Curti 1681 Friedrich Wilhelm von Eickstedt.

Über der zuvor beschriebenen Kombination aus drei Wappen befindet sich ein zweiter, auf das Jahr 1516 datierter Wappenstein, der aufgrund seiner geringen Größe, dunklen Farbe, seines geringen Reliefs und seiner Position im Schatten des Daches zum Übersehen geradezu einlädt: Das ist das Allianzwappen von Hans Hartlieb genannt Walsporn (Wormser Patrizierfamilie, in Schwarz ein goldener Schragen, in der Mitte belegt mit einem schwarzen Kesselhenkel, der einen roten Stern einschließt) und seiner Ehefrau Katharina Bonne (Tochter des Wormser Bürgermeisters), nicht zum ehemaligen Schloß gehörend, sondern zu einem Vorgängerbau.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps:
https://it.wikipedia.org/wiki/Curti_(famiglia)
Wilhelm von Curti: Hessische Biographie
https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/bio/id/8610
Peter Schröck-Schmidt: Wilhelm Curti, ein kurpfälzischer Adliger aus Bensheim und sein Schloß in Groß-Umstadt. In: 1250 Jahre Groß-Umstadt 743-1993, hrsg. vom Magistrat der Stadt, Geiger-Verlag, Horb am Neckar, S. 194-198.
Johann Martin du Fay: Hessische Biographie
https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/bio/id/8611
Genealogie:
https://www.geni.com/people/Johann-von-Curti-1st-Baronet-Curtius/6000000022176978513
Curtius Baronets:
https://en.wikipedia.org/wiki/Curtius_baronets
Hinweistafeln der Stadt am Anwesen
Max Herchenröder: Die Kunstdenkmäler in Hessen, Landkreis Dieburg, Darmstadt 1940, S. 134 f.
Siegfried Enders: Landkreis Darmstadt-Dieburg (Denkmaltopographie der Bundesrepublik Deutschland - Kulturdenkmäler in Hessen), Braunschweig/Wiesbaden, 1988, S. 222.
Ulrich Großmann: Ein Register der hessischen Renaissance-Schlösser mit Baubeschreibungen:
http://schloesser.gnm.de/wiki/Gro%C3%9F-Umstadt,_Curti-Schloss
Curti-Schloß:
https://de.wikipedia.org/wiki/Curti-Schloss
Curti-Schloß:
http://www.burgen-und-schloesser.net/hessen/schloss-curti/geschichte.html
Herrn Stephen Slater ein herzliches Dankeschön für seine Bemühungen beim College of Arms

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