Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2647
Hammelburg (Landkreis Bad Kissingen, Unterfranken)

Die Marktbrunnen in Hammelburg

Auf dem geräumigen rechteckigen Markplatz steht nördlich des historischen Rathauses ein ganz besonders aufwendig gestalteter Marktbrunnen aus Kalk- und Sandstein. Dieser Brunnen im Stil der Frührenaissance ist eines der wenigen Baudenkmäler, das noch original vom alten Marktplatz erhalten ist, denn das historische Stadtbild rings um die typisch hochmittelalterliche Platzanlage am Schnittpunkt dreier Hauptstraßen wurde am 25.4.1854 bei einem Stadtbrand weitgehend zerstört, nur der Brunnen überlebte ohne Schaden. Ein Vierseitgehäuse wie eine Art oben offener Baldachin auf quadratischem Grundriß umgibt den runden Brunnentrog mit einem zentralen, mehrfach eingezogenen Brunnenstock mit vier Wasserröhren. Alles steht auf einem runden Unterbau von 6 m Durchmesser, zu dem vom Pflaster des Marktplatzes zwei Stufen hochführen. Vier Pfeiler tragen ebenso viele Rundbögen und darüber eine Attika. Von den vier Ecken aus spannen sich zwei diagonale Bögen über das Viereck und bilden eine Art Gewölbe ohne Gewölbekappen.

 

Ganz oben ist als Bekrönung ein Löwe zu sehen, auf einem viereckigen Sockel auf dem Kreuzungspunkt der Diagonalbögen stehend und einen Schild mit dem nach Westen gerichteten Wappen des Fuldaer Fürstabtes Joachim Graf von Gravenegg (1594-4.1.1671, amtierte 1644-1671) haltend. Die vier oberen Ecken tragen jeweils einen diagonal nach außen weisenden, chimärischen Wasserspeier und eine Vase als oberen Eckabschluß. Über dem Bogenschlußstein steht dazwischen jeweils ein kleiner Spitzkegel mit Sockel und einer Einfassung wie mit an der Spitze leicht umgeschlagenen Blättern. Am Schlußstein selbst sind Verzierungen aus Maskengesichtern und Rosetten angebracht.

Alle vier Pfeiler tragen auf ihren vier Seitenflächen vertiefte Blendfelder und Rundscheiben mit Medaillons, die antikisierende Köpfe in Flachrelief tragen, wobei die Inhalte der meisten Flächen mittlerweile durch Verwitterung abgeschliffen sind. Das Becken und das Vierseitgehäuse inclusive der Attika wurden 1541 von Ratsbaumeister Johannes Schoner angefertigt; das Material war anfangs Kalkstein. Die Bekrönung mit dem offenen Baldachin und den Steinvasen kam 1669 hinzu. Bevor der spätere Baldachin aus Sandstein auf das Vierseitgehäuse aufgesetzt wurde, bestand der obere Abschluß vermutlich aus Obelisken an den Ecken und Kugeln dazwischen. Am Sockel des Löwen ist folgende, stark abgekürzte Inschrift angebracht (mit Ergänzungsvorschlag): "IOACHIMVS D(EI ET APOSTOLICAE) S(EDIS GRATIA) ECCLES(IAE) FVLD(ENSIS ABBAS) S(ACRI) R(OMANI) IMP(ERII) P(RINCEPS) AC D(IVAE) AVG(VSTAE) ARC(HI)CANC(ELLARIVS) PER GERM(ANIAM) ET GALLIAM (PRIMAS) COMES DE GRAVENECK". Für den Ergänzungsvorschlag wurde die Inschrift auf dem Brunnen vor der Stadtpfarrkirche in Fulda herangezogen, die vom gleichen Fürstabt aufgestellt wurde. Der Schild ist geviert, Feld 1 und 4: in Silber ein schwarzes, eigentlich durchgehendes und nicht wie hier schwebendes Kreuz (Fürstabtei Fulda), Feld 2 und 3: in Rot eine silberne Raute (Stammwappen der schwäbischen Familie von Gravenegg bzw. von Grafeneck). Auf dem Schild ruht eine einfache heraldische Laubkrone, eine Besonderheit der Wappen dieses Fürstabtes, dem seine gräfliche Stellung wichtiger erschien als andere mögliche obere Abschlüsse; Krummstab (links) und gestürztes Schwert (rechts) ragen schräg nach außen hinter dem Wappen empor.

Die Südseite trägt die Bauinschrift: "Huius Johannes speciosa toreumata fontis construxit Schoner hoc fabre fecit opus 1541". Ein so aufwendiger Brunnen zeigt deutlich die herausgehobene Stellung der Stadt Hammelburg im Fuldaer Territorium. Nicht nur war Hammelburg die zweitgrößte Stadt im Hochstift, sondern auch dank des Weinbaus wohlhabend. Eine erste Restaurierung erfolgte 1977. Der Brunnen wurde erneut 2006-2007 saniert, diesmal von Restaurator Thomas Keßler. Die Stadt hatte als einzige Kommune den Paulaner-Brunnenpreis, eine mit 15000 Euro dotierte Auszeichnung, in der Sparte "Brunnenrestaurierungen" erhalten. Damit und mit einer von Bürgermeister Ernst Stross initiierten Spendenaktion konnte die Restaurierung finanziert werden. Die umliegenden Straßen wurden 2009 neugestaltet.

Literatur, Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/dir///@50.1151386,9.8903884,20z - https://www.google.de/maps/dir///@50.1151701,9.8903102,42m/data=!3m1!1e3
Liste der Baudenkmäler:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Hammelburg
Ensemble Marktplatz:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ensemble_Marktplatz_(Hammelburg)
Artikel "Marktbrunnen wird enthüllt" in der Zeitung Mainpost vom 25.5.2007, aktualisiert am 31.5.2007
https://www.mainpost.de/regional/bad-kissingen/Marktbrunnen-wird-enthuellt;art770,4000554
Karl Brandler: Restaurierung eines fränkischen Frührenaissance-Denkmals, in: Unser Landkreis Bad Kissingen, Jahrbuch 1980
Marktbrunnen im Rhönführer:
https://www.rhoenfuehrer.de/ausflugsziele/sehenswuerdigkeiten/marktbrunnen-hammelburg/11737
Hammelburger Album:
http://www.hammelburger-album.de/index.php/stadtbild/innerhalb-der-alten-stadtmauer/marktplatz/der-marktbrunnen
Joachim von Gravenegg auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_von_Gravenegg
Joachim von Gravenegg in den Hessischen Biographien:
https://www.lagis-hessen.de/pnd/122080963
Josef Leinweber: Die Fuldaer Äbte und Bischöfe, Festgabe des Bistums Fulda für Bischof Eduard Schick zum Diamantenen Priesterjubiläum, Frankfurt am Main 1989

Die Wappen der Fürstäbte und Fürstbischöfe von Fulda - Teil (1) - Teil (2) - Teil (3)

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