Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2778
Kottenheim (Landkreis Mayen-Koblenz)

Das Schilling-Epitaph in der Kottenheimer Pfarrkirche St. Nikolaus

Die Kirche St. Nikolaus in Kottenheim ist ein Bau des 19. Jh., geht aber auf eine ältere Kirchenanlage zurück. Im Jahre 1330 wird erstmals eine Kirche in Kottenheim erwähnt, die mehrfach um- oder neugebaut wurde und zuletzt 1772 einen neuen Turm bekam. Wegen Baufälligkeit wurde diese alte Kirche 1853 geschlossen, 1854 bis auf den Turm abgerissen und 1854-1857 durch eine dreischiffige neugotische Basilika nach Plänen von Vincenz Statz (1819-1898) ersetzt. Diese neue Kirche wurde am 24.9.1857 durch den Trierer Bischof Wilhelm Arnoldi geweiht. Im Jahre 1904 wurde der bestehende Kirchturm nach Plänen von Caspar Clemens Pickel (1847-1939) erhöht. 1959-1961 wurde das Innere der Kirche neugestaltet. Im wesentlichen wird diese Kirche von der Ästhetik und von den Kunstwerken der Mitte des 19. Jh. geprägt, mit wenigen Ausnahmen übernommener älterer Kunstwerke.

An der nördlichen Seitenschiffswand befindet sich ganz im Westen ein hochrechteckiges, auf das Jahr 1539 datiertes Epitaph aus Tuffstein von hoher künstlerischer Qualität. Das Epitaph wurde 2012-2014 restauriert und von einer älteren Farbfassung befreit. Das Rechteckfeld wird vollständig von einer Bogennische mit ornamentiertem Rand aus aneinandergereihten Balustern eingenommen, in der die lebensgroße Figur eines Gerüsteten zu sehen ist. An der rechten Seite des Brustharnischs ist ein Rüsthaken angebracht, dies und die voluminöse achteckige Schulterkachel links ist die typische Ausstattung eines Lanzenreiters zu Pferde. Er trägt den Anderthalbhänder an der linken Hüfte und den Dolch an der rechten, hat das Visier des Helmes hochgeschoben und hat beide Hände flach vor der Brust zum Gebet zusammengelegt, wobei die Arme allerdings anatomisch unplausibel gebogen sind, als wären da keine Knochen drin. Aus den gepanzerten Händen hängt ein Rosenkranz herab. Die beiden Zwickel außerhalb des Bogens sind mit einer Rosette verziert.

 

Die außen umlaufende Inschrift, deren lange Kanten nach hinten abgewinkelt sind, besitzt folgenden Wortlaut: "IM IAER VNS HEREN 1539 / OF DEN ACHTEN DAG MARTII STARB DER EDEL VND GESTRE/NGE IONCKER IONCKER / CONRAD SCHILLINCK VAN LAINSTEIN DEM GOT GNAIT AMEN" - im Jahre unseres Herrn 1539 auf den achten Tag des März starb der edle und gestrenge Junker, Junker Conrad Schilling von Lahnstein, dem Gott gnade, Amen. An die Seite der Bogennische gerückt sind die vier Wappenschilde einer Ahnenprobe.

Conrad Schilling von Lahnstein (-8.3.1539) war der Sohn von Daniel Schilling von Lahnstein (-28.7.1541) und Margaretha von Kottenheim (-1545). Die beiden Familien kannten sich gut, weil sie zur städtischen Oberschicht von Andernach gehörten und beide Großväter Ratsherren und Schöffen in Andernach waren. Conrads vier Großeltern waren väterlicherseits Johann Schilling von Lahnstein und Margaretha von der Leyen sowie mütterlicherseits Conrad von Kottenheim und Sophia von Riedt. Conrad von Kottenheim und Daniel Schilling von Lahnstein waren Bürgermeister in Andernach, letzterer mehrfach. Die Urgroßeltern waren väterlicherseits Johann Schilling von Lahnstein, Elisabeth von Schönberg, Johann (Hans) von der Leyen und Kunigunde von Eltz zu Rübenach, und mütterlicherseits N. N. von Kottenheim, N. N., Heinrich von Riedt und eine Frau von Scharfenstein.

Conrad Schilling von Lahnstein, der ein kurkölnisches Lehen in Nickenich hatte, heiratete Otta von Liebenstein, die Tochter von Franz von Liebenstein (von Burg Liebenstein am Rhein) und Margaretha von Enschringen. Ihre Kinder waren Werner Schilling von Lahnstein (-5.12.1597), welcher Amalia von Staffel heiratete, Dietrich Schilling von Lahnstein, Adolf Schilling von Lahnstein (-11.2.1582), Maria Schilling von Lahnstein (-1589), welche Reichard/Richard Schütz von Holzhausen (-1580) heiratete, und Conrad Schilling von Lahnstein (-14.1.1597), Domdekan in Worms. Von diesen Nachkommen setzte Werner den Stamm fort; er war kurtrierischer Hauptmann auf dem Ehrenbreitstein und wurde 1561 mit Teilen der Burg zu Nickenich belehnt, und in der Pfarrkirche Nickenich wurde er auch beigesetzt.

Conrad hatte noch mehrere Geschwister, Elisabeth Schilling von Lahnstein (-1550), welche Johann XI. von Helfenstein zu Müllenbach (-1534) heiratete, und Gerlach Schilling von Lahnstein, der erst Katharina von Winnenberg, dann Elisabeth von Brambach und schließlich in dritter Ehe Anna von Metzenhausen ehelichte. Weitere Geschwister waren Jakob Schilling von Lahnstein (-1558), vermählt mit Katharina von Fronhofen, Emmerich Schilling von Lahnstein und Johann Schilling von Lahnstein. Von diesen setzten Jakob und Gerlach jeweils den Stamm fort.

 

Abb. links: Heraldisch oben rechts ist das Wappen der Schilling von Lahnstein angebracht, für den Vater und den Großvater väterlicherseits, Johann Schilling von Lahnstein, in Silber drei (2:1) golden gekrönte, rote Adlerköpfe. Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre zu rot-silbernen Decken ein roter, silbern aufgeschlagener Turnierhut, oben mit einem naturfarbenen Pfauenstoß besteckt (Gruber, Zobel Tafel 185, Siebmacher Band: NaA Seite: 29 Tafel: 44, vgl. auch Siebmacher Band: BraA Seite: 81 Tafel: 49 abweichend mit einem der Adlerköpfe als Helmzier). Stammesverwandt mit den Schilling von Lahnstein, Burgmänner zu Lahneck, sind übrigens die Bowe von Lahnstein, welche zur Differenzierung einen Stern als Beizeichen zwischen den Adlerköpfen führten, und die Huneschwin von Lahnstein, die ebenfalls die drei Adlerköpfe führten.

Abb. rechts: Gegenüber ist das Wappen der Mutter und des Großvaters mütterlicherseits, Conrad von Kottenheim, angebracht, silbern-schwarz geteilt und belegt mit einer goldenen Lilienhaspel (Glevenrad). Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre zu schwarz-silbernen Decken ein silberner wachsender Schwanenrumpf, dessen Flügel beiderseits wie der Schild bezeichnet sind. Das Wappen wird beschrieben im Gruber und bei Zobel auf Tafel 180, aber weder im Siebmacher noch im Rietstap. Den Schild führt heute die Gemeinde Kottenheim als Kommunalwappen.

 

Abb. links: Unten rechts sehen wir den Schild der von der Leyen für die Großmutter väterlicherseits, Margaretha von der Leyen, in Blau ein silberner Pfahl. Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre zu blau-silbernen Decken ein wachsender silberner Rüdenrumpf zwischen einem blauen, mit silbernen Lindenblättern bestreuten Flug. Das Wappen wird beschrieben im Gruber, im Zobel Tafel 197, im Wolfert Tafel 9 Seite 48, 124, und im Siebmacher Band: FstC Seite: 146 Tafel: 219.

Abb. rechts: Unten links folgt als letztes das Wappen der von Riedt für die Großmutter mütterlicherseits, Sophia von Riedt, in Silber ein rotes Schräggitter, von einer roten Leiste überdeckt. Das hier nicht dargestellte Oberwappen wäre auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein silberner Flug mit rotem Schräggitter, beiderseits belegt mit einer roten Leiste. Das Wappen wird beschrieben im Gruber, im Aschaffenburger Wappenbuch auf Tafel 2, Seite 153, im Siebmacher Band: NaA Seite: 34 Tafel: 56 und im Zobel auf Tafel 276. Die von Riedt sind ein aus Lorch am Mittelrhein stammendes Geschlecht, das sich in den Raum um Frankfurt am Main, Mainz und in der Wetterau ausbreitete und dessen Mitglieder meist in kurmainzischen Diensten standen. Neben dem Mainzer Lehen in Heddernheim, das ihnen im Jahr 1618 zugefallen war, und der abgegangenen Burg Philippseck besaßen sie den Zehnten zu Linter (bei Limburg) und zu Kahlbach (bei Königstein/Ts.). Das Geschlecht erlosch im Mannesstamm im Jahre 1764.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.3487316,7.2569417,19z - https://www.google.de/maps/@50.3487316,7.2569417,136m/data=!3m1!1e3
Pfarreienverband Mendig:
https://www.pfarreiengemeinschaft-mendig.de/
Förderverein St. Nikolaus:
https://www.förderverein-st-nikolaus-kottenheim.de/
Genealogische Datenbank des Christoph Graf von Polier:
https://gw.geneanet.org/cvpolier?lang=de&iz=0&p=conrad&n=schilling+von+lahnstein und abhängige Seiten
Epitaph eines Sohnes in Worms: Deutsche Inschriften, Band 29, Worms, Nr. 564† (Rüdiger Fuchs), in:
www.inschriften.net, urn: nbn:de:0238-di029mz02k0056401 - http://www.inschriften.net/worms/inschrift/nr/di029-0564.html#content
Stammbaum auf den Seiten des Fördervereins St. Nikolaus:
https://cdn.website-editor.net/46fbcbacc71b47b896fe8fdd22b75ad4/files/uploaded/Stammbaum%2520Familie%2520Schilling%2520von%2520Lahnstein%2520%2528mit%2520Konrad%2529.pdf und https://cdn.website-editor.net/46fbcbacc71b47b896fe8fdd22b75ad4/files/uploaded/Stammbaum%2520Familie%2520Schilling%2520von%2520Lahnstein%2520%2528ohne%2520Konrad%2529.pdf
Familie Schilling von Lahnstein in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schilling_(rheinländisches_Adelsgeschlecht)
Wolfgang Schmid: Das Epitaph des Junkers Konrad Schilling von Lahnstein in Kottenheim und die Grabmalskunst der Gotik und der Renaissance im Raum Mayen-Koblenz, hrsg. vom Geschichts- und Altertumsverein für Mayen und Umgebung, Kottenheim 2017, ISBN-10: 3930821273, ISBN-13: 9783930821273
St. Nikolaus auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/St._Nikolaus_(Kottenheim)
Claudius Engelhardt: Die Pfarrkirche in Kottenheim, ein Rundgang durch die Kirche und ihre Geschichte, Books on Demand, Norderstedt 2014, ISBN 978-3-7322-9829-7
Hans-Peter Koll: Junker Konrad Schilling von Lahnstein
http://www.kottenheim.de/index.php/geschichte/9-geschichte/66-junker-schilling
Genealogische Tafeln von Humbracht
von der Leyen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Leyen_(Adelsgeschlecht)
Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
Otto Gruber: Wappen des mittelrheinisch-moselländischen Adels, Trier 1962-1965, incl. Nachtrag Trier 1967, ebenfalls veröffentlicht in verschiedenen Jahrgängen der "landeskundlichen Vierteljahresblätter"
Rolf Zobel: Wappen an Mittelrhein und Mosel, Books on Demands GmbH, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8370-5292-3, 527 S.

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