Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2803
Brixen (Bressanone, Südtirol, Italien)

Die St. Gotthard- und St. Erhard-Kirche in Brixen (Chiesa dei Santi Gottardo ed Erardo)

Die kleine und schlichte Kirche St. Gotthard und St. Erhard (oder kurz: Erhardskirche) liegt in der Brixener Altstadt genau westlich des Domes am Ende der Domgasse, nahe am westlich gelegenen Kreuztor (Sonnentor). Die freistehende kleine Kirche blockiert sozusagen mitten im Weg die Fortsetzung der Domgasse nach Westen. Hofgasse und Erhardgasse umschließen die Kirche im Osten und im Norden. Bereits im 9. Jh. wurde an dieser Stelle eine Kapelle "St. Thomas im Wald" errichtet. Die Kirche wurde durch die Voitsperger im 13. Jh. neben der ältesten Propstei gestiftet und im 14. Jh. umgebaut. Der heutige Bau ist ein Neubau aus dem Jahre 1695. Der Turm steht im Osten und trägt eine Kuppelhaube mit Laterne. Der Chor schließt gerade ab. Innen gibt es Deckengemälde aus der Zeit um 1700 mit Darstellungen der hl. Dreifaltigkeit und der Namensgebung Jesu. Die Kirche wurde 1971 von der Diözese der evangelisch-lutherischen Kirche (Chiesa evangelica) zur Verfügung gestellt und wird von den Lutheranern in Brixen genutzt.

 

Auf der Westseite mit dem Haupteingang ist ein Wappen des Papstes Innozenz XI. (amtierte als Papst 1676-1689) angebracht. Die dreigekrönte Tiara weist es als päpstliches Wappen aus, und in den Winkeln beiderseits der Tiara sieht man die Bärte der beiden päpstlichen Schlüssel, des Binde- und des Löseschlüssels, einer golden, der andere silbern. Die kleeblattförmigen Schlüsselgriffe sieht man seitlich an der Einbauchung des Schildrandes. Das Wappen ist das Familienwappen der italienischen Adelsfamilie Odescalchi, unter einem goldenen, mit einem golden gekrönten schwarzen Adler belegten Schildhaupt in Silber vier rote Balken, auf dem obersten ein schreitender roter Löwe, auf den drei unteren sechs (3:2:1) rote Weihrauchschiffchen. Italienischer Blason: D'argento a quattro fasce di rosso accompagnate da un leone leopardito dello stesso nella prima fascia d'argento e da sei navicelle d'incensiere di rosso poste tre nella seconda fascia d'argento, due nella terza e una nella quarta, capo d'oro caricato di un'aquila di nero coronata del campo.

Hierzu sei angemerkt, daß das Motiv im Italienischen einerseits als "navicelle d'incensiere" und andererseits allgemeiner und unbestimmter als "coppe" angesprochen wird. Möglicherweise hat im Laufe der Familiengeschichte das Motiv, das vordergründig ein flaches, ausladendes Gefäß auf einem gestielten Fuß darstellt, einen Bedeutungs- oder Interpretationswandel erfahren, geprägt durch die vielen Kleriker der Familie, die das Motiv innerhalb der liturgischen Welt auslegten. Aber das wäre Gegenstand einer eigenen Untersuchung.

Innozenz XI. (19.6.1611-12.8.1689) hieß eigentlich Benedetto Odescalchi und stammte aus Como. Der Sproß aus einer reichen, aus Como stammenden und im Textilhandel tätigen Kaufmannsfamilie ging bei den Jesuiten in Como zur Schule und studierte ab 1637 in Rom, später in Neapel. Unter Papst Urban VIII. wurde er Apostolischer Protonotar, unter Papst Innozenz X. am 6.5.1645 zum Kardinaldiakon mit der Titelkirche Santi Cosma e Damiano in Rom. 1650 wurde er Bischof von Novara. Am 21.9.1676 wählte ihn das Konklave zum Papst. Sein Pontifikat war ein beispielhaftes; er war ein Papst, wie er sein sollte: Selbst war er asketisch, gewissenhaft und glaubensfest. Er führte im Vatikan drastische Sparmaßnahmen ein, stritt für die Reinerhaltung des katholischen Glaubens und bekämpfte Nepotismus und Simonie. Für die Künste hatte er nicht viel übrig, entsprechend wenig gab er dafür aus. Sein Hauptziel war es, die christlichen Fürsten Europas zu einer Heiligen Liga zusammenzuschweißen, um den Kampf gegen die türkische Bedrohung zu führen. In seine Amtszeit fällt die Befreiung Wiens von der Belagerung durch türkische Heere am 12.9.1683. Er war einer der würdigsten Päpste und eine Ausnahmeerscheinung.

Die Familie Odescalchi hatte ihre Wurzeln zwar im Tuchgeschäft, stieg aber bald auch in Bankgeschäfte ein und sicherte ihr Vermögen durch Grundbesitzerwerb. Anfang des 17. Jh. waren die Odescalchi eine der reichsten Familien Italiens. Um die Zersplitterung des Besitzes zu vermeiden, wurden überzählige Söhne auf Kleriker-Laufbahnen geschickt, so auch Benedetto aus der älteren Linie der Familie. Weitere Kleriker aus der Familie waren Giorgio Odescalchi (1564-1620), 1596-1610 Bischof von Alessandria und 1610-1620 Bischof von Vigevano, Giulio Maria Odescalchi (-1666), Bruder des Papstes und ab 1656 Bischof von Novara, Benedetto Erba Odescalchi (1679-1740), Großneffe des Papstes, 1712-1736 Erzbischof von Mailand, Kardinal, Antonio Maria Erba Odescalchi (1712-1762), Kardinal, und Carlo Odescalchi (1785-1841), 1823-1826 Erzbischof von Ferrara, Kardinal. Mit Livio Odescalchi, einem Neffen des Papstes, stieg die Familie noch weiter auf: Der Papst machte ihn zum Herzog von Ceri. Sein Vermögen war immens. Er nahm dennoch als Feldherr an der Rettung Wiens vor den Türken teil und wurde dafür von Kaiser Leopold I. mit der Erhebung in den Reichsfürstenstand und zum Herzog von Syrmien und Sava belohnt. So kam er an Güter im Königreich Ungarn. Die jüngere Linie der Odescalchi in Como erlosch 1852. Die ältere Linie der Odescalchi erlosch mit besagtem Livio im Jahre 1713. Der Papst adoptierte daraufhin den Sohn seiner Schwester, Antonio Maria Erba (1624-1694), und aus dessen Abkömmlingen wurden 1714 die Fürsten Odescalchi, die bis heute blühen. Der italienische Zweig lebt in Rom, Santa Marinella und Bracciano, der ungarische Zweig wurde vertrieben und lebt in Großbritannien, Österreich und den USA.

Unter dem Wappen steht "COLLATORI", was darauf verweist, daß der Papst etwas zum Bau dieser Kirche beigesteuert hat. Unter dem gesprengten Dreiecksgiebel steht die Inschrift " DEO ET SANCTIS EPISCOPIS ERHARDO ET GOTTHARDO FRATRIBVS GERMANIS" - Gott und den heiligen Bischöfen Erhard und Gotthard, den deutschen Brüdern (geweiht).

 

An der Ostseite ist oben am Turm ein weiteres Wappen in eine rechteckige, oben und unten halbrund ausgebauchte Nische gemalt, dasjenige des Brixener Weihbischofs Wilhelm Vintler von Runkelstein und Plätsch (1631-9.3.1697), der diese Kirche erbauen ließ. Sein Wappen ist geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: in Rot zwei aufrechtstehende silberne Bärentatzen (Stammwappen der Vintler von Bozen), Feld 2 und 3: in Gold drei schwarze, balkenweise gelegte, abgehauene Bärentatzen übereinander (Wappenvermehrung 1480, von Obertor zu Bozen), Herzschild: nach dem Neuen Siebmacher führt die Familie in Rot eine silberne Spitze (Vermehrung von 1673, von Plätsch), doch hier sieht man eine eingebogene Spitze, rechts oben rot, links oben silbern, die Spitze schwarz und mit einem goldenen Majuskel-Buchstaben "L" belegt. Die Farbverteilung des Wappens Plätsch ist hier korrekt und entspricht den Dokumenten in der Fischnaler-Kartei; die Angaben im Siebmacher sind folglich zu korrigieren. Das Familienwappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Tir Seite: 18 Tafel: 21. Hier wird das Wappen als Klerikerwappen mit einer Mitra und einem Krummstab geführt. Die Familie führte drei Kleinode, Helm 1 (Mitte): auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein roter Flügel, nach dem Neuen Siebmacher belegt mit einer silbernen Spitze (von Plätsch), analog zu korrigieren in: ein Flügel belegt mit einer eingebogenen Spitze, rechts oben rot, links oben silbern, Spitze schwarz, Helm 2 (rechts): auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken zwei aufrechtstehende silberne Bärentatzen (Stammwappen Vintler zu Bozen), Helm 3 (links): auf dem gekrönten Helm mit schwarz-goldenen Decken zwei aufrechtstehende schwarze Bärentatzen (von Obertor zu Bozen). Wilhelm Vintler Freiherr von Runkelstein wurde 1648 Domherr in Brixen und 1677 Dompropst. Er war Generalvikar in geistlichen Angelegenheiten und Präsident des Konsistoriums und seit 1682 Weihbischof von Brixen. Auch sein Onkel war Kleriker in Brixen, das war Baltasar Vintler von Runkelstein und Plätsch (-4.4.1659), 1626 Domherr, fürstbischöflicher Spitalsverwalter. Sein Wappen wiederholt sich im Inneren der Kirche am bauzeitlichen schmiedeeisernen Gitter. Ein weiteres Wappen des Bauherrn ist an seinem Epitaph im Brixener Domkreuzgang zu sehen. Die ausführliche Diskussion der Wappenentstehung erfolgt im Kapitel "Domkreuzgang in Brixen: Epitaphien".

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@46.715865,11.6555907,21z - https://www.google.de/maps/@46.715865,11.6555907,48m/data=!3m1!1e3
Erhardskirche auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/St._Gotthard_und_St._Erhard_(Brixen)
Erhardskirche in Brixen:
https://www.provinz.bz.it/kunst-kultur/denkmalpflege/monumentbrowser-suche.asp?status=detail&id=14160
evangelische Kirche Brixen:
https://www.chiesa-evangelica.it/gemeinde/ortsgruppen/brixen/
Seite der Stadt Brixen:
https://www.brixen.org/de/kultur/kirchen-kloester/rid-B74116C77A57411F531845DC7687A770-st-erhard-kirche.html
Papst Innozenz XI.
https://de.wikipedia.org/wiki/Innozenz_XI.
Odescalchi: https://de.wikipedia.org/wiki/Odescalchi -
https://it.wikipedia.org/wiki/Odescalchi
Papst Innozenz XI.:
https://www.newadvent.org/cathen/08021a.htm
Vintler von Plätsch:
https://de.wikipedia.org/wiki/Vintler_(Adelsgeschlecht)
Wappen Vintler in der Fischnaler Wappenkartei:
http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=11680&sb=vintler&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=11681&sb=vintler&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=11682&sb=vintler&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=11684&sb=vintler&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=11690&sb=vintler&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=11691&sb=vintler&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=11698&sb=vintler&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=11699&sb=vintler&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=11700&sb=vintler&sw=&st=&so=&str=&tr=99

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