Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2847
Koblenz

Das Haus der von Nell in Neuendorf (Am Ufer 11)

Direkt an der Rheinfront neben dem Restaurant "Zur Alten Brauerei" steht im Koblenzer Stadtteil Neuendorf dieses zweigeschossige, traufständige Haus mit sehr hohem Mansarddach und mit einer ungewöhnlichen Torinschrift auf dem zentral positionierten, breiten Korbbogen: "DIESES HAUS UND HOFE SIND FREIJ, WER ES NICHT GLAVBEN WIL(L), DER LECC MICH IM ARSCH VND GEHE VORBEIJ". Dieses Haus, das ein Teil der weitgehend geschlossenen historischen Rheinfront dieses Koblenzer Stadtteils ist, gehörte der Familie von Nell, deren Stammreihe mit dem in der Mitte des 17. Jh. in nahen Wallersheim ansässigen Flößer und Holzhändler Christian Nell (1612-1692) beginnt, der 1642 erstmals in Neuendorf erwähnt wird. Die Schlüsselfigur der Familie wurde sein im gleichen Geschäft tätige Sohn Peter Christian von Nell (1643-1712) aus der Ehe mit Maria Catharina Vogt. Der Besitz in Wallersheim hatte offenkundig den Status eines Freisitzes. Es überrascht, wenn wir im folgenden von der Nobilitierung des Sohnes Peter Christian Nell erfahren, doch man muß sich stets vor Augen halten, daß Holz damals der wichtigste Rohstoff nicht nur für den Haus- und Schiffbau, sondern auch zur Energiegewinnung, zur Holzkohlegewinnung und zur Verhüttung von Erzen war, und daß die Flößer auf dem Rhein damals quasi die größten Energieversorger und Baustoffversorger waren. Insbesondere die Niederlande waren ein wichtiger Abnehmer, zum einen wegen des Schiffbaus, zum anderen wegen der Fundamente der Häuser in den aufblühenden Städten, denn ohne in den Grund gerammte Eichenpfähle stand kein Haus sicher. Deshalb brachten es die Flößer schnell zu Reichtum und Ansehen, weil große Industriezweige davon abhingen. Immerhin konnte man sich im Flößerdorf Neuendorf ein Haus in Massivbauweise leisten. Deshalb konnte auch ein verdienter und wohlhabender Flößer in den Adelsstand aufsteigen.

Peter Christian Nell (1643-1712), "erster" Floßhändler und Unternehmer in Neuendorf, heiratete Gertrud Miltz (1644-1702) und hatte mit ihr elf Kinder. Er betrieb ferner die Fährverbindung zwischen Neuendorf und Urbar. Und er war Fischermeister der Niedererzstiftischen Fischerzunft und Brudermeister der Neuendorfer Fischerzunft. Er starb in Holland im Alter von 69 Jahren bei einem Unfall. Über seine Kinder wurde er zur Drehscheibe der Ausbreitung der Familie nach Trier, Österreich und Böhmen. Sein ältester Sohn Jakob von Nell (1671-) heiratete Sybille Polch. Er führte den Floßhandel von Koblenz aus fort und wurde kurtrierischer Kommerzienrat. Der Sohn Johann Peter von Nell (27.10.1672-2.12.1743) wandte sich nach Österreich und Böhmen (s. u.). Nikolaus (1678-) ging nach Trier und begründete den dortigen Familienzweig. Auch er war im Flößergeschäft tätig, nur von Trier aus. Er wird 1731 als kurtrierischer Oberfischermeister, Bürgerhauptmann sowie als Pächter der Neuendorfer Schafweide genannt. Christian (1677-) wurde Major in polnischen Diensten und lebte in Koblenz. Johann Heinrich von Nell (1685-, s. u.) wurde ebenfalls Offizier, und Johann Wilhelm von Nell (1680-) wurde Kanoniker von St. Castor in Koblenz. Der Erbauer des Hauses in Neuendorf ist vermutlich entweder der genannte Jakob von Nell oder sein Bruder Christian von Nell, oder der kurfürstliche Major Peter von Nell. Die Inschrift würde eher zum Benehmen eines hartgesottenen Militärangehörigen passen, also zum zweiten.

Auf dem Schlußstein in der Mitte des Korbbogens ist das Wappen der Familie von Nell mit der Jahreszahl 1732 angebracht. Der Schild ist geviert, Feld 1 und 4: in Rot eine schräggestellte goldene Kornähre, Feld 2 und 3: in Silber einwärts ein eigentlich in blauem Wasser schwimmender, naturfarbener Delphin, hier vereinfacht. Zu rechts rot-goldenen und links blau-silbernen Decken ein wachsender wilder Mann, um Hüfte und Stirn mit Laub bekränzt und in der Linken einen Dreizack haltend. Die von Nell bildeten eine rheinische und eine böhmische Linie. Das Wappen der hier relevanten rheinischen Linie wird beschrieben im Siebmacher Band: Pr Seite: 278 Tafel: 329. Peter Christian Nell, geboren in Wallersheim, wurde gemäß Diplom vom 25.4.1709 von Kaiser Joseph I. mit dem Prädikat "zu Thomenacher" (= Damenacker) in den rittermäßigen Adelsstand für das Reich und die Erblande erhoben, mit dem privilegium denominandi, also dem Recht, sich nach seinen Gütern zu benennen, und der Lehenberechtigung (Österreichisches Staatsarchiv Signatur AT-OeStA/AVA Adel RAA 291.2). Bereits 1692 hatte der Begünstigte mit einem anderen Symbol gesiegelt, einem aufrechten Fisch mit zwei Sternen neben dem Kopf. Er hatte wohl um Übernahme dieses Wappens nachgesucht, doch er erhielt ein erheblich gebessertes Wappen, in dem allenfalls der Delphin die Idee des "Fisches" noch beinhaltet. Die den Adelsakten des österreichischen Staatsarchivs beigefügte Wappenzeichnung zeigt den Delphin eine Wasserfontäne hochschießend in reichlich natürlich silbern-blauem Wasser, also in einem heraldisch nicht klar definiert tingiertem Feld, dominierend ist jedoch Blau für Himmel und Wasser sowie Silber für den Delphin. Dieses Wappen hier am Haus hat dieses österreichische Diplom zur Grundlage. In Neuendorf erinnert neben diesem Haus auch die Von-Nell-Gasse an die Familie. Sie hatte hier uferseitig ein weiteres Haus, das später Gastwirtschaft wurde und 2015 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt wurde.

Die rheinische Linie im von Nikolaus von Nell (1678-, s. o.) abstammenden Zweig erhielt für den Kommerzienrat Philipp von Nell (Christoph Philipp Bernhard Hugo von Nell) am 16.8.1824 den preußischen Adelsstand. Ein im Vergleich zu dem Neuendorfer Wappenstein 102 Jahre späteres Vergleichswappen ist in Trier am Wohnhaus des Gutes Mariahof angebracht, das durch seinen Sohn Georg Friedrich Johann von Nell, Großkaufmann und Rittergutsbesitzer, Königlich-Preußischer Kommerzienrat und Bankier in Trier, 1844 erbaut worden ist. Er war vermählt mit Anna Maria Emilie Marx aus Colmar. Aus der rheinischen Linie heiratete Arthur von Nell (1857-1939, Georg Friedrich Maria Arthur von Nell), promovierter Jurist, preußischer Rittmeister, erster Beigeordneter der Stadt Trier und Weingutsbesitzer, im Jahre 1889 Bernharda Klara Hermine von Breuning (1862-1933). Der erstgeborene Sohn der oben genannten Eltern war der Jesuit, Sozialphilosoph und Theologe Oswald von Nell-Breuning (1890-1991). Für ihn führten die Eltern 1910 mit Erlaubnis von Kaiser Wilhelm II. eine Namens- und Wappenvereinigung zu von Nell-Breuning durch, um das Aussterben des mütterlichen Familiennamens zu verhindern. Das beschriebene Wappen erhielt nun zusätzlich einen Herzschild, in Silber drei blaue Sparren, unter jedem eine blaue Lilie (Siebmacher Band: Pr Seite: 98 Tafel: 129). Doch der Erstgeborene entschied sich nicht dazu, den Familienbetrieb auf dem Gut St. Matthias auf dem Mühlenberg zu übernehmen und die Familie fortzusetzen, sondern für eine Priesterlaufbahn. Er wurde Professor für Moraltheologie an der Philosophischen Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt und ab 1956 Honorarprofessor an der Universität Frankfurt am Main. Oswalds Bruder war Carl Maria Philipp von Nell (1906-1969); er heiratete Maria Henrietta Franziska Josepha von Raabl-Werner und hatte 12 Kinder. Auf dem 1959 von ihm verkauften Familiengut der von Nell auf dem Mühlenberg entstand bis 1968 die Wohnsiedlung Mariahof. Nach wie vor in Familienbesitz ist das Weingut im Tiergarten in Trier-Olewig, geführt von Georg Fritz von Nell. Weitere Besitzungen der Familie liegen im Ruwertal in Kasel, und dort wird der Name von Nell-Breuning fortgeführt, denn Oswald von Nell-Breuning hatte mittels Verfügung der Landesregierung von Rheinland-Pfalz den Doppelnamen an seinen Patenneffen Christoph von Nell(-Breuning) übertragen lassen.

Die böhmische Linie der Familie von Nell (Siebmacher Band: Bö Seite: 82 Tafel: 50) wurde nur wenig später als die rheinische in den Adelsstand erhoben. Die Brüder Johann Peter Nell von Nellenburg und Damenacker (27.10.1672-2.12.1743), kaiserlicher Rat und Oberpostverwalter des Königreichs Böhmen in Prag, und Johann Heinrich Nell von Nellenburg und Damenacker, k. k. Hauptmann, von Kaiser Karl VI. am 22.2.1717 zu Wien in den alten Ritterstand für das Reich und die Erblande erhoben mit dem Zusatz "Edler von Nellenberg", darin wurde das vorhandene Wappen bestätigt und gebessert, außerdem erhielten die Brüder das privilegium denominandi und die Lehenberechtigung (österreichisches Staatsarchiv, Signatur AT-OeStA/AVA Adel RAA 291.3). Die Eltern der beiden Brüder waren Peter Christian von Nell (s. o.) und Gertrud Miltz. Johann Peter heiratete am 16.02.1713 in Frankfurt am Main Elisabeth Schlabart von Kintzweiller aus Trier. Er entwarf eine sehr nützliche Besonderheit, nämlich die erste moderne Poststraßenkarte, die ab 1709 und ab 1714 in Nürnberg gedruckt wurde. Dort sind die Poststationen und Entfernungen verzeichnet, außerdem die Routen als Verbindungslinien der Stationsknoten und die Angaben, ob es sich um reitende oder fahrende Post handelt. Seine Karte wurde zum Prototyp aller späteren Postnetzkarten.

Das erste Wappen dieser Linie nach dem Diplom von 1717 wird wie folgt dargestellt: Geviert, Feld 1 und 4: in Rot eine schräggelegte goldene Kornähre, Feld 2 und 3: in Blau einwärts ein schwimmender Delphin, der in Feld 2 mit rot aufgerissenem Maul, mit hochgeworfenem Schwanz und mit Wasserfontäne, der in Feld 3 einfach balkenweise einwärts schwimmend, zwei gekrönte Helme, Helm 1 (rechts): zu rot-goldenen Decken ein wachsender Neptun mit goldener Zackenkrone und mit goldenem Dreizack in der Linken, die Rechte eingestemmt, Helm 2 (links): zu blau-silbernen Decken ein wachsender gekrönter goldener Greif, in der rechten Vorderklaue ein silbernes, golden gegrifftes Schwert haltend (alle Angaben gemäß der Abbildung in den Adelsakten, Siebmacher abweichend). Die vielen kleinen Veränderungen gegenüber dem Wappen von 1709 sind Willkür, denn den Akten von 1717 liegen zwei Abschriften der Verleihung von 1709 bei.

Aus dieser Linie wurde Raphael Ritter Nell von Nellenburg und Damenacker, k. k. Appellationsgerichts-Vizepräsident in Klagenfurt, am 13.5.1821 zu Laibach (Diplom am 17.1.1822 zu Wien) in den österreichischen Freiherrenstand erhoben (österreichisches Staatsarchiv, Signatur AT-OeStA/AVA Adel HAA AR 642.56). Das zweite Wappen dieser böhmischen Linie von der Verleihung 1821 hat einen genau gleichen Schild, inklusive der darstellerischen Unterscheidung der beiden Delphine. Es gab aber einen dritten Helm, in der Mitte zwischen den beiden anderen eingefügt, gekrönt, mit rot-goldenen Decken, eine goldene Kornähre zwischen einem roten Flug (alle Angaben gemäß der Abbildung in den Adelsakten, Siebmacher abweichend). Diese Helmzier wurde als Verbesserung aus Feld 1 abgeleitet. Die beiden äußeren Helme werden dazu wie zuvor geführt. Weiterhin hat dieses Wappen eine fünfperlige Rangkrone auf dem Schild und als Schildhalter zwei bärtige und barhäuptige Meermänner mit nacktem Oberkörper und goldenem doppeltem Fischschwanz mit eingerollten Enden, jeweils mit der inneren Hand den Schild fassend und mit der äußeren Hand eine mit der Schaufel aufwärts gerichteten naturfarbene Grabschaufel haltend.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.3750086,7.6096227,21z - https://www.google.de/maps/@50.3750086,7.6096227,41m/data=!3m1!1e3
Familie von Nell auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Nell_(Adelsgeschlecht)
Adelsakten des österreichischen Staatsarchivs:
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=2539140 und https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=2539141 - https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=4325837
Werner Switil: Familienchronik der von Nell, auf Geneanet:
https://gw.geneanet.org/kvonnell?lang=de&m=NOTES - kopierter Inhalt aus der nächsten Quelle
Günther Molz: Die Familie von Nell im Trierer Land, in: Jahrbuch zur Information und Unterhaltung Kreis Trier-Saarburg 1978, hrsg. von der Kreisverwaltung Trier-Saarburg, online hier:
http://www.der-neuendorfer.de/geschichte1.htm
Elke Kastor: Sonderheiten in Koblenz Neuendorf:
http://www.der-neuendorfer.de/geschichte2.htm
Willi Gabrich: Erläuterung zu den Straßen- und Platzbenennungen, Von-Nell-Gasse
www.koblenz.de/downloads/aemter-und-eigenbetriebe/amt-fuer-stadtvermessung-und-bodenmanagement/erlaeuterung-von-nell-gasse.pdf
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz, Band 3.3, Stadt Koblenz, Stadtteile, bearbeitet von Ulrike Weber, Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 2013, ISBN: 978-3-88462-35-9, S. 250-252

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