Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2853
Boßweiler (zu Quirnheim, Landkreis Bad Dürkheim)

St. Oswald in Boßweiler

Der zu Quirnheim gehörende winzige Ortsteil Boßweiler liegt auf halber Höhe zwischen Ebertsheim und Quirnheim. Die in exponierter Lage am südwestlichen Ortsrand gelegene und weithin sichtbare Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Oswald ist das bedeutendste Kulturdenkmal in dem kleinen Ortsteil. Am Gebäude kann man die zweiphasige Baugeschichte insofern gut ablesen, als auf der Ostseite der polygonale Chor der gotischen, von Westen nach Osten orientierten Kapelle herausragt, während die größere barocke Kirche aus der Zeit von 1700-1707 von Norden nach Süden ausgerichtet ist und den alten Chor zur Seitenkapelle degradiert, während der neue Chor des spätbarocken Saalbaus nach Süden weist. Die nach Norden gerichtete Fassade mit dem Hauptportal ist spitzgiebelig und besitzt Figurennischen. Der von Architekt Hans Fischer erbaute Glockenturm steht etwas abseits im Westen und wurde erst nach 1945 errichtet.

1671/1672 bekam Quirinus Merz (-1695), Kanzler des Mainzer Fürstbischofs Lothar Friedrich von Metternich (reg. 1652-1675), die Ortschaften Boßweiler (frühere Schreibweise: Bosweiler) und Quirnheim zu Lehen. Zum Territorium gehörten neben den beiden genannten Hauptorten mit den Rittergütern Quirnheimerhof, Hertlingshäuserhof, Hofgut Bosweiler und Alter Lungenfelderhof in Neuleiningen noch die Gutshöfe Neuhäuschen und Göbelshaus, das koldersche Hofgut in Neuleiningen und die lungenfeldschen Besitzungen in Grünstadt. Es handelte sich um ein gemischtes Lehen, das den Grafen von Leiningen, der Kirche und der Kurpfalz gehörte, kombiniert mit Allodialeigentum. Quirnheim war vollständig Besitz der Grafen von Leiningen-Westerburg und ein Lehen. Boßweiler war zu Hälfte Eigentum der Leininger und ein gemischtes Lehen. Einiges scheint auch erst Lehen bzw. Pfand gewesen zu sein und dann durch Verrechnung von Schulden Allodialgut geworden zu sein. Die Besitzverhältnisse sind undurchsichtig und kompliziert, es scheint Übergänge gegeben zu haben; die Literatur dazu ist widersprüchlich, aber dafür, daß es eine reichsunmittelbare Herrschaft war, gibt es keine Belege. Die Wahrnehmung als Herrschaft scheint einerseits daher zu rühren, daß nach dem Einmarsch der französischen Revolutionstruppen in die linksrheinischen Territorien in den bayerischen Akten Quirnheim und Bosweiler als ehemalige bzw. verlorene Baronie gelistet wurden, und sie scheint sich andererseits auf das Allodium zu stützen. Deshalb sprechen wir besser von der Herrschaft über Quirnheim und Bosweiler als von einer Herrschaft Quirnheim und Bosweiler.

Quirinus Merz wurde 1651 zum fürstbischöflichen Geheimrat in Speyer und am 28 11.1661 zum Kanzler ernannt. Was der Fürstbischof ihm besonders dankte, war seine Mitwirkung an der Zurückholung des Grafen Ludwig Eberhard von Leiningen-Westerburg (1624-1688) zur katholischen Konfession. Die kirchlichen Lehen waren Belohnung für diesen Einsatz, und der Graf von Leiningen zog mit, um ein Gesamtpaket für den Begünstigten zu schnüren. Quirinus Merz erhielt 1673/1674 entsprechende Lehensverträge für die neuen Besitzungen. Am 1.6.1675 wurde er vom Kaiser Leopold I. unter dem Namen Merz von Quirnheim in den alten Ritterstand für das Reich und die Erblande erhoben. Er erhielt das privilegium denominandi, also das Recht, sich nach seinen Besitzungen zu nennen, Schutz und Schirm, die Salva Guardia, wurde also unter den Schutz des Kaisers und des Reiches gestellt, womit einige Privilegien verbunden waren, und die exemptio, die Befreiung von bürgerlichen Ämtern, Pflichten und Gerichten (österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 273.51).

Sein Sohn Johann Wilhelm Merz von Quirnheim, Rat und Kanzler des ritterlichen St. Johanns-Ordens in deutschen Landen, bekam am 14.2.1685 das Palatinat ad personam sowie den Titel eines kaiserlichen Rats ad personam (österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 273.52). Er ließ den barocken Neubau der Boßweilerer Kirche veranlassen; die Bauinschrift unter dem Wappen lautet: "JOAN(NES): WILH(ELMUS). MERZ: / QUIRNHEIM. D(OMIN)US. IN BOSWEILER ET S(ACRI). R(OMANI). J(MPERII). / EQUES: E(MINENTISSI)MI. ELEC(TORIS). MOG(UNTINI oder -UNTIAE). S(ECRETUS). CON(SILIARIUS). ANNO 1707" = Johann Wilhelm Merz von Quirnheim Herr zu Boßweiler und des Heiligen Römischen Reichs Ritter, des herausragendsten Kurfürsten zu Mainz Geheimer Rat, im Jahre 1707.

Sein Wappen, das der am 1.6.1675 von Kaiser Leopold I. verliehenen Form entspricht, ist geviert, Feld 1: gespalten, rechts silbern-blau gespalten und zweimal geteilt, links in Gold ein gekrönter, goldenbewehrter, schwarzer halber Adler am Spalt, Feld 2: in Blau ein doppelschwänziger goldener Löwe, Feld 3: in Rot einwärts ein doppelschwänziger silberner Löwe, Feld 4: gespalten, rechts in Gold ein gekrönter, goldenbewehrter, schwarzer halber Adler am Spalt, links blau-silbern gespalten und zweimal geteilt, also spiegelbildlich zu Feld 1. Vermutlich handelt es sich bei dem Löwen im blauen Feld um das Stammwappen der Familie, das sie früher als bürgerliches Rats- und Patriziergeschlecht geführt hatte.

Hier am Portal wird kein Oberwappen verwendet. Das wäre: Zwei gekrönte Helme, Helm 1 (rechts): zu schwarz-goldenen Decken zwischen einem rechts blau-silbern, links golden-schwarz geteilten Flug oben ein schwarzer Doppeladler mit Kaiserkrone, Helm 2 (links): zu blau-silbernen Decken ein wachsender, goldener Löwe, der ein silbern-blau geteiltes und zweimal gespaltenes Banner an einer goldenen Lanze in den Pranken hält. Dazu werden als Schildhalter zwei ebensolche goldenen, gekrönten, widersehenden Löwen geführt, die genau so ein Banner schräg nach außen halten. Das Wappen wird in den Tyroffschen Wappenbüchern abgebildet und im Siebmacher Band: Bay Seite: 97 Tafel: 115 behandelt. Die Gemeinde Quirnheim hat übrigens Feld 1 und 2 des Schildes in ihr Kommunalwappen übernommen, aber in der unteren Schildhälfte in Silber ein blaues Hufeisen hinzugefügt.

Die Familie hatte ihr Schloß auf dem Rittergut in Quirnheim, nicht in Boßweiler. Dennoch baute sie ihre Kirche hier und nicht beim Schloß, und das hatte konfessionelle Gründe: Die alte Quirnheimer Schloßkirche mit dem romanischen Turm und dem gotischen Schiff war und blieb protestantisch wie die Bevölkerung. Deshalb wählte die katholische Familie die kleine Wallfahrtskapelle in Boßweiler, in welcher der Pest- und Viehpatron St. Oswald von England Objekt der Verehrung war, ein im 7. Jh. regierender König des angelsächsischen Königreiches Northumbria, der hier vermittels einer Schädelreliquie verehrt wurde. Diese Kapelle wurde nun von Johannes Wilhelm Merz von Quirnheim (1652-1718) zur familienbezogenen katholischen Kirche und Grablege (unzugänglich) ausgebaut. Tatsächlich lebte er aber wie sein Vater die meiste Zeit in Mainz.

An und in der Kirche gibt es viermal das Wappen der Merz von Quirnheim, einmal monochrom außen über dem Kirchenportal, einmal farbig innen an der Decke mit zwei Helmen und zwei Schildhaltern (mit zahlreichen Abweichungen im Detail im Vergleich zum Diplom), einmal nur als Schild in Farbe am Hochaltar und einmal an einem Metall-Epitaph in der Familiengrablege. Es existiert kein Adelsdiplom, das die Erhebung der Familie in den Reichsfreiherrenstand belegt. Seit 1699 werden Familienmitglieder in Urkunden unbeanstandet als Freiherr bezeichnet, vermutlich wegen der mittlerweile teilweise ins Allod übergegangenen Besitzungen. Mit der Erbschaft der Familie Freins (siehe Genealogie) wurden die Merz von Quirnheim dänische Barone.

In der Grablege sind neben dem Erbauer der barocken Kirche noch folgende Personen begraben: Maria Franziska Salome Merz von Quirnheim (1700-1745), Karl Joseph Merz von Quirnheim (1715-1748), Maria Dorothea geb. von Pfeil (1676-1749), Friedrich Adolf Joseph Merz von Quirnheim (1777), Maria Susanna Josepha geb. von Lasser (1746-1777), Karl Heinrich Merz von Quirnheim (1739-1784), Maria Karoline Wilhelmina geb. Grisheim (1715-1791), Karl Ludwig Merz von Quirnheim (1742-1794), Maria Franziska geb. Seiler (1733-1795), Karl Joseph Merz von Quirnheim (1747-1802), Wilhelmina Merz von Quirnheim (1805) und Georg Oswald Merz von Quirnheim (1812). Außerdem wird hier des Obersten im Generalstab Albrecht Ritter Merz von Quirnheim (25.3.1905-20.7.1944) gedacht. Diese Personen sind auf dem genannten neuzeitlichen Metall-Epitaph verzeichnet.

Die Herrschaft über Bosweiler und Quirnheim bestand bis zur Eroberung durch die Franzosen 1797. Dann verlor die Familie ihre Lehen, ihr Allod und ihre adeligen Rechte und Titel. Die Familie Merz von Quirnheim wurde enteignet und floh teilweise nach Franken, ein anderer Teil blieb vor Ort. Karl Joseph Heinrich Merz von Quirnheim (16.2.1747-9.2.1802), der Enkel des Kirchenerbauers, war der letzte Herr auf Quirnheim. Nachdem die Pfalz an Bayern gekommen war, führte sein Sohn, Karl Albert Heinrich Merz von Quirnheim (29.9.1774-18.11.1857), Generalmajor in der königlich-bayerischen Armee, 1805 zusammen mit seinem Bruder einen Prozeß zur Entschädigung für die während der Franzosenzeit enteigneten Allodialgüter, und später noch einen weiteren Prozeß mit dem Ziel entweder der Wiedergewährung der Ländereien oder Entschädigung, beides vergeblich, beide Prozesse wurden verloren. In Bayern wurde Mitglieder der Familie 1820 und 1839 in der Ritterklasse immatrikuliert, wobei auch der Schild wie oben beschrieben eingetragen wurde.

Die Kirche St. Oswald gehört heute zur Pfarrei hl. Elisabeth Grünstadt. In Quirnheim selbst ist das Wappen auf einem Relief mit einer Kreuzaufrichtungsszene am oberen Rand noch erkennbar erhalten; das Relief ist als Spolie in ein modernes Haus eingemauert. Ein weiteres Relieffragment befindet sich in Quirnheim an einer Scheune.

Zur Genealogie des Bauherrn (fett hervorgehoben):

Zur Ergänzung die Genealogie des Widerstandskämpfers aus der Familie:

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.5746819,8.1193222,19.04z - https://www.google.de/maps/@49.5747157,8.1195075,61m/data=!3m1!1e3
Boßweiler auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Boßweiler
Herrschaft Bosweiler und Quirnheim auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Herrschaft_Bosweiler_und_Quirnheim
Liste der Kulturdenkmäler in Quirnheim:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kulturdenkmäler_in_Quirnheim
Familie Merz von Quirnheim auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Merz_von_Quirnheim_(Adelsgeschlecht)
österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 273.51
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=2535730
österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 273.52
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=2535732
Quirin Merz von Quirnheim auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Quirin_Merz_von_Quirnheim
Johann Merz von Quirnheim auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Merz_von_Quirnheim
Karl Joseph Merz von Quirnheim auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Joseph_Merz_von_Quirnheim
Albert Merz von Quirnheim auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Merz_von_Quirnheim

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