Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2968
Stadtschwarzach (Landkreis Schweinfurt, Unterfranken)

Das ehemalige Pflegerhaus in Grafenrheinfeld

Zusammen mit Bergrheinfeld, Röthlein und Oberndorf bildete Grafenrheinfeld im Mittelalter dem Ort Rheinfeld. Ursprünglich handelte es sich vermutlich um ein Königsgut, denn König Karlmann schenkte 741 dem Hochstift Würzburg die als Fiskalzehnten von Rheinfeld zu leistenden Steuern, und König Arnulf übertrug dem Hochstift im Jahre 889 die örtliche Kirche, die Basilika St. Stephan. Im 10. und 11. Jh. waren die Grafen von Schweinfurt Besitzer von Rheinfeld, dann folgten die Grafen von Henneberg, die Grafen von Castell und die Grafen von Rieneck. Graf Gerhard von Rieneck verkaufte die Orte Grafenrheinfeld und Röthlein im Jahre 1179 an das Würzburger Domkapitel, das die Dorfherrschaft bis zur Säkularisation 1803 innehatte und ein Zentgericht bildete; die hohe Gerichtsbarkeit lag beim Hochstift Würzburg. Es gab nur eine kurze Unterbrechung in der Dorfherrschaft, als König Gustav Adolf von Schweden im Dreißigjährigen Krieg Grafenrheinfeld zusammen mit 18 anderen Ortschaften der Stadt Schweinfurt geschenkt hatte, damit die von ihm protegierte und protestantisch positionierte Stadt daraus Einnahmen generieren konnte. Nachdem sich das Kriegsglück gewendet hatte und die Kaiserlichen Schweinfurt besetzten, mußten alle "Geschenke" zurückgegeben werden, und Grafenrheinfeld kam wieder an das Würzburger Domkapitel.

Seitlich der Durchgangsstraße, der heutigen Hauptstraße, entstand aus einer mittelalterlichen Kirchenburg nach und nach während des 17. und 18. Jh. das um die Kirche gruppierte geistliche Herrschaftszentrum des Ortes. Hier entstanden zunächst das Pflegerhaus im Westen und die Amtsvogtei im Osten, noch der späten Renaissance verhaftet, dann wurde im 18. Jh. die Kirche komplett neu errichtet, etwas schräg nach Süden ausgerichtet, so daß die hohe Nordgiebelfassade den Vorplatz beherrscht. Das Benefiziatenhaus und die Amtsschreiberei wurden im Osten der Kirche errichtet, Brauhaus und Schulhaus mit Lehrerwohnung und Stallung (1774) entstanden im Westen der Kirche, so daß die Südseite des sich immer stärker herausbildenden Platzes mit weiteren Gebäuden mit wichtigen Funktionen geschlossen wurde und der Ortsmittelpunkt zu einem einzigartigen Rokoko-Ensemble heranwuchs.

Grafenrheinfeld wurde im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört. Eigentlich sollte von den Bomberflotten Schweinfurt mit seiner Kugellagerindustrie vollständig vernichtet werden, doch durch Ablenkung traf es die Dörfer wie Grafenrheinfeld, das durch den entstandenen Feuersturm zu 80 % zerstört wurde. Deshalb gibt es nur wenige historische Bauwerke.

 

Eines dieser Häuser am Ensemble Kirchplatz ist das ehemaliges Pflegerhaus (Hauptstraße 5) nordwestlich der Kirche, eines der ältesten historischen Gebäude der Gemeinde. Es handelt sich um einen zweigeschossigen Satteldachbau aus dem 16./17. Jh. mit einem Stufengiebel im Süden, mit einem auf Eck gestellten, viereckigem Erker am Nordosteck und mit einem rückwärtigen, zum Kirchplatz gerichteten polygonalen Treppenturm. Das Obergeschoß ist teilweise in Fachwerk ausgeführt. Um 1550 wurde das Haus als Sitz des Pflegers erbaut. Später nutzte man es als Rathaus der Gemeinde und als Gemeindewirtshaus. Um 1800 wurde es Eigentum der Brauerei in Poppenhausen. In dem Anwesen befindet sich heute eine Pizzeria ("Ai Due Galli"), seit 1986 von der Familie Marcato geführt.

Am achteckigen Treppenturm ist unterhalb des Fensters des Obergeschosses eine Wappentafel im Stil der Renaissance angebracht, die das Vollwappen des Herzogtums zu Franken trägt, den "Fränkischen Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein Paar Büffelhörner, eigentlich jeweils im Spitzenschnitt rot-silbern geteilt (letzteres ist hier nicht oder nicht mehr aufgelöst). Der Dorfherr war aber nicht der Fürstbischof, deshalb fehlen typische Komponenten, sondern das Wappen verweist in seiner alleinigen Verwendung auf das Würzburger Domkapitel. Das Wappen ist in einen Rundbogen eingepaßt und wird von zwei Karyatiden flankiert, die am Übergang zwischen den wachsenden Frauenrümpfen und dem konisch sich nach oben verbreiternden Unterteil noch zusätzlich mit einer Maske belegt sind. Darunter befindet sich ein leeres Feld, das vermutlich einmal für eine Inschrift vorgesehen war, flankiert von zwei Konsolen mit Löwenmasken mit Ring in der Schnauze. Der von zwei Kugeln beseitete und von zwei S-förmigen Voluten begrenzte Aufsatz trägt ein leeres Medaillon.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.0018072,10.1987221,20z - https://www.google.de/maps/@50.0018072,10.1987221,83m/data=!3m1!1e3
Liste der Baudenkmäler:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Grafenrheinfeld
Pizzeria Ai Due Galli:
https://www.ai-due-galli.de - https://www.ai-due-galli.de/unserlokal.html
Peter Hofmann: Schweinfurtführer:
https://www.schweinfurtfuehrer.de/stadtrandgemeinden/grafenrheinfeld/

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