Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2975
Würzburg (Unterfranken)

Ringpark und Klein-Nizza: Reste rechtsmainischer Festungstore

Während linksmainisch noch barocke Festungstore und Wallmauern vorhanden sind und in einem separaten Kapitel beschrieben werden, wurden diese rechtsmainisch größtenteils abgerissen. Rechtsmainisch sind nur zwei von 19 Bastionswerken erhalten, und von den einst vier Toren steht kein einziges mehr. Glücklicherweise rettete man beim Abbruch einige wertvolle Wappenreliefs, von denen drei im Ringpark und in Klein-Nizza sekundär aufgestellt sind, nicht mehr im ursprünglichen Kontext und auch nicht an der ursprünglichen Stelle, doch so blieben sie erhalten und zugänglich. Aber auch hier hat man nur von zweien der abgebrochenen vier Tore die Wappensteine im Ringpark aufgestellt, die anderen sind verloren.

Das barocke Bastionssystem begann im Südwesten am Ufer des Mains mit einer Halbbastion (Nr. 1, Bastion St. Johann Evangelist), dann folgte eine Grabenschere (Nr. 2), auf Bastion Nr.3 (Bastion St. Christoph, früher Philippus) mit dem Sander Tor an der Seite folgte wieder eine Grabenschere (Nr. 4), auf Bastion Nr. 5 (Bastion St. Franziscus) eine dritte Grabenschere (Nr. 6) und ein Redan (Nr. 7). Zur Erklärung: Eine Bastion ist ein pfeilförmig aus dem Festungswall vorspringendes Verteidigungswerk, meist fünfeckig, oft mit zwei Verteidigungsebenen, ein Redan ist ein ausspringender Winkel einer Verschanzung, und eine Grabenschere ist ein der Kurtine vorgelagerter niedriger Wall mit Brustwehr, der zwischen zwei Bastionen frei positioniert ist. Diese Zwischenschanzen gab es nur im Süden. Nun folgten im Gegenuhrzeigersinn die Bastionen Nr. 8 (Bastion St. Afra), Nr. 9 (Bastion St. Georg, früher Carolus), Nr. 10 (Bastion St. Michael, früher Fridericus) aufeinander, ehe es wieder ein Tor gab, das Rennweger Tor. Drei weitere Bastionen folgten dann aufeinander, Nr. 11 (Bastion Hutten, früher Schönborn), Nr. 12 (Bastion Karthäuser, früher Johann Kurfürst) und Nr. 13 (Bastion St. Aquilin, früher Philipp Kurfürst), dann kam das dritte Tor, das Neutor. Im Nordosten und Norden folgten jetzt bis zum nächsten Tor ganze sechs Bastionen aufeinander, Nr. 14 (Bastion Leopoldus, früher St. Bruno), Nr. 15 (Bastion St. Johann Baptist, auch Josephus), Nr. 16 (Bastion Karl VI.), Nr. 17 (Bastion Julius) und Nr. 18 (Bastion Guttenberg). Auf das vierte und letzte Tor, das Pleichacher Tor, folgte wiederum eine Halbbastion am Mainufer (Nr. 19, Bastion Gottfried).

Am Schönbornbrunnen, einem hoher Felsenbrunnen mit teichartigem Wasserbecken im Ringpark (Klein-Nizza), wurde das Wappen von Fürstbischof Johann Philipp von Schönborn eingebaut, das sich früher am 1656-1658 errichteten Pleichacher Tor (Pleicher Tor) an der heutigen Pleichertorstraße befand, das 1880 abgebrochen wurde. Dieses Tor stand einst im Norden der Stadt, es lag in der Kurtine zwischen den beiden letzten Bastionen des Festungsgürtels, zwischen der direkt am Mainufer (Nr. 19, Halbbastion Gottfried) und der daneben, die genau nach Norden gerichtet war (Nr. 18, Bastion Guttenberg). Es war ein Kurtinentor und daher möglicherweise direktem Beschuß ausgesetzt. Deswegen war die Tordurchfahrt gekrümmt; stadtseitig verließ man das Tor in Richtung Mainufer. Landseitig verließ man das Tor über eine sechsbogige Brücke, die sowohl durch eine Zugbrücke als auch durch eine Wipp- und Schlagbrücke unterbrochen werden konnte. Beiderseits des Tores befanden sich Kasematten. In der Mitte des Torweges gab es ein Fallgatter, das von einem auf den Wall gesetzten Schutzbau aus bedient werden konnte. Der Wappenstein wurde 1659 von Johann Philipp Preuß angefertigt. Der Stein wurde erst im Husarenwäldchen östlich des Rosenbach-Palais aufgestellt und später für diesen Brunnen verwendet.

Heute ist der Wappenstein in einen künstlichen Felsen aus Kalkbruchstein integriert, der von Efeu überwuchert wird und am Ufer des kleinen Sees (Ententeich) unter hohen Bäumen steht. Die beiden liegenden Löwen flankieren unten den Wasseraustritt mit der bemoosten Steinkaskade. Man findet dieses Relikt im Bereich Klein-Nizza im Osten der Residenz vor der Kurtine genau in der Mitte zwischen den beiden dort erhaltenen Bastionen (Nr. 9, Bastion St. Georg, früher Carolus, und Nr. 10, Bastion St. Michael, früher Fridericus), quasi in Verlängerung der Residenzgaststätte und des Hauptweges durch den Hofgarten nach Ostsüdosten, aber jenseits der Mauer. Da es hier keinen Durchgang gibt, muß man die Stelle außenherum über den Rennweg und den Ringpark erreichen.

Das aus rotem Sandstein gehauene Wappen besitzt eine Form, wie sie vor 1663 in Gebrauch war. Der Schild ist geviert mit Herzschild: Feld 1 und 4: in Rot ein silbernes sechsspeichiges Rad, Erzstift Mainz, Feld 2: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Herzogtum zu Franken, Feld 4: "Rennfähnlein" = in Blau eine rot-silbern gevierte und an den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte, schräggestellte Standarte mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg, Herzschild: in Rot auf drei silbernen Spitzen ein schreitender goldener Löwe mit blauer Krone, Stammwappen der Grafen von Schönborn. Dazu sieht man den mit Hermelin aufgeschlagenen Ranghut und Schwert sowie Krummstab hinter dem Schild schräggekreuzt.

 

Ebenfalls im Park Klein-Nizza zu finden ist der Erthal-Brunnen mit dem Wappen des Fürstbischofs Franz Ludwig von Erthal (reg. 1779-1795). Er ist ca. 155 m Luftlinie vom Schönborn entfernt in Richtung Nordosten. Er befindet sich in Verlängerung der Bastionsspitze genau östlich der Residenz, in Verlängerung der Mittelachse durch Residenz und Residenzgarten, in der Mitte zwischen Bastionsmauer und Friedrich-Ebert-Ring. Der Brunnen steht nicht direkt am Hauptweg, sondern etwas verborgen im Wäldchen am Beginn eines kleines künstlichen Baches, der im Klein-Nizza-Teich mündet. Ein kleiner Trampelpfad führt unter Bäumen und Sträuchern dorthin. Der Wappenstein wurde auf ein Podest aus Kalkbruchsteinen gestellt und ist durch die hohe Feuchtigkeit des Ortes von grünen Algen überzogen.

Früher befand sich dieser Wappenstein im Giebeldreieck des Sander Tores auf der Feldseite. Dieses Tor in der Seitenflanke der betreffenden südlichen fünfeckigen Bastion (Nr. 3, Bastion St. Christoph, früher Philippus), das ein älteres Tor ersetzte, wurde 1780-1783 erbaut und 1898 abgebrochen. Im Gegensatz zu allen anderen Toren lag es so, daß es nicht direkt aus größerer Entfernung beschossen werden konnte, nämlich seitlich mit dem Gesicht zum Main. Eine Zerstörung durch Kanonenbeschuß war deshalb äußerst unwahrscheinlich. Die Tordurchfahrt konnte deshalb gerade gehalten werden, dafür krümmt sich die Straße nach Verlassen des Tores stadteinwärts. Aber auch dieses Tor war nur über eine große Grabenbrücke zu erreichen, die zweimal unterbrochen war.

Heute stehen an der ehemaligen Torposition die Häuser Tiepolostraße 4a und 17. Nur diesen Wappenstein rettete man beim Abriß. Früher wurde das Wappen noch von zwei Löwen als Schildhaltern begleitet, die fehlen. Die Torblende des Sandertors war mit kräftiger Bänder-Rustika gestaltet, mit einer grotesken Maske auf dem Keilstein. Der Giebel war mit drei Kugeln auf kleinen Podesten geschmückt. Auf dem Wall gab es zwei Aufbauten, ein Postenhäuschen und ein Gehäuse für die Winde des Fallgatters. Die Tordurchfahrt war beiderseits von einer Kasematte flankiert. Der Wappenstein entstand 1781 und ist eine Arbeit von Hofbildhauer Johann Peter Wagner (1730-1809). Auch die Innenseite (Stadtseite) des Tores hatte einen ähnlichen Schmuck, der aber die verschlungenen Initialen des Fürstbischofs und keine heraldischen Inhalte trug. Zwischen der Fertigstellung dieses letzten Tores und der des oben erwähnten Pleichacher Tores lagen 124 Jahre.

Das Wappen ist geviert mit wiederum geviertem Herzschild, Hauptschild: Feld 1 und 4: in Gold ein rotbewehrter und rotgezungter, schwarzer Löwe, überdeckt von einer silbernen Schrägleiste, Hochstift Bamberg, Feld 2: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Herzogtum zu Franken, Feld 3: "Rennfähnlein" = in Blau eine rot-silbern gevierte, schräggestellte und an den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte Standarte mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg, Herzschild: Stammwappen der von Erthal, geviert, Feld 1 und 4: in Rot zwei silberne Balken, Feld 2 und 3: ledig und blau. Auf dem oberen Rand sind übereinander der Herzogshut für das Herzogtum zu Franken und darüber die Kaiserkrone für das kaiserliche Hochstift Bamberg angebracht. Von den fürstbischöflichen Insignien ist schrägrechts der Griff des Schwertes noch gut zu erkennen.

 

Im Ringpark gibt es noch einen dritten Wappenstein, das Hutten-Denkmal. Dieses befindet sich im südlichen Ringpark, im westlichen Sanderglacis. Den Stein findet man am Nordrand nahe einer Treppe, genau dort, wo die Lindahlstraße in den Sanderring einmündet. Dieser Wappenstein hat als Eigentümlichkeit, daß er janusköpfig ist, also auf beiden Seiten ein Relief hat und sowohl vorne als auch hinten das Wappen von Fürstbischof Christoph Franz von Hutten (reg. 1724-1729) trägt. Das schließt eine frühere Fassadenbefestigung aus, vielmehr stand dieser Wappenstein frei auf einem Pfeiler vor dem Sander Tor, nicht weit entfernt von seiner heutigen Position. Nach dem Abriß des Tores kam der Wappenstein erst einmal auf das Gartengelände des Fraunhofer ISC am Neunerplatz. 1992 hatte der Verschönerungsverein Würzburg die gute Idee, den Stein im Ringpark aufzustellen, was nach Renovierung geschah.

 

Das Wappen ist geviert, Feld 1: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Herzogtum zu Franken, Feld 2 und 3: in Rot zwei goldene Schrägbalken, Stammwappen der von Hutten, Feld 4: "Rennfähnlein" = in Blau eine rot-silbern gevierte, schräggestellte und an den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte Standarte mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg. Das Wappen wird von einem mit Hermelin aufgeschlagenen Herzogshut bekrönt. Krummstab und Schwert sind nicht erhalten. Das Fundament des Steines bilden Trophäen: Kanonenrohre, Mörser, Kanonenkugeln, schräg aufragende Lanzen, Stabbündel, Trommeln und Kesselpauken erinnern an damals geführte Kriege.

An den verschwundenen Bastionen und Stadttoren gab es früher noch mehr Wappen: Ein weiteres Wappen des Fürstbischofs Johann Philipp von Schönborn befand sich früher am 1668 erbauten Neutor in der Kurtine zwischen Bastion Nr. 13 (Bastion St. Aquilin, früher Philipp Kurfürst) und Nr. 14 (Bastion Leopoldus, früher St. Bruno, Neutorstraße). Ein Wappen des Fürstbischofs Johann Hartmann von Rosenbach war früher am 1673 erbauten Rennweger Tor in der Kurtine zwischen den Bastionen Nr. 11 (Bastion Hutten, früher Schönborn) und Nr. 10 (Bastion St. Michael, früher Fridericus) angebracht, etwa gegenüber dem nördlichen Hofgarteneingang. Beide existieren nicht mehr. Wie viele Wappen dazu noch an den steinernen Bastionswällen angebracht waren, läßt sich nicht mehr feststellen, möglicherweise waren sie ebenso großzügig damit ausgestattet wie die Bastionen der Festung Marienberg; eine diesbezügliche Dokumentation existiert anscheinend nicht.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: 1.) Schönbornbrunnen: https://www.google.de/maps/@49.7913315,9.9402223,19z - https://www.google.de/maps/@49.7913315,9.9402223,165m/data=!3m1!1e3, 2.) Erthalbrunnen: https://www.google.de/maps/@49.7918858,9.9422021,20z - https://www.google.de/maps/@49.7918858,9.9422021,83m/data=!3m1!1e3, 3.) Hutten-Denkmal: https://www.google.de/maps/@49.7864197,9.9300781,19z - https://www.google.de/maps/@49.7864269,9.9301122,60m/data=!3m1!1e3
Sander Tor im Würzburg-Wiki:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Sander_Tor
Erthal-Brunnen im Würzburg-Wiki:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Erthal-Brunnen
Pleichacher Tor im Würzburg-Wiki:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Pleichacher_Tor
Schönbornbrunnen im Würzburg-Wiki:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Schönbornbrunnen
Hutten-Denkmal im Würzburg-Wiki:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Hutten-Denkmal
Würzburg - die Stadtbefestigung:
https://www.stadtbild-deutschland.org/forum/index.php?thread/7023-würzburg-die-stadtbefestigung/
Die Stadtmauer von Würzburg im Würzburg-Wiki:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Stadtmauer
Franz Seberich: Die Stadtbefestigung Würzburgs II, Mainfränkische Hefte Nr. 40, hrsg. von dem Verein Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e. V., Würzburg, 1963
Ulrich Wagner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Würzburg, 4 Bde., Theiss, Stuttgart 2001-2007

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