Besondere Motive: Das Nesselblatt

Das Nesselblatt bezeichnet einen dreieckig geformten Schildinhalt mit gezacktem Rand und rhombenartig ausgezogenen Ecken. Die Anzahl der Zacken ist nicht festgelegt, gewöhnlich wird es mit 3-4 Zacken an den Dreiecksseiten dargestellt. Varianten sind möglich, insbesondere die Ecken können nagelartig zur Herzstelle ausgezogen werden.

Als Deutung gilt das stilisierte Blatt der Brennessel. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, daß das Nesselblatt eine volkstümliche Benennung dieser Figur ist, was aufgrund der Wehrhaftigkeit durch die Brennhaare nachvollziehbar ist, die Figur aber eigentlich von einer vorheraldischen auf der hölzernen Schildfläche angebrachten metallenen oder ledernen Schildverstärkung oder umlaufenden gezackten Schildeinfassung abgeleitet ist, die im nachhinein heraldische Bedeutung erlangte.

Dazu paßt, daß das Nesselblatt von vielen Heraldikern nicht als gemeine Figur, die es in seiner Eigenschaft als Teil einer Pflanze wäre, sondern aufgrund seiner klaren Form, seines hohen Abstraktionsgrades und seiner bordartigen Restfläche als Heroldsbild angesehen wird.

Die Interpretation der Figur als zackiger Schildrand wird ferner durch die Beobachtung erhärtet, daß sich in 2 geistlichen Siegeln des Geschlechts derer von Schaumburg Siegelfelder mit zackigem Rand nachweisen lassen.

Alternative spekulative Deutungen, die bis zum Ilexblatt reichen, sind in Umlauf, können aber genauso wenig belegt werden wie die Theorie, daß sich der Name vom Nesselberg/Nettelnberg in der Nähe des Stammsitzes der Schauenburger im Wesertal bei Rinteln ableitet. Dagegen spricht, daß das Geschlecht derer von Schaumburg, die berühmtesten Träger eines Nesselblattes, dieses erst annahmen, als sie Herren von Holstein wurden, denn vorher führten sie einen Löwen. Im Jahre 1111 wurden die Grafen von Schauenburg mit Holstein belehnt, zuerst wurde das Nesselblatt von Adolf IV. geführt, der 1227 die Dänen bei Bornhöved besiegte, neben seinem bisherigen Löwenwappen. Es ist als Wappensymbol erst ab 1239, sicher ab 1247 nachgewiesen. Seine Nachkommen führten es als alleiniges Wappen weiter. Die Ursachen für den Wappenwechsel sind in der Absicht zu suchen, sich heraldisch deutlich von Dänemark abzugrenzen.

 

Abb.: Zeichnung des Wappens "Holstein" von Otto Hupp für den Münchener Kalender 1900.

Nach dem Aussterben der Schaumburger 1640 wurde ihr Herrschaftsgebiet aufgeteilt. Die Grafschaft Holstein-Pinneberg wurde dem Herzogtum Holstein angegliedert. Der lippische Teil führte nun die Bezeichnung "Grafschaft Schaumburg-Lippe", die Schaumburger Grafen aus lippischem Hause fügten nach 1648 dem Nesselblatt die "Lippische Rose" hinzu, in Silber eine rote fünfblättrige Rose mit goldenem Samen und Kelchblättern.

Heute findet sich das silberne Nesselblatt auf rotem Grund in modifizierter Form, belegt mit gemeinen Figuren oder auf einem kleinen Schildchen in vielen kommunalen Wappen der Städte, Gemeinden und Landkreise der ehemaligen Schaumburger Herrschaftsgebiete, z. B. Kiel (mit schwarzem Boot), Wedel, Bückeburg, Rinteln, Itzehoe, Flensburg, Barmstedt (Teilung und verwechselte Farben), Stadthagen, Kreis Pinneberg, Uetersen, Landkreis Schaumburg (mit blauem Schildbord, Verletzung der Farbregel), Wedel (mit Roland), Bundesland Schleswig-Holstein (im gespaltenen Schild).

Beispiele für das Nesselblatt:

Grafen von Schauenburg, von Schaumburg

In Rot ein silbernes Nesselblatt.

Schaumburg-Lippe

In Rot ein silbernes Nesselblatt, belegt mit einer roten Rose mit goldenem Samen und grünen Kelchblättern

Stadt Kiel

In Rot ein silbernes Nesselblatt, belegt mit einem schwarzen Boot

Literatur, Links und Quellen:
Otto Hupp, Münchener Kalender, Jahrgang 1900, Verlagsanstalt, München und Regensburg, 1900

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