Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 117
Bad Mergentheim und der Deutsche Orden

Der Milchlingsbrunnen in Bad Mergentheim

Auf dem Marktplatz von Bad Mergentheim steht zentral der sog. Milchlingsbrunnen, ein Laufbrunnen mit achteckigem, steinernen Brunnentrog und mittig aufgestelltem Brunnenstock mit vier Röhren. Die Brunnenfigur wird traditionell für den Hochmeister Wolfgang Schutzbar gen. Milchling gehalten, was aber nie belegt wurde und angezweifelt wird; die moderne Forschung geht nicht von einer Identität aus. Trotz des vorherrschenden Deutungsirrtums ist der Brunnen mit seiner Figur ein Wahrzeichen der Stadt. Der Brunnen wurde der Legende zufolge von den Bürgern in dankender Anerkennung dem Mann zu Ehren gebaut, dem sie die erste Wasserleitung verdanken. Der ursprüngliche Brunnen war spätestens 1548 vollendet und stand außerhalb der Marktachse vor dem südlichen Eckgebäude zur Burgstr.-Marktplatz 7, der heutige Brunnen wurde, mit restaurierter Figur und mit einem neuen Becken versehen, 1926 zum Anlaß des 100-jährigen Jubiläums der Entdeckung der Heilquellen und der Anerkennung der Stadt als Heilbad an einer anderen Stelle errichtet. Die Brunnenstatue wurde 2004 restauriert. Der Schild, auf den sich die freistehende Figur stützt, trägt jedenfalls das Hochmeisterwappen von Wolfgang Schutzbar gen. Milchling.

Wolfgang Schutzbar gen. Milchling wurde 1483 in Treis an der Lumda als Sohn von Crafft Schutzbar genannt Milchling aus einem oberhessischen Adelsgeschlecht und seiner Frau Margaretha geb. von Trohes geboren. Seine Deutschordenskarriere begann 1507 mit dem Ordenseintritt, 1525 wurde er Komtur in Griefstedt, 1529-1543 war er Landkomtur in Marburg für die Ballei Hessen. Eine Ballei ist eine Verwaltungseinheit, eine Provinz des Deutschen Ordens, die jeweils aus mehreren Ordensniederlassungen (Kommenden) besteht. Ein Landkomtur ist der Verwaltungschef einer Ballei. 1543 wurde er Hoch- und Deutschmeister, der 39. Hochmeister des Deutschen Ordens. Er blieb es bis 1566. Seine wichtigsten Leistungen sind der Bau des heute noch zu bewundernden Rathauses 1562 und der ersten Wasserleitung für Mergentheim, ausgehend vom Eisenberg, weiterhin verstärkte er in seiner Amtszeit die Mergentheimer Befestigungen.

Das Wappen ist geviert, Feld 1: in Silber ein durchgehendes schwarzes Kreuz (Deutschordenskreuz, für das Deutschmeistertum), Feld 2 und 3: in Silber drei (2:1) mit den Stielen zum Dreipaß verbundene schwarze Lindenblätter (auch als Kugeln oder Herzen dargestellt je nach Darstellung und Quelle, Familienwappen Schutzbar gen. Milchling), Feld 4: in Silber eine goldene Prälatenmütze (Fürstpropstei Ellwangen). Über allem ein Hochmeisterkreuz, ein schwarzes durchgehendes Kreuz, belegt mit einem goldenen Lilienkreuz, ein Herzschild in Gold belegt mit einem schwarzen, einköpfigen Adler.

Für diesen Hochmeister gibt es verschiedene Darstellungen seines Wappens. Eine spätere Variante ist die hier vorliegende mit der Prälatenmütze in Feld 4, eine andere, früher geführte Möglichkeit ist ein weiteres Deutschordenskreuz in Feld 4 analog zu Feld 1. Zur Führung des Wappens der gefürsteten Propstei Ellwangen: 1546 hatte Wolfgang Schutzbar gen. Milchling den Ellwanger Propst Pfalzgraf Heinrich dazu gebracht, zu seinen Gunsten zu resignieren, was durch Dekan Christoph von Westerstetten und das Kapitel des Stifts Ellwangen abgelehnt wurde, worauf es einen Prozeß mit dem Stiftskapitel über die Neubesetzung der Propstei vor der römischen Kurie gab. Am 25.3.1553 wurde festgelegt, daß Wolfgang Schutzbar gen. Milchling lebenslang Titel und Wappen eines Fürstpropsts von Ellwangen führen darf.

Die Schutzbar genannt Milchling sind eigentlich ein hessisches Geschlecht. Der Stammsitz ist das Schloß Burgmilchling bei Treis a. d. Lumde. Im 16. Jh. erst ist die Familie nach Franken gekommen. In Wilhermsdorf (Ämter Wilhermsdorf, Buchklingen und Neuses), wo sie sich ankauften, errichteten sie ihre neue Burg Burgmilchling. 1569 wurden die Schutzbar in den Freiherrenstand erhoben. Die fränkische Linie starb aber schon 1661 aus. Dafür entwickelte sich die sog. Friedrich'sche Linie in Hessen und Westfranken weiter. Sie stellten mehrere Domkapitulare in Würzburg. Neben dem Hochmeister des Deuschen Ordens, Wolfgang Schutzbar gen. Milchling, sind von Bedeutung der gleichnamige Fürstabt von Fulda (1558-1567) und Johann Konrad Schutzbar genannt Milchling, Landkomtur der Ballei Franken zu Ellingen und Nürnberg (gest. 1612).

Das Stammwappen Milchling gen. Schutzbar zeigt in Silber drei (2:1) mit den Stielen zum Dreipaß verbundene schwarze Lindenblätter, Helmzier ein offener silberner Flug, beiderseits mit der Schildfigur belegt. Helmdecken schwarz-silbern. Später führte die Familie Schutzbar gen. Milchling ein vermehrtes Wappen: Geviert, Feld 1 und 4: in Silber drei (2:1) mit den Stielen zum Dreipaß verbundene schwarze Lindenblätter, Feld 2 und 3: in einem mit Sternen besäten Felde ein aus dem linken Rand hervorkommender geharnischter Arm, in der Faust einen Streitkolben haltend, Farben unklar. Helm 1: ein offener silberner Flug, beiderseits mit der Schildfigur belegt, Helm 2: gekrönt, wachsende Frau mit zwei Standarten in den vor dem Körper gehaltenen Händen, rechte Standarte: ein Adler, begleitet von vier Sternen, linke Standarte: ein Krückenkreuz, bewinkelt von kleinen Kreuzchen, Farben unklar. Helmdecken rechts schwarz-silbern, links blau-golden.

Zu Füßen der Figur des Ordensritters ist neben der Jahreszahl 1548 noch ein zweites Wappen angebracht, das aber nicht einem Hochmeister, sondern einem Ordensritter oder Komtur. Das Wappen mit einem Löwen wird von einem Deutschordensschild hinterlegt. Der damalige Komtur von Mergentheim scheidet aus, das war im Jahre 1548 Heinrich von Bobenhausen (in dieser Funktion 1547-1549). Die wenigen vorhandenen Schindeln könnten auf ein Wappen eines Grafen von Nassau hinweisen, vielleicht handelt es sich um Balthasar Graf von Nassau-Wiesbaden-Idstein, Komtur zu Kapfenburg, Verteidiger der Burg Neuhaus und der Stadt Mergentheim im Schmalkaldischen Krieg. Wenn diese Zuordnung zutreffen sollte, wären das Feld blau, die Schindeln und der Löwe golden. Alternative Hinweise zur Identifizierung willkommen.

Literatur, Links und Quellen:
Hans-Georg Böhm: Hochmeisterwappen des Deutschen Ordens 1198-1618, Frankonia Buch 1990, Fränkische Nachrichten Druck- und Verlags-GmbH, Tauberbischofsheim, ISBN 3-924780-15-3
Die Hochmeister der Residenz Mergentheim, Heft 15 der Schriftenreihe der Vereinigung zur Förderung der wissenschaftlichen Erforschung der Geschichte des Deutschen Ordens e.V. und der Historischen Deutschordens-Compagnie Bad Mergentheim e.V., 1997
Anton P. Rahrbach, Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und Geschichte fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag - Die Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4
http://www.heraldique-europeenne.org/Armoriaux/Teutonique/index.html
Markus Numberger, Büro für Bauforschung und Denkmalschutz: Bad Mergentheim, historische Ortsanalyse
https://www.denkmalpflege-bw.de/fileadmin/media/denkmalpflege-bw/......_bad_mergentheim.pdf

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