Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 877
Heusenstamm - Schönborn-Residenz

Heusenstamm: Torbau

Südlich von Schloß und Kirche befindet sich ein eigenartiger Torbau, bei dessen Anblick man sich fragt, ob es eher ein Tor oder ein Triumphbogen ist. Die Hintergründe erzählt die Inschrift: "AVG. IMP. FRANC. I. QVO ELIGEBATVR FILIVS IOSEPHVS IN REGEM ROM. VII. DIERVM TEMPORE HIC HOSPITIS IN HONOREM HANC PORTAM EXSTRVI FECIT FIDEM A. CONS. INT. EVG. ERV. COMES A SCHÖNBORN ANNO MDCCLXIV" - Dem Kaiser Franz I., dessen Sohn Josef zum Römischen König gewählt wurde am 7. Tag der hiesigen Gastfreundschaft, zu Ehren hat dieses Portal Eugen Erwein Graf von Schönborn im Jahre 1764 erbauen lassen.

Der Siebenjährige Krieg (1756-1763) war zu Ende, der Friede von Hubertusburg war am 15.2.1763 zwischen Preußen, Sachsen und Österreich geschlossen worden, und zur Aussöhnung hatte man in geheimen Zusatzartikeln des Friedensvertrages beschlossen, den ältesten Sohn des regierenden Kaisers Franz I. aus dem Hause Habsburg-Lothringen-Toskana, Ehemann von Maria Theresia, zum Römischen König und designierten Deutschen Kaiser zu wählen. Konkret gab der preußische König die Zusage, seine Kurstimme (wegen Brandenburg) für die Wahl vom 27.3.1764 dem Sohn Maria Theresias zu geben und ferner die habsburgische Erbfolge im Herzogtum Modena zu unterstützen.

Da damit praktisch der Ausgang der Wahl 1764 feststand, die Regularien aber erforderten, daß der zu Wählende nicht am Wahlort Frankfurt anwesend ist, wartete man im nahen Heusenstamm auf den Ausgang derselben. Acht Tage lang waren der Kaiser und seine beiden Söhne Josef und Leopold plus Hofstaat Gäste des Grafen Eugen Erwein von Schönborn in Schloß Heusenstamm. Zur Feier dieses Kaiserbesuches wurde 1764 das alte Stadttor niedergerissen und dafür dieser neue Torbau an der Straße nach Frankfurt errichtet.

Vor diesem Hintergrund wird auch klar, warum die Architektur des viergeschossigen Torbaues mehr einem Triumphbogen ähnelt als einem Stadttor. Es sollte niemand draußen gehalten oder abgewehrt werden, sondern im Gegenteil feierlich empfangen und geehrt werden, was das große Format des Tordurchlasses und die mangelnden Schutzeinrichtungen erklärt.

Seit 1853 gehört das Tor der Gemeinde, es war eine Schenkung. Renovierungen erfolgten 1894 und 1960. Nach Abreise des Kaisers mit seinem Gefolge war der Bau eigentlich nur nutzlos und schön. Deshalb wurden in den oberen Stockwerken Wohnungen eingerichtet, sozusagen Sozialwohnungen für die Armen der Gemeinde. Deshalb bedeutet in Heusenstamm die Redensart "auf's Tor kommen" oder "jemanden auf's Tor bringen" die Verarmung einer Person.

Über der Durchfahrt befindet sich das gräflich schönbornsche Wappen, flankiert von zwei Löwen in verschiedenen Haltungen, obendrüber Girlanden. Der Schild wird hier schräg geviert mit "gräflich" gekröntem Herzschild geführt:

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Hartmut Platte: Das Haus Schönborn, Grafen, Fürstbischöfe und Mäzene, Börde-Verlag Werl, 2006, Reihe Deutsche Fürstenhäuser Heft 13, ISBN 3-980 9107-3-3
Ausstellungskatalog "Die Grafen von Schönborn. Kirchenfürsten, Sammler, Mäzene", Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 1989
Das Haus Schönborn:
http://www.schoenborn.de/
http://www.stadt-heusenstamm.de/UnsereStadt/Sehenswuerdigkeiten/tabid/124/ctl/Article/mid/505/ItemId/27/Default.aspx

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