Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1250
Erbach (Odenwald)

Die evangelische Stadtkirche in Erbach

Die barocke, von Bauschreiber Andreas Jörg entworfene und ab 1747 erbaute sowie am 12.7.1750 eingeweihte Stadtkirche steht am Rande der Altstadt, die eine Längsseite entlang der Straße, die andere längs der Mümling. Die drei wappengeschmückten Portale des Putzbaus liegen alle zur Straße (das Innere ist als 30 x 12,30 m großer Quersaal angelegt, der Altar liegt gegenüber der mittleren Tür, vgl. den querorientierten Saalbau als kunstgeschichtliche Idealform protestantischer Predigtkirchen), und die Wappen entsprechen dem Bauherren Georg Wilhelm Graf zu Erbach-Erbach (19.7.1686 - 31.5.1757), Erbauer des heutigen Erbacher Schlosses, sowie seinen beiden Ehefrauen, am linken (nördlichen) Portal seiner ersten Frau Sophia Charlotte Gräfin v. Bothmer zu Radeburg und Rödern (1697 - 14.9.1748) und am rechten (südlicheren) Portal seiner zweiten Ehefrau Leopoldina Sophia Wilhelmina Wildgräfin zu Dhaun u. Kyrburg, Rheingräfin zum Stein, Gräfin zu Salm, Frau zu Vinstingen, Püttlingen u. Dimmringen (17.11.1731 - 28.2.1795). Georg Wilhelm Graf zu Erbach-Erbach residierte seit 1731 in Erbach und bekam bei der Landesteilung 1747 Erbach alleine. So konnte er sich ganz der baulichen Ausschmückung seines Landes widmen, zuerst kam 1736 ff. das Schloß an die Reihe, dann 1747 ff. die Kirche. Die Grundsteinlegung war am 8.8.1747.Von der gotischen, 1370 von Schenk Eberhard VIII. gestifteten und im 16. Jh. umgestalteten Kirche wurde nur der Chorturm (war gleichzeitig Befestigungsturm am Mümlingufer) teilweise verwendet (heute Sakristei), ansonsten handelt es sich um einen weitgehenden Neubau.

Das südliche Turmportal, das zu einer Emporentreppe führt, hat eine ausführliche Bauinschrift in der Segmentbogenverdachung: "DEM DREEINIGEN GOTT ZUR EHRE, DER EVANGELISCH-LUTHERISCHEN RELIGION ZUM DIENSTE UND SICH UND SEINEM VOLKE ZUM TROSTE ERBAUTE DIESEN TEMPEL DER HOCHGEBOHRNE DES HEIL. ROEM. REICHS GRAF UND HERR, HERR GEORG WILHELM REGIERENDER GRAF ZU ERBACH, HERR ZU BREUBERG etc. etc. DER GRUND WURDE DEN XVII AUG 1747 GEGRABEN, DEN XIIII NOV 1748 WURDE AUF DER SPITZE DES LANGHAUSES DEN XII SEPT 1749 AUF DER SPITZE DES THURNS, DEN IIII OCTOB DIESES JAHRS AUF DEM KNOPFE DEM HERRN DER HEERSCHAREN GEDANKET DAS ER DEN BAU GNAEDIG GEFOERDERT UND DIE BAULEUTE MAECHTIG BESCHUEZET DEN XII JUL 1750 WEIHETE MAN DIESES HAUS FROELICH EIN DAS DER NAME GOTTES DASELBST SEYN SOLL EWIGLICH". Außen steht: "SO LAS NUN HERR DEINE AUGEN OFFEN SEYN UEBER DIS HAUS TAG UND NACHT UND DEINE OHREN AUFMERKEN AUFS GEBET AN DIESER STAETTE".

Zu seiner ersten Frau: Sophia Charlotte Gräfin v. Bothmer wurde 1697 in Den Haag geboren, und sie starb am 14.9.1748 in Erbach. Sie ist die Tochter von Johann Caspar Graf v. Bothmer (10.4.1656 - 1732) und Gisela Erdmuthe v. Hoym (- 22.1.1741). In erster Ehe war sie mit Heinrich II. Graf Reuss v. Ober-Greiz (4.2.1696 - 17.11.1722) vermählt, mit ihm hatte sie fünf Kinder, wovon die vier Söhne alle den Namen Heinrich trugen. 1722 verwitwet, heiratete sie in zweiter Ehe Georg Wilhelm Graf zu Erbach-Erbach.

Das Wappen seiner ersten Ehefrau Sophia Charlotte Gräfin v. Bothmer zu Radeburg und Rödern (1697-14.9.1748) in der gesprengten Verdachung aus Voluten über dem pilastergerahmten linken Portal ist wie folgt aufgebaut:

Hier wird die barocke Kartusche von einer Laubkrone bekrönt. Zum Wappen Bothmer in dieser Form gehören theoretisch drei Helme (Helmdecken rechts schwarz-golden oder auch blau-silbern, links rot-golden):

Als Schildhalter zwei widersehende schwarze Wölfe, jeweils ein Panier haltend, rechts mit dem Reichsadler, links rot und ledig, beide mit goldenen Fransen.

Am mittleren Portal, dem Hauptportal, welches dem Altar gegenüber liegt und über dem sich innen die Grafenloge befindet, und das architektonisch durch die Schrägstellung der Pilaster und die Verkröpfung der oben mit der Fensterbank verschmelzenden horizontalen Verdachung an Plastizität gewinnt, befindet sich das Wappen für Georg Wilhelm Graf zu Erbach-Erbach (19.7.1686 - 31.5.1757). Das Wappen der Grafen von Erbach hat hier die seit 1556 geführte Form, das die Erbschaft der halben Herrschaft Breuberg im gevierten Schild berücksichtigt:

Hier wird die barocke Kartusche von einer Laubkrone bekrönt. Zum Wappen der Grafen von Erbach in dieser Form gehört theoretisch als Helmzier ein Paar Büffelhörner, silbern-rot übereck geteilt, dazwischen zwei schräggekreuzte Fähnchen, silbern und mit zwei roten Balken. Decken rot-silbern.

Das Wappen seiner zweiten Frau, Leopoldina Sophia Wilhelmina Wildgräfin zu Dhaun u. Kyrburg, Rheingräfin zum Stein, Gräfin zu Salm, Frau zu Vinstingen, Püttlingen u. Dimmringen (17.11.1731 - 28.2.1795, Tochter von Carl Walrad Wilhelm Wild- und Rheingraf v. Salm-Grumbach (10.10.1701 - 11.7.1763) und Juliane Franziska Leopoldine Theodora v. Prösing und Limpurg (15.2.1709 - 13.12.1775)), ist hier abweichend von der üblichen Reihenfolge mit vertauschten Feldern wie folgt aufgebaut:

Hier wird die barocke Kartusche von einer Laubkrone bekrönt. Zum Wappen der Rhein- und Wildgrafen in dieser Form gehören theoretisch erst nur der Stammhelm, später aber drei Helme, was hier zeitlich entsprechen dürfte:

Im Innern der Kirche mit flachgedecktem Saal und mit doppelgeschossiger Herrschaftsloge und mit ebensolchen Emporenreihen sind weitere Wappen zu finden: Ein aus Erbach und Breuberg geviertes Wappen im Stile des Rokoko findet sich jeweils am Altar und am Orgelprospekt ganz hoch oben unter der Decke. Ein Erbach-Wartenberg-Wappen befindet sich an der Tür zum Grafenstuhl. An der Westseite sind noch zwei Gedenktafeln mit Wappen. Die Glasfenster enthalten die Wappen Beckh, Wider und Mülberger sowie das Stadtwappen.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Peter W. Sattler, Helga Bartmann: Erbach erleben, ein Führer zu den historischen Sehenswürdigkeiten im Städtel und im Schloß, Edition Diesbach, Weinheim 2006, ISBN 3-936468-33-8 bzw. 978-3-936468-33-5
Peter W. Sattler, Helga Bartmann: Erbach im Odenwald: Wappen erzählen Geschichte. Aus der Geschichte von Stadt und Grafschaft Erbach, Band 7, Herausgeber: Magistrat der Kreisstadt Erbach im Odenwald und Historischer Verein für die Kreisstadt und ehemalige Grafschaft Erbach e.V., ISBN 3-9801518-2-4
Hartmut Platte: Das Gräfliche Haus Erbach-Erbach, Heft 8 der Reihe Deutsche Fürstenhäuser, Börde-Verlag Werl, 2004, ISBN 3-9807740-6-6
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Frank Schmidt: Evangelisch-lutherische Stadtkirche Erbach/Odenwald, Kunstführer Nr. 2123, 1. Auflage 1994, Verlag Schnell & Steiner GmbH Regensburg.
Hessische Kulturdenkmäler:
http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/cgi-bin/mapwalk.pl?obj=11015&session=913&event=Query.Details

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