Dieter Linder, Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1994
Hannover (Niedersachsen)

Das niedersächsische Hauptstaatsarchiv in Hannover

Das niedersächsische Hauptstaatsarchiv befindet sich südöstlich der ehemaligen Altstadt von Hannover in der Archivstraße nahe dem Friederikenplatz. Es handelt sich um einen T-förmigen Bau mit einem langen Flügel in West-Ost-Richtung und einem mittig angesetzten kurzen Flügel, der nach Süden vorstößt. Zu diesem ungewöhnlichen Grundriß kommen einige Kuriosa der Fassade, wie der Hauptgiebel über dem ersten Obergeschoß auf der langen Nordseite, über dem das Gebäude jedoch weitergeht, und die in Relation zueinander unproportionierten Geschoßhöhen, was alles zusammen schon von der äußeren Ansicht erkennen läßt, daß dieses Gebäude im Kern einmal ein langgestreckter, lediglich zweistöckiger Massivbau von ca. 82 m Länge und 14 m Breite war, der später aufgestockt und um den dritten Flügel erweitert wurde. Als die Residenz des im Rahmen der letzten welfischen Landesteilung 1635 wieder erstandenen Fürstentums Calenberg 1636 nach Hannover verlegt wurde, wurde auch das Archiv mitgeführt, das zunächst 1642 im damals noch neuen Leineschloß untergebracht wurde.

Doch die Bestände wuchsen, und als 1705 das Fürstentum Lüneburg in das Kurfürstentum integriert wurde, mußte noch viel mehr Archivmaterial, das bisher in Celle war, in Hannover verwaltet werden, und für das gesamte Material wurde 1712-1721 ein neues Archivgebäude errichtet, und die Celler Bestände konnten ab 1722 Einzug halten, inclusive der kurfürstlichen Bibliothek. Das war der erste Archivbau, der unter König Georg I. errichtet wurde, und deshalb sehen wir im über dem Portal befindlichen Dreiecksgiebel, dem ehemaligen Hauptgiebel der damals noch niedrigeren Nordfassade, sein Wappen. Damit ist das Hauptstaatsarchiv der älteste deutsche Archivbau, der aktuell noch als solcher genutzt wird. Die Pläne für das neue Archiv in der Calenberger Neustadt machte der Architekt Louis Remy de la Fosse, die Fertigstellung erfolgte unter dessen Nachfolger Johann Christian Böhme. Irgendwann reichte der Bau nicht mehr aus, denn weitere Zugänge drohten die Räumlichkeiten zu sprengen, z. B. Mitte des 19. Jh. die Akten aus London etc., und als die Archive in Hildesheim und Stade unter preußischer Verwaltung aufgelöst wurden, kam sehr viel weiteres Material hinzu. Deshalb wurde in der preußischen Zeit das Archiv 1889-1893 erweitert, durch die Aufstockung um zwei weitere nutzbare Geschosse und weitere Räume im Mansarddach, sowie durch den südlichen Erweiterungsflügel, an dessen Ende der passende Adler zu sehen ist. Somit ist das heutige Gebäude eine Mischung aus barockem Grundbau und neobarocken Erweiterungen.

Bei dem Giebelwappen handelt sich um das erste Wappen der englischen Könige aus dem Haus Hannover, welches in dieser Form von 1714 bis 1801 geführt wurde. Georg I. König von Großbritannien und Irland, Herzog v. Braunschweig u. Lüneburg, Kurfürst von Hannover (28.5.1660 - 22.6.1727) änderte bei seinem Regierungsantritt in Großbritannien 1714 das Staatswappen durch Ersatz des vierten Viertels, früher wie Feld 1 auch England/Schottland enthaltend, jetzt mit vier neuen Elementen: Braunschweig, Lüneburg, Hannover, Kaiserkrone (sog. Krone Karls des Großen). Insgesamt ist das Wappen also wie folgt aufgebaut:

Um das Wappen herum gelegt ist das Band des Hosenbandordens ("HONI SOIT QUI MAL Y PENSE"), und über den Sockel ist ein weiteres Band gelegt mit dem Schriftzug "DIEU ET MON DROIT", Gott und mein Recht. Das ist eine weitere Devise der britischen Herrscher, die im 15. Jh. von Henry VI. eingeführt wurde, zu Zeiten, als die britischen Monarchen sich zugleich als Könige von Frankreich fühlten. Die beiden Schildhalter sind die des britischen Königs, ein gekrönter, hersehender Löwe heraldisch rechts und ein Einhorn mit Halskrone heraldisch links.

In dieser Form wurde das Wappen benutzt von drei britischen Herrschern aus dem Hause Hannover: Georg I. (1714-1727), Georg II. (1727-1760), Georg III. (1760-1801). Weitere Beispiele für diesen Typus befinden sich in Hannover am Portal der ehemaligen Garde-du-Corps-Kaserne am Königsworther Platz von 1736, heute am Rudolf-Hillebrecht-Platz am Eingang zur Bauverwaltung nahe des Neuen Rathauses, mit dem Wappen Georgs II., sowie am Marstalltor am Hohen Ufer in der Nachbarschaft zum Historischen Museum, das Portal des ehemaligen Reithauses von 1714, das 1945 abgebrochen wurde, letzteres wiederum mit dem Wappen König Georgs I.

Literatur, Links und Quellen:
Hauptstaatsarchiv Hannover: http://de.wikipedia.org/wiki/Hauptstaatsarchiv_Hannover
Webseite des Archives:
http://www.nla.niedersachsen.de/portal/live.php?&article_id=85977&navigation_id=24785
Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein, Geschichte der Stadt Hannover I, von den Anfängen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, ISBN 3-87706-551-9

Marstalltor - Garde-du-Corps-Kasernentor (städt. Bauamt) - Leineschloß (Niedersächsischer Landtag) - Wangenheimpalais

Wappen, Linien und Territorien der Welfen (3): Wappen des Hauses Hannover
Das Wappen von Großbritannien

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