Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 157
Bad Neustadt an der Saale (Franken)

Das neue Amtshaus in Bad Neustadt/Saale

Neustadt an der Saale gehörte früher zum Hochstift Würzburg und war Sitz eines Oberamtes der Fürstbischöfe von Würzburg. Neustadt findet erstmalige urkundliche Erwähnung im Jahre 1232 als "nova civitas" in einem Dokument des Bischofs von Würzburg. Mit der Säkularisation wurden die kirchlichen Fürstentümer aufgelöst, dabei kam Neustadt im Jahre 1805 erst zum Großherzogtum Würzburg unter Erzherzog Ferdinand von Toskana und mit dem Wiener Kongreß 1814 gemeinsam mit diesem zu Bayern.

Das neue hochstiftische Amtshaus in der Spörleinstraße wurde 1716-1720 anstelle von sechs ehemaligen Bürgerhäusern errichtet und vom Würzburger Hofarchitekten Joseph Greissing erbaut. Dabei gehen Entwurf und Ausführung auf Greissing zurück, und die örtliche Bauleitung hatte einer seiner langjährigen Paliere, Zimmer- und Werkmeister Christian Gruber. Letzterer war in Neustadt tätig und hat dort etliche Bürgerhäuser im Greissingstil selbständig erbaut. Das Amtshaus diente dem Würzburger Amtmann als Dienstsitz. Seit der Neuordnung durch Napoléon kam Neustadt zu Bayern, und seit 1804 diente das Gebäude als vielfältig genutztes Verwaltungsgebäude, so des Landgerichts, des Bezirksamtes, des Forstamtes und des Landratsamtes. In den 1970er Jahren wurde das Amtshaus entkernt und umgebaut. Dabei wurde der ursprüngliche Greissingsche Dachstuhl abgerissen und durch eine moderne Konstruktion ersetzt, um zusätzliche Räume im Dach unterbringen zu können. Ein ganz großer Verlust ist, daß damals auch das Stiegenhaus herausgerissen wurde. Es reichte über alle Stockwerke und war besonders repräsentativ gestaltet mit Balustern und Postamenten aus Eichenholz. Auch reich profilierte Türrahmen aus Eichenholz wurden bei der Entkernung herausgerissen. Einiges konnte gerettet werden, indem es beim Wiederaufbau der Stadt Würzburg in ein paar Gebäuden zweitverwendet wurde. Der historische Kontext, der hier in den 1970er Jahren mutwillig zerstört wurde, ist natürlich vor Ort unwiederbringlich verloren. Wer die Originalteile sucht, findet die Türrahmen und Teile des Stiegenhauses in der Würzburger Neubaustraße in den Greissinghäusern (Stadtarchiv), und im Zeughaus der Festung Marienberg sind weitere Teile des Stiegenhauses als Aufgang in der Schönbornhalle des Mainfränkischen Museums verbaut worden.

Über dem Hauptportal befinden sich die beiden Wappen der beiden fürstbischöflichen Bauherren des Gebäudes, Johann Philipp II. von Greiffenclau-Vollraths (1699-1719) und Johann Philipp Franz Graf von Schönborn (1719-1724). Das Wappen von Johann Philipp Franz Graf von Schönborn als Fürstbischof von Würzburg hat insgesamt 11 Elemente. Begonnen haben die Grafen von Schönborn mit einem Wappen, das dem hiesigen Herzschild entspricht, dem Stammwappen. Dieses Schönborn-Wappen hier ist eine Kombination von Elementen des Familienwappens (8 Felder und Herzschild) mit Amtswappen (2 Felder) und ein relativ spätes, denn viele der Besitztümer, Ansprüche und Titel in den Feldern kamen erst im späten 17. und frühen 18. Jh. zur Familie. Im einzelnen sind das:

Wappen des Würzburger Fürstbischofs Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths. Geviert, Feld 1: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Herzogtum zu Franken, Feld 2 und 3: von Greiffenclau-Vollraths, jeweils geviert, Feld a und d: silbern-blau geteilt, darüber ein goldenes Glevenrad, Feld b und c: in Schwarz ein silberner (nicht goldener wie hier!) Schräglinksbalken (Herrschaft Ippelbrunn = Eppelborn), Feld 4: "Rennfähnlein" = in Blau eine rot-silbern gevierte, an den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte, schräggestellte Standarte mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg. Über allem ist nur der Fürstenhut; Schwert und Krummstab als Symbole weltlicher und geistlicher Gerichtsbarkeit fehlen hier. Interessant (und unkorrekt) ist in beiden Wappen die Absetzung der drei silbernen Spitzen des Fränkischen Rechens durch eine goldene Linie, die ohne heraldische Signifikanz ist.

Die Familie von Greiffenclau zu Vollraths ist ein uraltes rheinisches Rittergeschlecht im Dienste der rheinischen Stifte. Seit 1337 sind sie als Besitzer von Vollraths (Vollrads) nachgewiesen. Durch Heirat kamen weitere Güter hinzu, so um die Wende zum 15. Jh. durch Heirat der Erbtochter die Herrschaft Ippelbrunn, worauf der Schild wie oben erwähnt geviert wurde. Im 18. Jh. kamen die Güter der Freiherren von Dehren hinzu, ebenfalls durch Heirat. Weiterer Grundbesitz liegt in Franken, v. a. im Kanton Baunach, mit Schloß in Gereuth. Den Domkapiteln waren die Greiffenclau zu Vollraths sehr verbunden, allein in Würzburg stellten sie zwischen 1666 und 1805 vierzehn Mitglieder desselben. Ähnlich aktiv sind sie in den Hochstiften Mainz, Speyer, Trier, Worms, Bamberg. Nach der Reformation blieben die Greiffenclau zu Vollraths den Stiften treu und erlangten noch einen Bedeutungszuwachs, indem sie viele vakant gewordene Stellen einnahmen. Bedeutende Vertreter der Familie sind Richard von Greiffenclau, Erzbischof zu Trier (1511-1531), Georg Friedrich von Greiffenclau, Fürstbischof in Worms (1616-1629) und Mainz (1616-1629), der hier erwähnte Johann Philipp II von Greifenclau, Fürstbischof in Würzburg (1699-1719) sowie in gleicher Position Karl Philipp von Greiffenclau (1749-1754). Mit Johann Erwein Freiherr von Greiffenclau zu Vollraths hat die Familie einen Erbtruchseß des Erzbistums Mainz, er stieg zum kurmainzischen Geheimrat und Vicedomus im Rheinland auf, weiterhin war er Ritterhauptmann im Kanton Mittelrhein und Burggraf zu Friedberg (gest. 1727). Das Geschlecht erlosch 1860 im Mannesstamme. Sophie von Greiffenclau zu Vollraths heiratete Hugo Graf Matuschka von Toppolezau, Freiherr von Spätgen, beider Wappen wurden 1862 vereinigt. Das Stammgut Volrads war bis 1997 noch in Familienbesitz.

Zur Übersicht ein Ausschnitt aus der Liste der Würzburger Fürstbischöfe:

Rudolf II. von Scherenberg 1466-1495
Lorenz von Bibra 1495-1519
Konrad II. von Thüngen 1519-1540
Konrad III. von Bibra 1540-1544
Melchior Zobel von Giebelstadt 1544-1558
Friedrich von Wirsberg 1558-1573
Julius Echter von Mespelbrunn 1573-1617
Johann Gottfried von Aschhausen 1617-1622
Philipp Adolf von Ehrenberg 1623-1631
Franz von Hatzfeld 1631-1642
Johann Philipp von Schönborn (desgl. Erzbischof von Mainz) 1642-1673
Johann Hartmann von Rosenbach 1673-1675
Peter Philipp von Dernbach (desgl. Bischof von Bamberg) 1675-1683
Konrad Wilhelm von Wernau 1683-1684
Johann Gottfried von Guttenberg 1684-1698
Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths 1699-1719
Johann Philipp Franz von Schönborn 1719-1724
Christoph Franz von Hutten 1724-1729
Friedrich Carl von Schönborn (desgl. Bischof von Bamberg) 1729-1746
Anselm Franz von Ingelheim 1746-1749
Karl Philipp von Greiffenclau-Vollraths 1749-1754
Adam Friedrich von Seinsheim (dsgl. Bischof von Bamberg) 1755-1779

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.com/maps/@50.3228581,10.2179951,20z?hl=de - https://www.google.com/maps/@50.3228581,10.2179951,80m/data=!3m1!1e3?hl=de
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener 3. Aufl. 1999
Peter Kolb: Die Wappen der Würzburger Fürstbischöfe. Herausgegeben vom Bezirk Unterfranken, Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. und Würzburger Diözesangeschichtsverein. Würzburg, 1974. 192 Seiten.
Anton P. Rahrbach, Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und Geschichte fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag - Die Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4
Johannes Mack: Der Baumeister und Architekt Joseph Greissing, mainfränkischer Barock vor Balthasar Neumann, hrsg. von der Gesellschaft für fränkische Geschichte, VIII. Reihe: Quellen und Darstellungen zur fränkischen Kunstgeschichte, c/o Verlag Ph. C. W. Schmidt, 1. Auflage 2009, 797 S., ISBN-10: 3866528167, ISBN-13: 978-3866528161, S. 649

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