Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 332
Aschaffenburg (Regierungsbezirk Unterfranken)

Ehemalige Jesuitenkirche (Studienkirche)

Die ehemalige Jesuitenkirche wurde 1619-1621 im Stil der Renaissance erbaut und befindet sich in der Pfaffengasse 26. Die einschiffige Kirche besitzt keinen eigentlichen Turm, sondern lediglich einen achteckigen Dachreiter. Die einst der "Heiligsten Dreifaltigkeit" geweihte Kirche bildet den nordwestlichen Abschluß der dortigen Bebauung zum Schloßplatz hin. Im Südosten an die Kirche ist das ehemalige Jesuitenkolleg für das vom Orden betriebene Gymnasium angebaut, dessen 1620-1630 erbaute Flügel einen rechteckigen Hof umschließen, mit Erweiterungen des 18. und 19. Jh. Nach dem Bedeutungsverlust der Jesuiten und zeitweiser Benutzung des Kirchenraumes als Magazin nach 1796 wurde die Kirche 1810 zur Studienkirche umgebaut, wobei die barocken Altäre entfernt wurden. Die Gebäude beherbergten 1808-1814/18 die vom Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg als Ersatz für die 1798 liquidierte Universität Mainz gegründete Karls-Universität.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Studienkirche vollständig zerstört. Sie wurde von der Stadt Aschaffenburg der Diözese Würzburg abgekauft und ab 1976 in ihrer alten Gestalt wiederaufgebaut, aber profaniert. Seit 1990 ist hier die zu den Museen der Stadt Aschaffenburg zählende Kunsthalle Jesuitenkirche untergebracht. Innen ist nach wie vor das zu besichtigen, was von der Kirchenausstattung übriggeblieben ist, denn eine Bedingung der Profanierung war 1973, daß das bisherige Kirchengebäude, dessen Stuck auch wiederhergestellt wurde, keinem unwürdigen Gebrauch durch die Stadt Aschaffenburg oder ihrem etwaigen späteren Rechtsnachfolger dienlich gemacht werden darf. Daher sind auch alle Gräber in der Kirche verblieben und bilden einen Kontrast zur ausgestellten Kunst mit Schwerpunkt auf Klassischer Moderne und Gegenwart.

An der südwestlichen Schmalseite des Kirchengebäudes befindet sich über dem über eine Freitreppe erreichbaren Haupteingang ein Wappen des Mainzer Fürstbischofs Johann Schweikhard von Kronberg (reg. 1604-1626). Es ist geviert, Feld 1 und 4: in Rot ein silbernes, achtspeichiges Rad (Erzstift Mainz), Feld 2 und 3: erneut geviert (Familienwappen der Herren von Kronberg), Feld a: in Rot eine goldene Krone, Feld b und c: in Silber vier (2:2) blaue Eisenhütlein, Feld d: ledig und rot. Die Ovalkartusche ist lediglich mit einem Schmuckrahmen versehen; Oberwappen und Prunkstücke sowie fürstbischöfliche Insignien fehlen.

Über dem Gebälk des wappengeschmückten Portals befindet sich ein von zwei Engeln gehaltenes IHS-Christusmonogramm, das von einem Obelisken überhöht und von zwei weiteren Obelisken in der Flucht der seitlichen Portalbegrenzungen flankiert wird. Das Portal wird von zwei halbrund geschlossenen Figurennischen beseitet mit Statuen des Christus Salvator und der Maria Immaculata. Rechts der Kirche springt das Gebäude des Kollegs aus der Flucht vor; der dortige Eingang besitzt ein weiteres Christusmonogramm (IHS mit Kreuz oben und drei Nägeln unten) mit drei Engelsköpfen an der inneren Kartusche und zwei Engeln darüber, die die Inschriftenkartusche halten.

An der nordwestlichen Längsseite des Kirchengebäudes ist ein späteres Wappen des Mainzer Fürstbischofs Johann Schweikhard von Kronberg eingemauert, das einige wichtige Änderungen enthält, wie sie ab 1618, 1623 bzw. 1630 geführt wurden: Das Wappen ist noch um einen Herzschild mit dem schwarzen, doppelköpfigen Reichsadler auf goldenem Feld vermehrt. Es gab eine Erhebung in den Reichsfreiherrenstand am 25.4.1618, zunächst für seinen Neffen Adam Philipp, dann ab dem 13.1.1623 für die ganze Familie. In diesem Diplom taucht bereits die zweite Krone in Feld 4 des Familienwappens auf. Aber erst mit der Erhebung von Adam Philipp von Kronberg in den Grafenstand hatte die Familie das Recht zur Führung dieses kaiserlichen Gnadenzeichens im Herzschild. Adam Philipp hatte eine Expektanz auf die in absehbarer Zeit freiwerdende Grafschaft Geroldseck in der Ortenau, mit der er 1634 belehnt wurde. Das heißt aber auch, daß dieses Wappen, das in der Form nirgends sonst vom Kurfürst verwendet wurde und auch nicht belegt ist, vermutlich posthum angebracht wurde, vermutlich von seinem Neffen, der seinem einflußreichen Onkel sehr viel verdankte. Jedenfalls hat der Kurfürst selbst eigentlich nie das Recht auf diesen Herzschild erhalten. Die Erhebung seines Neffen in den Grafenstand erlebte er außerdem nicht mehr, und selbst wenn er sie erlebt hätte, hätte sie nicht für ihn mitgegolten. Weiterhin werden hier die Räder nicht mehr achtspeichig, sondern sechsspeichig geführt, wie es auch die Nachfolger dieses Fürstbischofs fortsetzten; die achtspeichige Version entsprach offensichtlich nicht mehr dem Geschmack der Zeit. Auf der reichverzierten Kartusche, auf deren seitlichen Voluten zwei geflügelte Engelsköpfe ruhen, ist eine Inful angebracht, und die fürstbischöflichen Insignien, das gestürzte Schwert schrägrechts und der Krummstab schräglinks, sind hinter der Kartusche gekreuzt.

Das Original dieses Steines wurde aus der im Krieg zerstörten Studien- oder Jesuitenkirche beim Wiederaufbau der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg in das Vestibül des Schlosses Johannisburg translociert und so gerettet. Als die Jesuitenkirche wiederaufgebaut und wiederhergestellt wurde, wurde dort eine moderne Kopie angebracht, die hinsichtlich der hohen Qualität der Steinmetzarbeit dem Original im Schloß-Vestibül in nichts nachsteht. Johann Schweikhard von Kronberg nutzte Aschaffenburg intensiv als Zweitresidenz. Er hatte 1612 die Jesuiten in die Stadt gerufen. Ihren Unterhalt bezogen sie aus dem ihnen dafür zur Verfügung gestellten, aufgehobenen Zisterzienserinnenkloster Himmelthal.

Ein weiterer Wappenstein ist über dem prunkvollen Portal an der Südostseite der Jesuitenkirche angebracht. Es ist vom Innenhof des ehemaligen Jesuitenkollegs aus zugänglich. Dieser Wappenstein gehört zu dem Mainzer (und Bamberger) Fürstbischof Lothar Franz von Schönborn (reg. in Bamberg 1693-1729, reg. in Mainz 1695-1729). Sein Wappen ist geteilt und zweimal gespalten und mit einem Herzschild belegt: Feld 1 und 6: in Gold ein schwarzer Löwe, darüber eine silberne Schrägrechtsleiste, Hochstift Bamberg, Feld 2 und 5: in Rot ein silbernes sechsspeichiges Rad, Erzstift Mainz, Feld 3: in Rot drei (2:1) silberne Schildchen, reichsständische Herrschaft Reichelsberg, Feld 4: in Blau ein silberner Balken, begleitet von 3 (2:1) silbernen Rauten, Herrschaft Heppenheim, Herzschild: in Rot auf drei silbernen Spitzen ein schreitender, gekrönter goldener Löwe (als Variante findet sich auch eine blaue Krone), Stammwappen der Grafen von Schönborn. Zwei Löwen sieht man unter dem leider sehr dominanten Taubenabwehrnetz rechts und links der Ovalkartusche als Schildhalter. Als Oberwappen findet man wie stets den Kurhut und das gestürzte Schwert sowie den Krummstab hinter der Kartusche schräggekreuzt.

Dieses Portal befindet sich nicht am originalen Standort. Es gehörte einst zum Humanistischen Gymnasium, welches sich in der Pfaffengasse 22 befand. Beim Wiederaufbau wurde das Portal im Jahre 1976 als Seiteneingang der Jesuitenkirche wiederverwendet.

Literatur, Links und Quellen:
Liste der Baudenkmäler in Aschaffenburg: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Aschaffenburg
Jesuitenkirche:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jesuitenkirche_(Aschaffenburg)
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Bistümer
Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, erstellt von Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag 2007, ISBN 978-3-7954-1637-9
Johann Schweikhard von Kronberg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Schweikhard_von_Kronberg
Anton Ph. Brück: Johann Schweikard von Cronberg, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 497 - online: http://daten.digitale-sammlungen.de/0001/bsb00016327/images/index.html?seite=511
Lothar Franz von Schönborn: https://de.wikipedia.org/wiki/Lothar_Franz_von_Schönborn
Friedhelm Jürgensmeier: Lothar Franz von Schönborn, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 15, Duncker & Humblot, Berlin 1987, ISBN 3-428-00196-6, S. 227 f. - online: http://daten.digitale-sammlungen.de/0001/bsb00016333/images/index.html?seite=241
Constantin von Wurzbach: Lothar Franz Graf Schönborn, in: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Bd.  31. Verlag L. C. Zamarski, Wien 1876, S. 138 f. - online:
http://www.literature.at/viewer.alo?objid=12540&page=159&scale=3.33&viewmode=fullscreen
Alois Grimm: Aschaffenburger Häuserbuch, Bd. II: Altstadt zwischen Dalbergstraße und Schloß, hrsg. vom Geschichts- und Kunstverein e. V., Aschaffenburg 1991, ISBN 3-87965-053-5
Museum Kunsthalle Aschaffenburg:
http://webmuseen.de/kunsthalle-jesuitenkirche-aschaffenburg.html - http://www.kirm.de/museen/ab_jesuitenkirche.htm
Aschaffenburger Museen:
http://www.museen-aschaffenburg.de/
Theodor Josef Scherg: Dalbergs Hochschulstadt Aschaffenburg
Jürgen Herzog: Die Karls-Universität in Aschaffenburg -
http://altmod.de/?page_id=947
Karls-Universität:
https://de.wikipedia.org/wiki/Karls-Universität_Aschaffenburg
Alfred F. Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch, Veröffentlichung des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e. V., Aschaffenburg 1983, Seite 83-85, 100

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