Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 334
Aschaffenburg (Regierungsbezirk Unterfranken)

Pavillon mit Festsaal im Park Schönbusch

In Nilkheim, einem Stadtteil Aschaffenburgs auf der Westseite des Mains, befinden sich Schloß und Park Schönbusch, eine weitläufige grüne Oase mit Seen, Wiesen und Wäldern und dazwischen eingestreuten architektonischen Blickfängern. Diese etwa 160 Hektar umfassende Idylle wird im Norden und Süden von ausgedehnten, bis Stockstadt reichenden Industriegebieten bzw. Hafenbereichen eingefaßt, im Osten von Sportstätten und Wohngebieten, und im Westen schließlich von landwirtschaftlichen Nutzflächen. Einst war hier das Nilkheimer Wäldchen, ein hauptsächlich von Hirschen bevölkerter Wildpark der Mainzer Fürstbischöfe, der 1731 mit einem Graben eingefaßt wurde. Ein einfaches Jagdhaus wurde errichtet, das unweit des heutigen Schlosses stand. Auch eine kurfürstliche Fasanerie wurde hier betrieben. Die landschaftliche Anlage war wenig kunstvoll und bestand im wesentlichen aus drei phantasielosen, schnurgeraden Jagdschneisen auf ebener Fläche.

Friedrich Karl Joseph von Erthal, seit 1774 auf dem Mainzer Bischofsstuhl, ließ den Wildpark ab 1775 bis 1790 im englischen Landschaftsstil umgestalten, und so wurde der Park Schönbusch zu einem der ältesten und bedeutendsten klassischen englischen Landschaftsgärten in Deutschland. An der Umwandlung waren als Ideengeber der kurmainzische Staats- und Konferenzminister Wilhelm Friedrich von Sickingen (1729-1818) und als Baumeister der Mainzer Hofarchitekt und Ingenieur Emanuel Joseph von Herigoyen (1746-1817) beteiligt, vor allem aber der ab 1783 hinzugezogene und 1785 berufene Schwetzinger Hofgärtner und Gartenarchitekt Friedrich Ludwig von Sckell (1750-1823), der reizvolle Landschaftsbilder mit zwei künstlichen Seen und drei aus dem Aushub angeschütteten Hügeln im Nordostteil des Parks schuf. Für ihn war es das erste Mal, daß er einen zur Gänze neu geschaffenen Park nach den neuen Ideen aus England gestalten konnte.

Doch der weitaus größte Teil der Fläche besteht aus weitläufigen Waldstücken mit verschlungenen Wegen und breiten Wiesentälern, die Sichtschneisen schaffen. Insgesamt gibt es hier ein über 20 km langes Netz unregelmäßig angelegter Wege. Die drei ehemals geraden Jagdschneisen wurden unregelmäßig verbreitert, so daß sich wie Kulissen immer neue Baumgruppen am Rand ins Blickfeld schieben. So entstanden die Grüne Allee, das Große Wiesental und die Platanenwiese. Letztere bekam mit dem Speisesaal und der Kilianskapelle zwei Points de vue. Die Kanalachse mit dem Zierkanal kam als vierte Achse hinzu, weitgehend gerade als letzte Reminiszenz an barocke Gestaltungsprinzipien, weiterhin etliche kleineren Schneisen und Durchblickszonen. Das hauptsächliche Gestaltungsprinzip war die Nichtübereinstimmung von Schneisenrichtungen, Wasserrichtungen und Wegerichtungen; vielmehr sorgt das unabhängige Übereinanderlegen der drei Gestaltungselemente für die vom Spaziergänger erlebte Vielfalt zufällig wirkender Szenerien. Die gegenseitige Verschneidung von Wegeverlauf und Blickrichtungen spielt mit Entfernungen und Erreichbarkeit, mit Sichtkontakt und tatsächlichem Zugang.

Interessant ist, daß der Kurfürst das Gelände bereits 1783 für "das gemeine Volk" öffnen ließ. Auch das entsprang einem neuen Herrschaftsverständnis, das nicht wie im Barock das Volk ausschloß, sondern die Nähe desselben möglich machte und die früher sorgsam abgeschirmten Bereiche der Öffentlichkeit zugänglich machte. Allerdings legte eine Gartenordnung fest, wie man sich zu benehmen hatte, kurz: weder Krach noch Sex noch Alkohol; in damaliger Formulierung wurde also "sittliche bürgerliche Conduite" verlangt.

In diese Landschaftsarchitektur sind Bauten ganz unterschiedlichen Charakters verteilt. Als Hauptbau kann sicherlich das frühklassizistische, von Emanuel Joseph d'Herigoyen in den Jahren 1778-1782 erbaute und mit Mobiliar im Stil Louis XVI. erlesen eingerichtete Schlößchen auf einer kleinen Anhöhe am Westufer des Schönbuschsees (1776-1778 angelegt) gelten (Gartenschloß, kurfürstlicher Pavillon, eigentliches Schloß Schönbusch). Es handelt sich um ein zweigeschossiges Gebäude auf rechteckigem Grundriß, mit Mezzaningeschoß und am Dachansatz umlaufender Balustrade. Tritt man auf die Stufen vor dem Haupteingang, eröffnet sich nicht nur ein phantastisch schönes Landschaftspanorama, sondern man blickt durch eine große, gekonnt natürlich wirkende Sichtschneise bis zum 3,5 km entfernten Schloß Johannisburg am Horizont. Außen ist keinerlei heraldischer Schmuck am Gebäude, im Aufsatz sind lediglich die verschränkten Initialen des Bauherrn "FC" zu sehen. Die zehn Schauräume des Schlosses können besichtigt werden. Im Sommer finden hier die Schönbuschserenaden statt. Die Insel im See in der Nähe des Schlosses besaß eine Drehbrücke (1802), so daß sie bei Inszenierungen und Theateraufführungen vom Festland getrennt werden konnte.

Hinter dem Gartenschloß liegt der obere See, der früher wesentlich größer war und über einen langen Zierkanal mit der Kaskade verbunden ist. Das vom Welzbach versorgte Wassersystem wurde für den Umfang der Wasserbaumaßnahmen nur unzureichend gespeist, weswegen im 19. Jh. ein Dampf-Pumpwerk Wasser aus dem Main in das Wassersystem des Parks pumpte. Wegen Wassermangels ist heute der obere See viel kleiner als früher.

Doch das Gartenschloß ist nur der Hauptbau der im Gelände verteilten Architektur. 1782-1786 wurde das ehemalige Nilkheimer Mustergut errichtet. Das Dörfchen entstand 1788, das "Salettchen" daneben, das den Endpunkt einer Sichtachse bildet, wurde 1795-1796 erbaut. Eine Gruppe von Hirtenhäusern entstand 1784-1785 (sog. Wacht). Bis 1788/89 wurden die Wirtschaftsgebäude erbaut. Dort befindet sich heute ein Biergarten, wobei die Tradition der Gastronomie bis ins 18. Jh. zurückreicht. Im Küchenbau (1781-1783) ist heute das Besucherzentrum untergebracht. Die Orangerie wurde 1784-1785 errichtet. In der Nähe derselben wurde ein runder Irrgarten angelegt (Ende der 1820er Jahre, 1898 erneuert). Andere Bauten im Park sind reine Staffage wie der ca. 15 m hohe Aussichtsturm (1776-1790, ursprünglich aus Holz, 1867 baufällig und aus Steinen neu aufgemauert), die dreibogige Rote Brücke mit Sphingen im Norden der Anlage (1789-1790, 1934 wegen der Bundesstraße hierher versetzt), die zum Aussichtsturm führende, 18 m lange Teufelsbrücke von 1788 am östlichen Ufer des unteren Sees, der Freundschaftstempel (1786-1789) oder das Philosophenhaus (1787-1789), ein schlichter Bau über quadratischem Grundriß mit kräftig profilierten Mittelelementen der Fassaden mit Dreiecksgiebeln und mit Stuckbüsten von Philosophen im Innern. Wie zufällig verstreut liegen diese Gebäude im Gelände, sind aber dennoch sorgfältig für maximale szenische Wirkung in Sichtachsen plaziert. Ebenso schaffen Hirtenhäuser und Dörfchen mit den grasenden Hochlandrindern ländlich-idyllische Szenenbilder als Kulissen der Erbauung. Das entspricht auch dem Geist der Aufklärung: Das Erleben idealisierter Landschaftsszenen trägt zur Vervollkommnung der inneren Natur des Menschen bei, und das gestalterische Zitieren landschaftlicher oder architektonischer Vorbilder soll bestimmte Stimmungen beim Betrachter induzieren. Solche Staffagen findet man auch in anderen Schloßparks, z. B. im Schloßpark von Versailles den Hameau de la Reine.

Ein weiterer wichtiger Bau ist der Speisesaal (Festsaal, Abb. oben), der 1787-1789 als eigenständiger Bau östlich des Gartenschlosses und des unteren Sees, südlich des Irrgartens errichtet wurde und sich auf einem quadratischen Grundriß mit vier halbrunden Ausbuchtungen an den Seiten erhebt. Er ist zugleich Endpunkt mehrerer wichtiger Sichtachsen. Über dem Nordwesteingang ist ein Wappen des Bauherrn angebracht.

Das Wappen des Mainzer und Wormser Fürstbischofs Friedrich Karl Joseph von Erthal (regierte 1774-1802) ist wie folgt aufgebaut: Hauptschild: geviert, Feld 1 und 4: in Rot ein silbernes, sechsspeichiges Rad, Erzstift Mainz, Feld 2 und 3: in Schwarz ein schräg aufwärts gerichteter silberner Schlüssel, begleitet von 4:4 goldenen Schindeln, Hochstift Worms. Darauf liegt ein schwarzes, silbern bordiertes Tatzenkreuz, das mit einem goldenen Lilienkreuz (Glevenkreuz) belegt ist und einen goldenen, mit einem schwarzen Adler belegten Mittelschild trägt (Hochmeisterkreuz des Deutschen Ordens). Zuoberst liegt der Herzschild mit dem Stammwappen der von Erthal; dieser ist wiederum geviert, Feld 1 und 4: in Rot zwei silberne Balken, Feld 2 und 3: ledig und blau tingiert. Der hier golden abgesetzte Bord dieser Felder ist ohne inhaltliche und heraldische Signifikanz, sondern nur ein Zierelement.

Die Besonderheiten dieses Wappens wie das Fehlen kirchenfürstlicher Amtsinsignien wie Inful, Schwert und Krummstab, sowie die Aufnahme des Hochmeisterkreuzes des Deutschen Ordens in das Wappen, sowie der Lebenslauf dieses Kirchenfürsten werden ausführlich im Kapitel über den ebenfalls von diesem Kurfürsten erbauten Frühstückspavillon unweit des Schlosses Johannisburg diskutiert (siehe dort).

Abb.: Ornament am Pavillon mit Blumengebinden

Während der letzten Jahre der Regierungszeit des Bauherrn und nach dem Ende der Herrschaft der geistlichen Fürsten war aufgrund der politischen Umwälzungen wenig Interesse an einer Pflege des Parks, der nun ca. 25 Jahre vernachlässigt wurde. Erst als das Gelände 1814 königlich-bayerischer Hofgarten wurde, verfügte König Max I. Joseph die Instandhaltung. Heute wird das Areal von der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen verwaltet und ist frei zugänglich. Das Schloß kann im Rahmen einer Führung innen besichtigt werden.

Literatur, Links und Quellen:
Liste der Baudenkmäler in Aschaffenburg: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Aschaffenburg
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Bistümer
Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, erstellt von Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag 2007, ISBN 978-3-7954-1637-9
Friedrich Karl Joseph von Erthal:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Karl_Joseph_von_Erthal
Emanuel Leser: Friedrich Karl Joseph Freiherr von Erthal, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 7, Duncker & Humblot, Leipzig 1877, S. 552-557, online: https://de.wikisource.org/wiki/ADB:Friedrich_Karl_(Kurfürst)
Heribert Raab: Friedrich Karl Freiherr von Erthal, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 5, Duncker & Humblot, Berlin 1961, ISBN 3-428-00186-9, S. 517 f., online:
http://daten.digitale-sammlungen.de/0001/bsb00016321/images/index.html?seite=533
Friedrich Karl Joseph von Erthal: http://www.aschaffenburg.de/de/Kultur__Tourismus/Stadtportrait/Aschaffenburger_Persoenlichkeiten/normal/chf/index_1643.html - http://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/texte/biographien/erthal-friedrich-karl-joseph.html
Park und Schloß Schönbusch:
https://de.wikipedia.org/wiki/Park_Schönbusch
Schloß Schönbusch:
http://www.schloesser.bayern.de/deutsch/schloss/objekte/as_sb.htm
Park Schönbusch:
http://www.schloesser.bayern.de/deutsch/garten/objekte/as_sb.htm
Park und Schloß Schönbusch:
http://www.gg-online.de/html/schoenbusch.htm
Parktage Schönbusch:
http://www.aschaffenburger-kulturtage.de/parktage-schoenbusch/ und http://www.aschaffenburg.de/de/Aktuelles/Pressemitteilungen/normal/gb/index_24919.html
Park und Schloß Schönbusch:
http://www.aschaffenburg.de/de/Kultur__Tourismus/Stadtportrait/Sehenswuerdigkeiten/Bauwerke/normal/chid/index_2183.html
Schloß Schönbusch:
http://www.hessenmagazin.de/tipps-fuer-die-freizeit/freizeit-reisen-ausfluege-stadt-a-land/688-ein-bayerischer-lustgarten-und-sein-beruehmtes-schloss-schoenbusch
Park Schönbusch:
http://www.die-fraenkischen-staedte.de/poi/schloss_und_park_schoenbusch-3146/
Castlewelt:
http://www.castlewelt.com/eintrag/CWentry/schloss-und-park-schoenbusch/park-schoenbusch/
Jost Albert, Werner Helmberger: Der Landschaftsgarten Schönbusch bei Aschaffenburg, Beiträge zur Gartengeschichte und Gartendenkmalpflege 1, Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 1999, ISBN 3-88462-144-0
Werner Helmberger, Jost Albert (Bearb.): Schloß und Park Schönbusch, Aschaffenburg. Amtlicher Führer, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, hrsg. von der Bayerischen Schlösserverwaltung, München 2010, ISBN 978-3-932982-96-5.
Friedrich Ludwig von Sckell:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Ludwig_Sckell
Iris Lauterbach: Clarus Friedrich Ludwig von Sckell, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 95-97, online:
http://daten.digitale-sammlungen.de/0008/bsb00085893/images/index.html?seite=119 - http://www.deutsche-biographie.de/pnd118760262.html
Alfred F. Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch, Veröffentlichung des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e. V., Aschaffenburg 1983, Seite 89
Christian Ottersbach: Frankfurt & Rhein-Main, Burgen und Schlösser in und um Aschaffenburg, Darmstadt, Mainz, Taunus und Wetterau, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2010, ISBN 978-3-86568-452-3, S. 89-90

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