Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 433
Bad Homburg vor der Höhe - Hessische Residenz

Das Schloß in Bad Homburg vor der Höhe
Hirschgangflügel, Tor zum oberen Schloßhof

Dieses Ehewappen ist am oberen Tor ist auf der dem unteren Schloßhof zugewandten Seite angebracht. Das ist nicht die originale Stelle, sondern der Stein stammt von der Kirche und wurde nach Zweckentfremdung später hier eingemauert. Dazu schreibt der Hofchronist Heinrich von Silber in seinem Tagebauch am 3.9.1820: "Heute vor zwey Jahren, den 3. September 1818 haben Se Hochfürstl. Durchlaucht der Souveräne Landgraf Friederich Ludwig das unten näher beschriebene Wappen über dem inneren Schloßthore einmauern lassen. Dasselbe soll der Sage nach früher über der Kirche gestanden haben und hatte viele Jahre lang als Auftritt vor der Pförtner Wohnung gedient, bis Se Hochf. D. der Erbprinz, unser jetzt gnädigst regierender souveräner Herr, es entdeckten, auf Höchstdessen Verwendung dasselbe nun auch die seinem ursprünglichen Zweck entsprechende Stelle wieder einnimmt."

Der Bauherr Friedrich I. Landgraf von Hessen-Homburg (5.3.1585-9.5.1638), hier heraldisch rechts, hatte Margareta Elisabeth zu Leiningen-Westerburg (-13.8.1667) geheiratet, die Tochter von Christoph Graf zu Leiningen-Westerburg (30.9.1575-1635) und Anna Maria Ungnad Freiin von Weissenwolff (29.9.1573-1606). Die Zuordnung ergibt sich aus dem Fehlen des Patriarchenkreuzes von Hersfeld, das erst nach 1648 in das Wappen gelangte. Denn auch der Sohn hatte eine Frau von Leiningen-Westerburg geheiratet, dies aber erst 1691, so daß beim Sohn Hersfeld enthalten sein muß.

Wappen des Landgrafen Friedrich I.
Im einzelnen ist das Wappen des Landgrafen Friedrich I. aus fünf Komponenten zusammengesetzt:

Dazu gehören folgende 3 Helme:

Nicht als Helmzier vertreten sind die folgenden beiden Grafschaften: Grafschaft Nidda (Helmzier ein silberner Stern zwischen zwei schwarzen, gold getupften Büffelhörnern, Helmdecken schwarz-golden), Grafschaft Dietz (Helmzier ein offener schwarzer Flug, beiderseits mit dem Schild belegt, Helmdecken rot-golden).

Wappen Leiningen-Westerburg:
Das Wappen seiner Frau Margareta Elisabeth zu Leiningen-Westerburg ist geviert mit Herzschild:

Dazu gehören drei gekrönte Helme (die Helmdecken sind hier farblich inkorrekt gefaßt):

Anmerkung zu Leiningen und Leiningen-Westerburg:
Die Grafen von Leiningen-Westerburg, deren Wappen hier zu sehen ist, sind eigentlich vom Stamm her Herren von Westerburg. Diese wiederum sind eine aus der Stammburg im 13. Jh. verdrängte Linie der Herren von Runkel, von denen Siegfried III. von Runkel durch Heirat einer Gräfin von Leiningen die Herrschaft Westerburg und die Vogtei Gemünden erhielt. Diese Linie nannte sich nun nach ihrer neuen Burg im Westerwald erst zusätzlich, dann allein Herren von Westerburg, denn Ende des 13. Jh. trennten sich die Linien zu Runkel und zu Westerburg endgültig voneinander.

Bei den Grafen von Leiningen müssen wir die älteren Grafen und die neueren unterscheiden. Die Alt-Leininger waren seit dem Ende des 11. Jh. nachweisbare fränkische Grafen, die im Wormsgau und im Nahegau ihre Güter hatten. Sie starben um 1220 mit dem in der Manessischen Liederhandschrift abgebildeten Minnesänger Friedrich (Emich) Graf v. Leiningen aus. Danach übernahmen Abkömmlinge der Grafen von Saarbrücken deren Rolle als jüngere Grafen von Leiningen, weil die Schwester und Erbin des genannten Minnesängers, Liutgarde (Lukardis) v. Leiningen (-1239), Simon II. Graf v. Saarbrücken geheiratet hatte. Ihre Kinder sind Simon III. Graf v. Saarbrücken und Friedrich I. Graf v. Leiningen (-1237), Begründer der neuen Grafenlinie zu Leiningen. Diese Linie nahm Namen und Wappen der Leininger an und bekam aus den Saarbrücker Gütern die Herrschaft Hardenburg, und zu Beginn des 13. Jh. erbte man noch die Reichsgrafschaft Dagsburg, ein Lehen des Bischofs von Straßburg. Das Haus Leiningen teilte sich nun in eine ältere Linie Leiningen-Dagsburg und eine jüngere Linie Leiningen-Hardenburg.

Durch Erbheirat kamen die Westerburger im 15. Jh. an Namen und Wappen der Leininger. Reinhard III. von Westerburg (-22.12.1449) war seit 1422 mit Margarethe verheiratet, der Schwester des letzten Grafen Hesso von Leiningen-Dagsburg (-8.3.1467), über welche die Familie den größten Teil des Territoriums der ausgestorbenen Leininger Grafen der älteren Dagsburger Linie erhielt, und danach kombinierte Enkel Reinhard IV. Namen und Wappen und wurde Reinhard I. Graf von Leiningen-Westerburg. Diese Grafen gliederten sich wiederum in die Zweige Leiningen-Leiningen (in seinen drei Unterzweigen erloschen 1635, 1665 und 1705), Leiningen-Westerburg (erloschen 1597) und Leiningen-Schaumburg, welche sich 1695/1705 in Leiningen-Westerburg-Altleiningen (im Mannesstamm erloschen 1929 mit Gustav Friedrich Oskar, gänzlich 1974) und Leiningen-Westerburg-Neuleiningen (erloschen 1956) teilte.

Dagsburg selbst fiel 1467 an die Linie Leiningen-Hardenburg, die 1466 die lothringische Herrschaft Aspremont erworben hatte, und die sich jetzt Leiningen-Dagsburg-Hardenburg (oder -Hardenberg) nannte. Diese teilte sich 1560 in die 1779 gefürstete Linie Leiningen-Hardenburg-Dagsburg mit heutigem Sitz in Amorbach und die im Grafenstand gebliebene Linie Leiningen-Dagsburg-Falkenburg, deren unterschiedliche Zweige 1706, 1766, 1774, 1910 und schließlich 1925 mit Emich Karl Friedrich Wilhelm August Graf zu Leiningen Herr zu Billigheim (24.4.1839 -31.3.1925) als Letztem der ganzen Linie erloschen.

Es gab also parallel zwei Familien mit dem Namen Leiningen, wobei die einen von der Abstammung im Mannesstamm her Herren von Westerburg und ursprünglich von Runkel waren, die anderen ursprünglich Grafen von Saarbrücken.

Anmerkung zur Komponente Schaumburg:
Hierbei handelt es sich um eine Burg und Herrschaft in der Nähe von Limburg an der Lahn, südlich von Balduinstein. Sie war im 12. Jh. im Besitz der alten Grafen von Leiningen. Als diese um 1220 erloschen, wurde Schaumburg zwischen Nassau bzw. Virneburg, Diez bzw. Weilnau und Isenburg bzw. Limburg in drei Teile aufgeteilt. Der letztgenannte Teil kam über Kurköln, wo zufällig Siegfried von Westerburg auf dem Bischofsstuhl saß, an das Haus Westerburg, welches nach und nach die anderen Teile dazu erwarb und hier eine Unterlinie aufbaute, aber 1656 Schaumburg wieder verkaufte. Als Zeichen für die Herrschaft Schaumburg wird ein goldener Herzschild mit einem blauen durchgehenden Kreuz geführt. Entsprechend wird als Kleinod zu blau-goldenen Decken ein Pfauenstoß geführt, bisweilen zwischen einem Paar blau-goldener Büffelhörner (hier gänzlich golden). Der alte Siebmacher gibt keinen Herzschild an, aber die Helmzier, und deshalb tingiert er die Decken falsch rot-golden, was sich in der Literatur fortpflanzt. Diese Komponente Schaumburg taucht nur bei den Grafen von Leiningen-Westerburg auf und darf nicht mit dem ebenfalls als Herzschild auftretenden silbernen Kreuz auf rotem Feld der Grafen von Leiningen-Dagsburg etc. für Aspremont verwechselt werden.

Position des beschriebenen Wappens:

Wie unabhängig war Hessen-Homburg?
Primogenitur war in den meisten Adelshäusern üblich: Der Erstgeborene erbt den gesamten Besitz und übernimmt die Regierung. Meist, insbesondere bei den wohlhabenderen Fürstenhöfen war das eher nur theoretisch, die Zweitgeborenen oder überhaupt die jüngeren Söhne wurden ebenfalls mit einem Landesteil ausgestattet. Hier haben wir einen klassischen Fall einer Sekundogenitur: Landgraf Friedrich I. von Hessen-Homburg war der jüngste Sohn des in Hessen-Darmstadt regierenden Landgrafen Georg I, der, um seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nachkommen zu müssen, diesem Sohn Stadt und Amt Homburg gab. So kam es zur Entstehung der 1622-1866 existenten Nebenlinie. Hessen-Homburg sollte dem ersten Landgrafen sein Auskommen sichern und eine standesgemäße Lebensführung erlauben, mit landesherrlicher Gewalt war es jedoch vorerst nicht ausgestattet. Landesherr blieb der Landgraf von Hessen-Darmstadt. Mit zunehmender Entfernung vom "Mutterhaus" und deren Nichterfüllung von Verpflichtungen begannen schon früh die Bestrebungen Hessen-Homburgs, sich auch staatsrechtlich von Hessen-Darmstadt zu lösen und unabhängig zu werden, was immer wieder zu Mißverständnissen führte. 1768 wurde schließlich in einem Hausvertrag (sog. „Vergleichspunktuation“) der Verzicht Hessen-Darmstadts auf die Hoheitsrechte über Hessen-Homburg erreicht. 1866 fiel Hessen-Homburg wieder wegen Erbvertrages an Hessen-Darmstadt zurück. Juristisch unabhängig war Hessen-Homburg also nur 1768-1866, 98 Jahre von 244 Jahren des Bestehens der Nebenlinie.

Verwechslungsgefahr: Auch der Sohn hatte eine Frau von Leiningen-Westerburg geheiratet
Hier am Tor zum oberen Schloßhof ist es das Wappen von Friedrich I., aber auch sein Sohn, Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg gen. Prinz von Homburg, geb. am 30.3.1633 in Homburg v. d. Höhe, gest. am 24.1.1708 in Homburg v. d. Höhe, regierte 1680-1708, hatte eine Frau aus der gleichen Familie geheiratet, aber erst in seiner dritten Ehe:

Wappen am Schloßbrunnen
Ein Vergleichswappen von Friedrich II. in Allianz mit Sophia Sybilla von Leiningen-Westerburg ist am Schloßbrunnen angebracht, der in der Mitte des Schloßhofes zwischen stark beschnittenen Platanen steht.

Hier sind als Ehewappen die ovalen Kartuschen Hessen-Homburg und Leiningen-Westerburg zusammengestellt, letzteres inhaltlich identisch mit dem Wappen am Tor, ersteres mit den Hinzufügungen für das Fürstentum Hersfeld (in Silber ein rotes Patriarchenkreuz), die Grafschaft Isenburg-Büdingen (in Silber zwei schwarze Balken) und die Grafschaft Schaumburg (in Rot ein silbernes genageltes Nesselblatt, belegt mit einem silbern-rot geteilten Schildchen). Diese Kombination hat der Bauherr in der Zeit von 1691 bis 1708 geführt.

Literatur:
Hugo Gerard Ströhl, Deutsche Wappenrolle, Reprint von 1897, Komet Verlag Köln, ISBN 3-89836-545-X
Olaf Vieweg, Die Entwicklung des hessischen Wappens bis zur französischen Revolution, Karfunkel 40, ISSN 0944-2677, Juni/Juli 2002, S. 61-62
Siebmacher's Wappenbücher, Fürsten M 1.3.1. 1. Band, 3. Abt. Hoher Adel, 1. Reihe, die mediatisierten Fürstengeschlechter in Deutschland
Siebmacher's Wappenbücher, Souveräne 1.1.1. Hessen
Christian Metz: Schloß Homburg vor der Höhe, Staatliche Schlösser und Gärten Hessens, Broschüre 23, 1. Auflage 2006, ISBN 3-7954-1702-3
Hessische Kunstdenkmäler:
http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/cgi-bin/mapwalk.pl?gg=167954303&obj=8328&session=913&event=Query.Details
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9;
Genealogien:
http://genealogy.euweb.cz/runkel/runkel2.html,
Genealogien:
http://de.wikipedia.org/wiki/Stammliste_des_Hauses_Runkel
Genealogien:
http://de.wikipedia.org/wiki/Stammliste_des_Hauses_Leiningen-Westerburg
Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder - die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. C. H. Beck Verlag München 7. Auflage 2007, ISBN 978-3-406-54986-1, S. 365-369, S. 779
Leiningen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Leiningen-Westerburg,
Leiningen:
http://www.deutsche-biographie.de/xsfz50010.html
Herrschaft Westerburg:
http://de.wikipedia.org/wiki/Herrschaft_Westerburg
Siebmachers Wappenbücher Band Gf, Seite: 20-24, Tafel: 39-52 etc.
Johann Georg Lehmann, Geschichte und Genealogie der Dynasten von Westerburg aus Urkunden und anderen archivalischen Quellen, Verlag Roth, Wiesbaden 1866,
http://books.google.de/books?id=0JVAAAAAcAAJ
Barbara Dölemeyer: Fragmentarische Staatlichkeit. Die Landgrafschaft Hessen-Homburg im Alten Reich und im Deutschen Bund, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Landeskunde zu Bad Homburg v. d. Höhe, Heft 44, Bad Homburg v. d. Höhe 1995, S. 1-64
Barbara Dölemeyer: Die souveräne Landgrafschaft Hessen-Homburg 1816-1866 - ein staatsrechtlicher Anachronismus?, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Landeskunde Bad Homburg v. d. Höhe 65 (2016), S. 23-41
Barbara Dölemeyer: Zeiten und Wenden: Hauptdaten der Landgrafschaft Hessen-Homburg 1622 bis 1866, in: Jahrbuch Hochtaunuskreis 2016, Frankfurt am Main (Societätsverlag) 2015, S. 87-94
Ein herzliches Dankeschön an Frau Barbara Dölemeyer für wertvolle Hinweise zur Identifizierung und den Hinweis auf den Tagebucheintrag des Hofchronisten Heinrich von Silber

Homburg, Bad Homburg vor der Höhe: Schloß, oberes Tor innen - Schloß, unteres Tor - Oberes Tor außen - Hirschgangflügel, NW-Ecke - Königsflügel, Mitte NW-Seite - Königsflügel, Mitte SO-Seite - Königsflügel, Ecke NW-Seite

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