Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2786
Lahnstein (Rhein-Lahn-Kreis)

Die Stadtmauer von Oberlahnstein

Die Stadt Oberlahnstein besitzt noch sehenswerte Reste der mittelalterlichen Stadtmauer, die ganz grob ein Rechteck von ca. 520 m Länge und ca. 200 m Breite umfaßte, mit einer rechteckigen Aussparung an der Martinsburg, der einstigen Zollburg. Die Lahnsteiner Stadtmauer entstand 1324-1411, nachdem König Ludwig der Bayer der kurmainzischen Siedlung Oberlahnstein 1324 das Stadtrecht zugesprochen hatte. Kurz darauf wurde mit dem Mauerbau begonnen. Insgesamt war die Mauer 1,28 km lang, 8 m hoch und hatte 17 Türme und außenherum noch einen Graben von 17 m Breite und 7 m Tiefe. Wie Jahreszahlen und Wappensteine belegen, fanden auch noch später Ergänzungen, Verbesserungen und Reparaturen statt. Diese aus Bruchsteinmauerwerk errichtete Anlage bestand bis zum Anfang des 19. Jh. 1811 riß man die Vorwerke der vier Tore ab. Drei der vier Tore, die im Norden, Osten und Süden der Altstadt, wurden 1818-1838 abgerissen. 1860 wurde die Eisenbahn gebaut, dem fielen weitere Abschnitte der Befestigung zum Opfer, denn auf 203 m Länge diente die zerstörte Stadtmauer als Unterlage der Bahntrasse entlang des Rheinufers. Andere Türme wurden meistbietend an Privatleute versteigert. Von den ursprünglich 1,28 km Verlauf sind heute noch 392 m Mauer übrig, von den vier Toren eines, von den Vorwerken keines, von den 17 Türmen sechs.

Der Verlauf ist noch gut nachzuvollziehen, jenseits der Bahnlinie existiert parallel zum Rhein ein langes Stück zwischen dem Köln-Düsseldorfer-Anleger und der Martinsburg. Direkt bei der unter der Bahn hindurchführenden Brunnenstraße steht ein rechteckiger, 15 m hoher Torturm mit dem Kihrstor, dem einzigen noch erhaltenen Tor der Stadtbefestigung. Es gab insgesamt 4 Tore mit Zugbrücken, je eines an jeder Längs- und Schmalseite des Rechtecks, die jeweils außen durch ein Vorwerk geschützt waren. Das Kihrstor (der Name ist vielleicht von einer Kirche abgeleitet) besitzt einen Zinnenkranz und ein Treppentürmchen. 1862 wurde eine Bahnunterführung so in den Bahndamm eingebaut, daß das Tor als Abschluß derselben dient; die Durchfahrt wurde entsprechend aufgeweitet und ausbetoniert. Die Deutsche Bahn AG ist auch heute noch Eigentümerin des Torturms.

Dann verlief die Mauer südwärts bis zur Martinsburg, bildete dort einen aussparenden Winkel, lief entlang der Schloßgasse, kreuzte die Hochstraße und setzte sich an der Hintermauergasse fort. Der Weinsberger Turm bildete den Ansatz der Stadtbefestigung an die Martinsburg. In Richtung Braubach stand an der Ausfallstraße nach Süden (Hochstraße) früher das Obertor, es wurde abgerissen. Zwei Wappensteine des Obertores wurden sekundär in ein Gebäude an der Hochstraße 81 ("Altes Haus") eingelassen, zusammen mit der Jahreszahl 1507. Es handelt sich bei dem Bauherrn um den Mainzer Fürstbischof Jakob von Liebenstein (1504-1508), dessen Wappen geviert ist, Feld 1 und 4: in Rot ein silbernes achtspeichiges Rad, Erzstift Mainz, Feld 2 und 3: von Silber und Schwarz dreimal geteilt, Stammwappen der von Liebenstein. Hier entspricht der Anstrich in keiner Weise heraldisch korrekten Tinkturen. Das Obertor wurde im 19. Jh. abgerissen; diese Steine befinden sich nur wenige Meter vom ursprünglichen Standort entfernt.

 

Beide Abb.: Pulverturm

Die Südostecke des Rechtecks ist hier leicht ausgerundet, und die Ecke wird vom 24,25 m hohen Pulverturm oder Brauereiturm gebildet (Hintermauergasse 29). Früher wurde er u. a. als "dicker Turm", "Stumpsturm" oder "Zipps Turm" bezeichnet. Der Name "Pulverturm" taucht erstmals 1727 auf, vermutlich weil man das Pulvermagazin aus Sicherheitsgründen von der Martinsburg hierher verlegt hatte. Das ist der einzige datierte Turm der Stadtmauer, er wurde 1411 errichtet, wie auf einer Inschrift auf dem vierteiligen Sandsteinrelief in einer Nische auf der Ostseite zu lesen steht: "Anno d(omi)ni mccccxi completu(m) est ergna(n)te d(omi)no jehanne de massauue" (sic, Massau statt Nassau, ergnante statt regnante) - im Jahre des Herrn 1411 wurde das Werk vollendet unter der Regierung des Herrn Johann von Nassau. Das von Vögeln zugeschissene Relief zeigt den Landesherrn mit Mitra und Krummstab vor einem Kruzifix kniend, am rechten Rand der Nische das Wappen des Mainzer Erzbischofs Johann II. von Nassau-Wiesbaden-Idstein (ca. 1360-1419, regierte 1397-1419). Das Wappen ist geviert, Feld 1 und 4: in Rot ein silbernes, sechsspeichiges Rad, Erzstift Mainz, Feld 2 und 3: in Blau mit goldenen Schindeln ein goldener Löwe, Stammwappen des Hauses Nassau, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken auf einem roten Kissen ein achtspeichiges silbernes Rad, Hochstift Mainz. Der außen runde, innen sechseckige Turm besitzt einen Durchmesser von 10,20 m und ist innen in vier Stockwerke aufgeteilt. Der Turm, der heute zur außerhalb der Mauer befindlichen Lahnsteiner Brauerei gehört, kann im Rahmen von Stadtführungen bestiegen werden. Innen ist er mit neuen Betondecken ausgestattet. Der ursprüngliche Hocheingang liegt stadtseitig 4,90 m über der Laufhöhe des Wehrgangs. Oben wird der Turm durch eine Zinnenmauer abgeschlossen, die auf einem gotischen Blendspitzbogenfries mit mehreren Maschikulis ruht. Von dort oben bietet sich ein beeindruckender Blick auf die Altstadt und insgesamt vier Burgen (Martinsburg, Lahneck, Stolzenfels und Marksburg), auf vier Mittelgebirge und die Flußtäler.

Nach dem Pulverturm zieht sich die Mauer nordwärts entlang der Hintermauergasse, ist aber nur in Fragmenten erhalten. Ein sechseckiger, 16 m hoher Turm steht zwischen der Schulstraße und der Langwiesergasse, der "kleine Wehrturm" (Hintermauergasse 25). Er war einer der Hauptzugänge zum Wehrgang der Stadtmauer. Stadtseitig ist das Obergeschoß in Fachwerk ausgeführt. Seit 1955 ist er in städtischem Besitz; er wurde 1976 renoviert. Wo die Burgstraße quert, stand früher das Viehtor, und die Straße hieß früher auch Viehstraße. An der Ecke zwischen Hintermauergasse/Blankenberg und Frühmesserstraße steht ein 14 m hoher Turm mit polygonalem Querschnitt, der sogenannte Bürgerturm (Hintermauergasse 1). Früher wurde er Gysenthorme, Geisenthorm und dicker Turm genannt. Er wurde 2000/2001 saniert.

Abb.: Turmplatz. Links oben der nachfolgend im Detail abgebildete Wappenstein.

Am Blankenberg selbst ist nichts mehr erhalten, und die Stadthalle überbaut den weiteren Verlauf. Der Name Blankenberg hat aber eine interessante Wurzel: Als es noch keine Stadtmauer gab, war der romanische Salhof durch Planken = Palisaden geschützt. Nördlich der Stadthalle umschließt ein 100 m langes und gut erhaltenes und mit überdachtem Wehrgang, wie er früher reihum verlief, 1964 rekonstruiertes Teilstück mit einem sehr großen und mächtigen Turm und mit einem modernen Tordurchgang den Salhofplatz. Hier ist auf der Außenseite zum Turmplatz hin ein sandsteinerner Wappenstein eingelassen, der dem Mainzer Fürstbischof Diether II. von Isenburg zuzuordnen ist, der 1459-1461 (erste Amtszeit) und 1475-1482 (zweite Amtszeit) regierte. Das Wappen ist geviert, Feld 1 und 4: in Rot ein silbernes, sechsspeichiges Rad, Erzstift Mainz, Feld 2 und 3: in Silber zwei schwarze Balken, Stammwappen der von Isenburg-Büdingen. Dieser Stein wurde bei den Restaurierungsarbeiten gefunden und hier eingebaut; der originale Kontext seiner Anbringung ist nicht bekannt. Ein ganz ähnlicher Wappenstein des gleichen Fürstbischofs ist über dem äußeren Mauertor (Grabentor) der Burg Lahneck eingemauert (ohne Abb.), er ist aber fast bis zur Unkenntlichkeit verwittert.

Abb.: Wappen des Mainzer Fürstbischofs Diether II. von Isenburg am Turmplatz

Früher gab es noch weitere Wappensteine an der Mauer, die aber alle verloren sind. An der Stadtmauer nördlich des Bürgerturms war z. B. ein Wappenstein des Fürstbischofs Jakob von Liebenstein eingemauert, ein Stein, der zuletzt 1842 belegt ist. Danach wurde die Mauer zum Bau des Hauses Blankenberg 15 abgerissen. Ein weiterer Wappenstein war früher zwischen dem Salturm und dem Michelstor angebracht, das war einer des Fürstbischofs Dieter I. Schenk von Erbach; der Stein wurde letztmalig 1881 gesehen und ist heute verschollen. Ebenfalls für Dieter I. Schenk von Erbach wurde ein Wappenstein 1436 für das Vortor des Obertors angefertigt, das ist zwar urkundlich belegt, aber auch dieser Stein ist verschollen, vermutlich wurde er beim Abriß im 19. Jh. zerstört.

Der achteckige Hexenturm, früher Folterturm genannt, diente früher als Gefängnis (Salhofplatz). Der Name erinnert an die Hexenverfolgungen im 16. und 17. Jh. Er ist seit 1890 im Besitz der Stadt und wurde 1978 mit einem Zinnenkranz auf dem Bogenfries versehen. Die Aussichtsplattform liegt in 26 m Höhe. Der Hauptraum im Inneren dient als Trauzimmer und als Empfangszimmer der Stadt (Schöffensaal im 2. OG). Im Hexenturm ist weiterhin das Museum der Stadt untergebracht.

Abb.: Salhofplatz mit Hexenturm.

Am Salhof stand früher das Michelstor, das den Ausgang in Richtung Koblenz bewachte. Wenn wir dem Verlauf weiter folgen, sehen wir noch einen runden Turm zwischen dem Caritas-Altenzentrum St. Martin und dem Haus der katholischen Pfarrgemeinde St. Martin, den 14,25 m hohen Salturm, an den noch beiderseitig je 22 m Mauerreste angrenzen (bei Kirchstraße 6). Der Turm, der einen Durchmesser von 7 m besitzt, gehört der Pfarrgemeinde und wird von einer Jugendgruppe genutzt. Die Mauer ging dann Richtung Rheinufer bis jenseits der Bahnlinie. Dort bildeten früher der Burgturm und der Niedere Turm zwei Ecken einer etwas stärkeren Befestigung, die eine Art Gegenstück zur Martinsburg bildete, und von dort ging es entlang der Rheinpromenade wieder nach Süden. Zwischen der nordwestlichen Eckbefestigung und dem Kihrtor standen noch der Ochsenturm mit einer Nebenpforte und der Mittelturm.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.3018396,7.6088786,16z - https://www.google.de/maps/@50.2998806,7.6056975,456m/data=!3m1!1e3
Stadtmauer Oberlahnstein, in: KuLaDig, Kultur Landschaft Digital,
https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-255011Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler, Rhein-Lahn-Kreis = Denkmalverzeichnis Rhein-Lahn-Kreis, Mainz 2016 http://denkmallisten.gdke-rlp.de/Rhein-Lahn-Kreis.pdf
Historischer Ortskern von Oberlahnstein, in: KuLaDig, Kultur Landschaft Digital,
https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-256282
Bürgerturm in Oberlahnstein, in: KuLaDig, Kultur Landschaft Digital,
https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-252529
Hexenturm in Oberlahnstein, in: KuLaDig, Kultur Landschaft Digital,
https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-252525
Kihrstor in Oberlahnstein, in: KuLaDig, Kultur Landschaft Digital,
https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-252758
Kleiner Wehrturm in Oberlahnstein, in: KuLaDig, Kultur Landschaft Digital,
https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-252527
Pulverturm in Oberlahnstein, in: KuLaDig, Kultur Landschaft Digital,
https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-252526
Salturm in Oberlahnstein, in: KuLaDig, Kultur Landschaft Digital.,
https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-252528
Stadtmauerhäuschen in Oberlahnstein, in: KuLaDig, Kultur Landschaft Digital,
https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-252530
Stadtbefestigung auf der Seite der Stadt Lahnstein:
https://www.lahnstein.de/tourismus/sehenswuerdigkeiten/stadtbefestigung/
Welterbe Mittelrheintal:
https://www.welterbe-mittelrheintal.de/a-wehrgang-und-hexenturm
Michael Hans Peter Eisenbarth: Spuren des Mittelalters in Lahnstein - eine Beschreibung aller Bauwerke, hrsg. vom Verein Lahnsteiner Historientürme e. V., 1. Auflage 2020, S. 6-26, S. 40-53, S. 105-111, S. 116-123.

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