Bernhard Peter
Der Goldene Schnitt - Einführung

Der sog. Goldene Schnitt (sectio aurea) bezeichnet eine traditionell in der Kunst und insbesondere in der Proportionslehre der Architektur als harmonisch empfundene Aufteilung. Es ist ein in rationalen Zahlen nicht ausdrückbares Teilungsverhältnis. Es handelt sich um eine zwar ästhetisch begründete Proportion, die aber nicht willkürlich ist, sondern durch so viele verschiedene geometrische Konstruktionen und mathematische Beziehungen erreicht werden kann, daß diese Proportion zu Recht als eine Grundzahl harmonischen geometrischen Wachstums bzw. geometrischer Teilung bezeichnet werden kann.

Auch wenn der Goldene Schnitt schon seit der Antike als harmonische Teilung bekannt war, ist die Bezeichnung als solche relativ neu. Wahrscheinlich war die Teilung schon Platon bekannt, beschrieben wurde sie zuerst von dem Mathematiker Euklid als "Teilung im äußeren und mittleren Verhältnis". Seit der Renaissance war die Proportion auch als Göttliche Proportion (proporzione divina) bekannt. Geprägt wurde dieser Name von dem Theologen und Mathematiker Luca Pacioli (ca. 1445-1510), während die Fibonacci-Folgen ihren Namen von dem Mathematiker Leonardo da Pisa, genannt Fibonacci, bekommen haben. Der Name "proporzione divina" ist religiös motiviert, weil er in den drei so harmonisch verknüpften Streckenabschnitten ein Symbol für die göttliche Trinität sah. Leonardo Da Vinci prägte den Ausdruck "Sectio aurea", Goldener Schnitt, ein Begriff, der sich in der Folgezeit und insbesondere im 19. Jh. durchsetzte.

Insbesondere in der Proportionslehre der Architektur stellt die nach oben wie nach unten offene Erweiterbarkeit der Proportion einen geometrischen Rahmen dar, in den sich mühelos alle wesentlichen Baumaße harmonisch einordnen lassen und zu einem zusammenhängenden Kunstwerk vereint werden können - im Gegensatz zu z. B. modischen additiven Modulkonzepten.

In jüngerer Zeit wurden die Proportionen und insbesondere die Fibonacci-Verhältnisse in der Natur bei schraubenförmigem Wachstum (Zapfen, Blattstellungen, Schimpersches Gesetz) wiederentdeckt. Der Mythos der ästhetischen Proportion, die Faszination dieser irrationalen Zahl ist bis heute ungebrochen.

Definition des Goldenen Schnittes:
Unterteilung einer Strecke in der Art, daß sich der kleinere Abschnitt zum größeren wie der größere zur ganzen Strecke verhält. Diese Unterteilung bzw. dieses Verhältnis findet das Auge besonders harmonisch.

mit c/b = b/a bzw. c/b = b/(c + b)

bzw.

Euklid formulierte den Goldenen Schnitt ca. 330 als folgende Aufgabe: Eine gegebene Strecke a sei so zu teilen, daß das Rechteck aus der ganzen Strecke und dem einen Abschnitt gleich dem Quadrat über dem anderen Abschnitt ist. Das ist nach Umformen nichts anderes als das oben definierte Verhältnis.

 

Die Rolle des Goldenes Schnittes in der Natur:

Die Rolle des Goldenes Schnittes in der Architektur:
Beim Aufriß architektonischer Proportionen ist der Goldene Schnitt ein wichtiges Prinzip neben den ganzzahligen Teilungen, den Quadraturen und Triangulaturen oder anderen Kreisteilungen. Wegen des Problemes der praktischen Handhabbarkeit spielt der Goldene Schnitt jedoch nicht die Rolle, die ihm gerne zugedacht wird. Gerade in den Epochen der Romanik und Gotik sind Triangulaturen und Quadraturen vermutlich aus praktischen Gründen die beliebteren Entwurfsprinzipien. Als alleiniges Konstruktionsprinzip ist der Goldene Schnitt zudem selten, weitaus häufiger findet man ihn in Kombination mit anderen Proportionsprinzipien.

Modellhafte Palazzofassade, wobei die markierten Abstände jeweils die Proportionen des Goldenen Schnittes haben:

Modellhafte Arkaden, entwickelt aus Quadrat und Goldenem Schnitt:

Dennoch hat sich bei Künstlern bis auf den heutigen Tag die Faszination dieser irrationalen Zahl erhalten.

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Geometrische Konstruktionen (1) - Geometrische Konstruktionen (2)
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Fünfecke, Zehnecke, Ikosaeder und der Goldene Schnitt
Mathematik des Goldenen Schnittes
Die Zahl des geometrischen Wachstums bzw. der geometrischen Teilung
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