Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3101
Passau (Niederbayern)

Palais Lamberg

Das Palais Lamberg bildet den westlichen Abschluß des Domplatzes (Domplatz 6). Nicht ganz, doch die 32 m breite Fassade des Gebäudes, in dem sich aktuell eine Filiale der kirchlichen, 1917/1919 in Regensburg als Genossenschaftsbank gegründeten Liga Bank eG und Teile der Bistumsverwaltung wie das Bischöfliche Sekretariat befinden, dominiert die 57 m breite Schmalseite des Platzes durch ihre aufwendige spätbarocke Gestaltung mit Tiefenrhythmisierung und feinen Dekorationselementen stärker als der rechts anschließende, leicht nach hinten abgewinkelte und 24 m breite Bau mit dem Domladen. Das langgestreckte Stadtpalais mit einer der schönsten Fassaden der Altstadt ist dreigeschossig mit Attika und besitzt einen Mittelrisalit. Es gibt insgesamt acht Fensterachsen, vier Achsen für den Mittelrisalit und je zwei seitlich. Aufgrund der ungewöhnlichen, geraden Achsenzahl ist das mittig zwischen die vierte und fünfte Achse gesetzte Portal unter den mittleren Pilaster des Mittelrisalits positioniert. Das Portal ist fast zwei Achsen breit. Die Fassade ist in ein rustiziertes Erdgeschoß mit rechteckigen Fenstern, in ein hohes Obergeschoß mit hohen Rechteckfenstern und anschließendem Mezzaningeschoß gegliedert, wobei die Achsen in den beiden Obergeschossen jeweils durch gestufte Kolossalpilaster voneinander separiert sind. Die Dekorationselemente wie die Kapitelle steigern sich zur Mitte hin.

Eine gewisse historische Bedeutung hatte der Kanonikatshof Lamberg, weil in einem Vorgängerbau an dieser Stelle am 22.5.-2.8.1552 nach dem Fürstenaufstand der Passauer Religionsvertrag zwischen König Ferdinand I. und den protestantischen Reichsfürsten vorbereitet und abgeschlossen wurde, ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Augsburger Religionsfrieden von 1555. Man ließ 1790 eine entsprechende Gedenktafel an der Fassade anbringen. Das "hier" ist dabei relativ, denn erstens damals sah die Bebauung ganz anders aus, und das Palais in der heutigen Form entstand nach mehreren Bränden in den Jahren 1662 und 1680 erst 272 Jahre später. Und zweitens wurde hier nur der Vertrag ausgehandelt, unterzeichnet wurde er in Rödelheim. Eine zweite historische Bedeutung hat diese Stelle, weil sich in diesem Gebäude einst der berühmte Passauer Liedertisch befand, ehe er nach Wien ins Museum kam. Das Palais wurde nach dem letzten großen Stadtbrand 1724 "von den Fundamenten aufwärts" wiederaufgebaut und spätbarock gestaltet, wobei der Baumeister nicht bekannt ist, einiges spricht für den Linzer Johann Michael Prunner, anderes für Domenico d’Angeli.

Die von einem Puttenkopf gekrönte Kartusche unter dem Wappen trägt die Bauinschrift, die die Rolle des Gebäudes beim Religionsfrieden, die Brände und den Wiederaufbau sowie den Bauherrn nennt: "MEMO: SACR: / HAC. AEDE. TRANSACTIO. PASSAVIEN: / CONCLUSA. AN: MDLII. II. AUG: / EXUSTAM. AN: MDCLXII. ET. MDCXXC. / E. FUNDAM: RESTITUIT. AUXIT ORNAVIT. / ANTON: JOSEPH. S. R. I. Com. / A. LAMBERG. / L. B. IN. STAIN &. GUTTENBERG. / CAN. RATISB: & PASSAVI: / MDCCXXIV".

Der Bauherr des Umbaus von 1724 war Anton Joseph Graf von Lamberg Frhr. in Stein und Gutenberg (4.12.1687-1755), Passauer Kanoniker am 1.8.1709, Domherr, Weihbischof und Offizial in Passau, daneben auch Domherr in Regensburg, 1752 Dompropst in Passau. Er war der Sohn von Franz Adam von Lamberg-Stein-Guttenberg und Anna Elisabeth von Juritsch. Seine Großeltern väterlicherseits waren Johann Georg von Lamberg und Maria Magdalena Ursini von Blagay. Die Urgroßeltern väterlicherseits waren Johann Georg von Lamberg (-1628) und Katharina Gräfin von Tattenbach (1588-). Auch ein Neffe dieses Domherrn war Passauer Kanoniker, das war Joseph Felix Adam Simeon Graf von Lamberg Frhr. von Stein und Gutenberg (18.2.1734-1795), Passauer Kanoniker am 15.5.1752, Kapitular am 18.2.1758, Stiftspropst in Matsee, 1764 Passauer Dompropst. Sein in die Kartusche nur eingemaltes und zum Teil in falschen Farben ausgeführtes Wappen ist in korrekter Form geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: gespalten, rechts dreimal silbern-blau geteilt, links ledig und rot (Stammwappen Lamberg), Feld 2 und 3: in Gold eine schwarze Bracke mit goldenem Halsband (erloschene von Podwein), Herzschild: in Rot zwei silberne, aufspringende, einander zugewandte Windspiele, mit goldenen Halsbändern, die zwischen sich eine aufrechte silberne Leiter mit vier Stufen halten (della Scala, von der Leiter).

 

Wie die meisten benachbarten Häuser war auch dieses Gebäude bis 1803 ein Kanonikatshof. Nach seinem zeitweiligen Besitzer Ende des 18. Jh., dem Passauer und Salzburger Domherrn Joseph Johann Graf von Starhemberg, wird der Hof auch Starhemberghof genannt. Danach war das säkularisierte Gebäude 1805-1897 Sitz des Passauer Postamtes. Früher hatte das Palais eine bedeutende barocke Innenausstattung, insbesondere im ehemaligen Festsaal im rückwärtigen Westtrakt, doch die wurde beim Umbau zum Postamt insbesondere für die technischen Telegrapheneinrichtungen zerstört. Das Bistum Passau kaufte im Jahr 1900 das Palais an und nutzte es als Sitz für verschiedene kirchliche Institutionen, das bot sich an, weil die Nachbargebäude links und rechts daneben schon so genutzt wurden, links das Studienseminar St. Stephan, rechts das Seminar St. Valentin. 1919 brach man das 1724 errichtete Gartenhaus ab. Ab 1933 wurde das Palais wieder für Wohnungen genutzt. 1949-1959 hatte das Diözesanmuseum seine Ausstellungsräume im 1. Obergeschoß. Es kam noch im 20. Jh. zu schwerwiegenden Eingriffen in die Bausubstanz, so wurden 1946 im Erdgeschoß im südlichen (linken) Teil die Gewölbe abgebrochen, 1952 wurde der rückwärtige Flügel, wo sich früher der Festsaal befand, komplett abgerissen, weil das Haus St. Valentin dorthin erweitert wurde, und 1963 wurde ein weiterer Flügel im Süden komplett abgerissen und modern neu erbaut. Weitere Umbauten folgten 1982 und 2008. Das heißt, daß von der einstigen Anlage nur noch das Äußere des vorderen Flügels zum Platz hin existiert, ein immer noch beeindruckender Rest einer früher mal einzigartigen Gesamtanlage.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@48.5745525,13.4628293,20z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@48.5745525,13.4628293,83m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Peter Morsbach, Irmhild Heckmann, Christian Later, Jörg-Peter Niemeier: Kreisfreie Stadt Passau, Bd. 1 und Bd. 2, hrsg. vom Bayerischen Amt für Denkmalpflege München, Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Denkmäler in Bayern, Bd. II. 25, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2014, ISBN 978-3-7917-2552-9, S. 78-79
Ludwig Heinrich Krick: Das ehemalige Domstift Passau und die ehemaligen Kollegiatstifte des Bistums Passau, chronologische Reihenfolgen ihrer Mitglieder von der Gründung der Stifte bis zu ihrer Aufhebung, Waldbauer, Passau 1922, 280 S.,
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bvb:355-ubr27812-6 - http://digital.bib-bvb.de/view/action/nmets.do?DOCCHOICE=19570976.xml
Familie der Grafen von Lamberg: https://de.wikipedia.org/wiki/Lamberg_(Adelsgeschlecht)
Lamberg-Palais auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Lamberg-Palais_(Passau)
Lamberg-Palais im Regio-Wiki Niederbayern: https://www.niederbayern-wiki.de/wiki/Lambergpalais_(Passau)

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