Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3103
Passau (Niederbayern)

Der Wittelsbacherbrunnen auf dem Residenzplatz

Einst befand sich hier der zentrale Marktplatz der Stadt, und auch heute noch gruppieren sich hier Marktstände um den Brunnen. Der Platz wechselte seine Funktion mit dem Anfang des 18. Jh. erfolgten Bau der südlich den Platz begrenzenden neuen bischöflichen Residenz; das Marktgeschehen wurde auf den Neumarkt verlagert. Entsprechend wurde das auch in der Namengebung deutlich: Früher hieß der Platz "Unter den Krämern", nun wurde er "Hofplatz" genannt, und 1884 benannte man ihn in "Residenzplatz" um. Ebenso oft wurde die öffentliche Wasserversorgung an dieser Stelle geändert: Im Jahre 1555 errichtete man auf der Westseite des Marktplatzes den Marienbrunnen, mit für die Renaissancezeit typischer Gestaltung mit rundem Trog, umgebenden Gitter, zentraler Brunnensäule mit einem Gerüsteten als Bekrönung und mit vier Röhren, zu jeder Seite eine. Dieser Brunnen wurde 1859 abgebrochen und in den Brunnenhof des Alten Rathauses versetzt. Die dortige Brunnenfigur ist aber eine Kopie; das Original befindet sich im Oberhausmuseum. Der Trog im Rathaushof ist jedoch das Original. 1860 stellte man hier einen nächsten Brunnen auf, den Marienbrunnen. Die Marienfigur steht heute im städtischen Maierhofspital. Zwei Jahre vor der Hundertjahrfeier der Zugehörigkeit zu Bayern machte man sich Gedanken um eine Neugestaltung und beauftragte schließlich 1904 den Münchener Bildhauer Jakob Bradl (1864-1919) mit der Schaffung eines monumentalen Brunnens für den kleinen Platz in neobarocken Formen. Die Steinmetzarbeiten erledigte die Firma Lang in Kelheim aus Donaukalkstein. 1906 wurde der fertiggestellte Brunnen in Passau aufgebaut. Das Becken ist ein Dreipaß mit geschweiften Konturen und wechselnden konvexen und konkaven Partien. An den drei Beckenscheiteln sind drei Kartuschen angebracht, die die ganze Höhe des Beckens einnehmen. Der Brunnenstock trägt Muschelbecken, Delphinpaare und Fischmaskarons sowie Engelshermen, alles Allegorien der drei Flüsse Passaus, was sich auch in der Dreizähligkeit der Komposition und des Beckens widerspiegelt. Die Balustersäule trägt eine Muttergottes als Schutzherrin Bayerns.

Eine der drei am Brunnentrog angebrachten Kartuschen trägt die Stiftungsinschrift: "ZUR / ERINNERUNG AN DIE 100 / JÄHRIGE ZUGEHÖRIGKEIT / DER STADT PASSAU ZUR KRONE / BAYERN / 1803 - 1903". Streng genommen fiel Bayern mit der Säkularisation 1803 zunächst an das seit 1623 bestehende Kurfürstentum Bayern, das 1806 zum Königreich Bayern wurde und bis 1918 Bestand hatte. 1803 war die korrekte Kopfbedeckung des bayerischen Herrschers der Kurhut. Die "Krone Bayerns" ist die anläßlich der Erhebung Bayerns zum Königreich 1806 in Paris von Martin-Guillaume Biennais angefertigte Krone in der Schatzkammer der Münchner Residenz. Da der Künstler des Brunnens 1903 den Gestaltungswettbewerb gewann und der Brunnen erst 1906 hier aufgebaut wurde, paßt es wieder mit den 100 Jahren Zugehörigkeit zur "Krone" Bayerns, auch wenn es da schon 103 Jahre Zugehörigkeit zu Bayern in welcher politischen Form auch immer waren.

Die am Brunnentrog angebrachte und von Blumen- und Fruchtgebinden umspielte Wappenkartusche zeigt den Passauer Wolf, der rot in silbernem Feld erst als Hochstiftswappen und dann als Stadtwappen von Passau geführt wurde. Für das Fürstbistum Passau ist dieses Wappenbild seit dem 13. Jh. belegt. In der um 1350 entstandenen Züricher Wappenrolle wird schon der Passauer Wolf auf der Fahne des Bischofs dargestellt. Die Stadt übernahm das Symbol vom Hochstift; seit dem Arlberger Wappenbuch ist der Passauer Wolf als Symbol der Stadt um 1402 nachweisbar. Zunächst wurde das Wappen in Kombination mit dem hl. Stephanus geführt. Der Stadt wurde 1432 im sogenannten "Fünferspruch" der Wolf als alleiniges Symbol bewilligt. Seit dem Siebmacher von 1605 wurde dem Wolf ein blauer Schrägbalken aufgelegt, zur Unterscheidung vom Hochstiftswappen, was sich aber nicht durchsetzte und ab 1803 überflüssig war, da es das Hochstift seit der Säkularisation nicht mehr gab. In der Neuzeit ist es umgekehrt, nicht die Stadt differenzierte sich heraldisch vom Fürstbistum, sondern das Bistum von der Stadt, denn das moderne Bistum Passau, die Diözese also, führt in Silber unter einem schwarzen, mit einem goldenen durchgehenden Balkenkreuz belegten Winkelschildhaupt einen roten Wolf, der in seinen Vorderpranken einen goldenen Bischofsstab hält. Die dritte Kartusche (ohne Abb.) am Brunnenbecken trägt das Wappen des Königreichs Bayern.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@48.5742696,13.4672113,21z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@48.5742696,13.4672113,42m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Peter Morsbach, Irmhild Heckmann, Christian Later, Jörg-Peter Niemeier: Kreisfreie Stadt Passau, Bd. 1 und Bd. 2, hrsg. vom Bayerischen Amt für Denkmalpflege München, Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Denkmäler in Bayern, Bd. II. 25, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2014, ISBN 978-3-7917-2552-9, S. 216-217
Passauer Wolf auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Passauer_Wolf
Stadtwappen Passau, Haus der bayerischen Geschichte:
https://hdbg.eu/gemeinden/index.php/detail?rschl=9262000
Stadtwappen Passau im Heraldry-Wiki:
https://www.heraldry-wiki.com/wiki/Passau

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