Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3100
Passau (Niederbayern)

Streibl-Haus (ehem. Hofpfennigamt)

In diesem vierstöckigen, bis auf den Wappenstein und Eckquaderung schmucklosen, eigentlich wenig anziehenden Wohn- und Geschäftsgebäude direkt an der Ecke zum Dietrich-Bonhoeffer-Platz und neben der evangelischen Stadtpfarrkirche St. Matthäus (Theresienstraße 14) befinden sich heute eine Pizzeria und ein Reisebüro. Der hier gezeigte Wappenstein ist direkt über der Tür zur Pizzeria zwischen Verkehrszeichen und Restaurantwerbung zu finden. Das Haus wird Streibl-Haus genannt nach dem Besitzer Josef Streibl, der hier 1867-1873 Gastwirt war. Das Haus stammt ursprünglich aus dem Mittelalter, wurde aber so oft umgebaut, daß man den bis zum zweiten Obergeschoß reichenden mittelalterlichen Kern nur noch anhand der dicken Mauern nachvollziehen kann. Auf dem Portal zeugt die Jahreszahl 1587 von einem Umbau. Das Gebäude war seit dem späten Mittelalter Gastbetrieb. Bei den Bränden 1662 und 1680 wurde das Anwesen zerstört. Danach wurde das Haus vom Fürstbischof als Hofpfennigamt um 1710 mit Vorschußmauer und doppeltem Grabendach mit Holzschindeldeckung wiederaufgebaut. Aus dieser Zeit stammt die Wappentafel über dem Eingang. Ab 1786 wohnte hier der fürstliche Hof- und Geheimrat Heinrich Christoph Edler von Jäger. 1803 kam das Gebäude in bürgerlichen Besitz. 1874 wurde das bisherige Dach durch ein blechgedecktes Flachsatteldach ersetzt. 1889 wurde das Haus noch einmal umgebaut. Dabei wurde die Dachzone zum Vollgeschoß ausgebaut. Der Einbau der großen Fenster im 3. Obergeschoß und der Schaufenster im Erdgeschoß veränderten das Erscheinungsbild nachhaltig und nicht zum Vorteil. Hinten schließt sich an der Westseite ein zweigeschossiges Rückgebäude an, das waren früher Ställe, die 1829 aufgestockt wurden. Anfang des 19. Jh. war hier der Poststall untergebracht. Seit einem weiteren Umbau 1982 gibt es hier auch Wohnungen. Ein weiterer Umbau schuf 1999 im Erdgeschoß Platz für eine Gaststätte.

Das Wappen an der Hauptfassade zur Theresienstraße hin ist das des Passauer Fürstbischofs Johann Philipp Graf von Lamberg (25.5.1652-20.10.1712). Dieser Fürstbischof entstammte einer Familie, die im Passauer Domstift zahlreiche Kanoniker und Domherren unterbrachte. Auch sein Bruder, Georg Sigmund Graf von Lamberg Frhr. von Ortenegg und Ottenstein (20.12.1641-1672) war in Passau zeitweise Kanoniker am Domstift, resignierte 1663 aber zugunsten seines Bruders Johann Philipp, und dieser machte dann die große Karriere als Fürstbischof, während der Bruder als Malteser-Komtur endete. Auch vier der Neffen des Fürstbischofs waren in Passau Domherren, Franz Anton Graf von Lamberg (30.9.1678-23.8.1739), Joseph Dominikus Franz Kilian Graf von Lamberg (8.7.1680-30.8.1761), Johann Ferdinand Graf von Lamberg (11.1.1689-16.10.1764) und Franz Alois Ignaz Wenzel Graf von Lamberg (27.9.1692-6.10.1732), von denen der zweitgenannte ebenfalls Passauer Fürstbischof wurde. Und auch nach oben war Bischof Johann Philipp bestens mit anderen Domherren aus der Familie vernetzt, denn er war der Großneffe von Johann Jakob von Lamberg und Karl von Lamberg, und der Stiefneffe (Sohn des Halbbruders) von Johann Sigmund von Lamberg, alles Passauer Domherren.

Das in den vier Ecken des Steines auf das Jahr 1710 datierte Wappen ist geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: gespalten, rechts dreimal silbern-blau geteilt, links ledig und rot (Stammwappen Lamberg), Feld 2 und 3: in Gold eine schwarze Bracke mit goldenem Halsband (erloschene von Podwein), Herzschild: in Rot zwei silberne, aufspringende, einander zugewandte Windspiele, mit goldenen Halsbändern, die zwischen sich eine aufrechte silberne Leiter mit vier Stufen halten (della Scala, von der Leiter). Alle Felder des Hauptschildes sind hier stark damasziert. Das Wappen wird ohne Oberwappen, aber mit Krummstab schrägrechts, gestürztem Schwert schräglinks und Vortragekreuz aufrecht hinter dem Schild geführt. Als Fürstbischof führte er 1689-1700 einen grünen Galero mit 2x 6 grünen Fiocchi, der aber selten heraldisch in Erscheinung tritt. Hier führt er einen Galero mit 2x 10 (1:2:3:4) Fiocchi, um auf seine neue Kardinalswürde hinzuweisen, wenn auch das damals noch nicht so streng nach dem heutigen Schema gehandhabt wurde, das wesentliche Merkmal seiner Kardinalswürde war die rote Farbe. Als Kardinal hätte er sogar ab 1700 nach heute gültigem Schema einen roten Galero mit 2x 15 roten Fiocchi führen dürfen.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@48.5737583,13.4605185,21z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@48.5737583,13.4605185,42m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Peter Morsbach, Irmhild Heckmann, Christian Later, Jörg-Peter Niemeier: Kreisfreie Stadt Passau, Bd. 1 und Bd. 2, hrsg. vom Bayerischen Amt für Denkmalpflege München, Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Denkmäler in Bayern, Bd. II. 25, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2014, ISBN 978-3-7917-2552-9, S. 297-298
Johann Philipp von Lamberg auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Philipp_von_Lamberg_(Bischof)
Johann Philipp von Lamberg auf Catholic Hierarchy:
https://www.catholic-hierarchy.org/bishop/blamber.html
Constantin von Wurzbach: Johann Philipp Graf von Lamberg, in: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, 14. Theil, Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1865, S. 31 f.
https://de.wikisource.org/wiki/BLKÖ:Lamberg,_Johann_Philipp_Graf - http://www.literature.at/viewer.alo?objid=11636&page=35&scale=3.33&viewmode=fullscreen
Familie der Grafen von Lamberg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Lamberg_(Adelsgeschlecht)

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