Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3170
Ingelheim (Landkreis Mainz-Bingen)

Epitaphien in der Burgkirche Ingelheim: Wolf Michael von Geispitzheim

Die hier vorgestellte Platte war lange im Boden der Kirche verborgen und wurde erst Anfang des 20. Jh. wiederentdeckt. Die Zweitverwendung erklärt die starken Beschädigungen. Die ursprünglich auf allen vier Seiten umlaufende Inschrift ist nur noch auf drei Seiten lesbar erhalten und lautet: "IM IAHR CHRISTI 1632 DEN 18 / AVGVSTI IST ZEITLICHEN TODTS VERBLICHEN DER WO(H)LE(DLE).... / ... / ... DI(E)SER VND ALLEN GLAVBIGEN EIN(E) FROE(H)LICHE AVFFERSTEHVNG VERLEIHEN". Offensichtlich hat man sich im Platzbedarf verschätzt, denn auf dem letzten Teilstück geht es nach dem Wort "GLAVBIGEN" mit erheblich reduzierter, geradezu halbierter Schriftgröße weiter für den Rest des Textes. Genau das entscheidende Stück mit der Namensnennung fehlt, aber da die beiden Wappen im Zentralfeld namentlich mit der Bezeichnung "GEISSPITSHEIM" = von Geispitzheim und "KOPPENSTEIN" = von Koppenstein zugeordnet sind, erlaubt sich zusammen mit den Lebensdaten eine Identifizierung des Verstorbenen als Wolf Michael von Geispitzheim (-18.8.1632). Im unteren Bereich des Zentralfeldes war früher einmal das Vollwappen des Verstorbenen; es ist bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Deshalb sind die beiden erhaltenen Wappen eine Ahnenprobe auf Elternebene.

Das Wappen der von Geispitzheim zeigt in Silber drei rote Zickzackbalken, oder wie hier fünfmal im Zickzackschnitt silbern-rot geteilt, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken zwei wie der Schild bezeichnete Büffelhörner, wobei die Zickzackteilungen hier nicht mehr aufgelöst sind. Das Wappen der von Koppenstein ist blau-golden geschacht mit einem roten Freiviertel, darin ein Vogel (nach Gruber ein schwarzer Rabe, nach Siebmacher ein silberner Vogel), auf dem Helm mit blau-goldenen Decken der Vogel zwischen zwei blau-golden geschachten Büffelhörnern, wobei hier die Details nicht aufgelöst sind. Bei den Koppensteinern gibt es noch andere Varianten, vgl. bei Zobel. Unten zwischen den beiden Wappen sieht man als Memento mori eine Sanduhr auf einem Totenschädel.

 

Wolf Michael von Geispitzheim war der Sohn von Heinrich von Geispitzheim (-1599), pfalz-simmernscher Rat und Amtmann zu Bolanden, und dessen erster Frau, Maria von Koppenstein (in zweiter Ehe hatte der Vater Anna Blick von Lichtenberg geheiratet). Maria war die Tochter von Mich(a)el von Koppenstein und Veronika von Venningen. Wolf Michael von Geispitzheim, der wie sein Vater in pfalz-simmernschen Diensten stand und in den Jahren 1597-1619 Oberschultheiß für die drei Ingelheimer Kernorte war, heiratete in erster Ehe Gertrud von Breidenbach gen. Breitenstein (-11.3.1583), die aber schon im Alter von 31 Jahren starb, bei der Geburt eines Sohnes, ihres ersten Kindes (Humbracht: "in Kindsnöthen"). Da für diesen kein Name überliefert ist, können wir daraus schließen, daß Mutter und Sohn gemeinsam bei der Geburt ums Leben kamen. Für diese erste Ehefrau, die in Ravengiersburg verstarb, gibt es eine in Fragmenten erhaltene Grabplatte in Simmern. Wolf Michael von Geispitzheim, der in der Stiegelgasse Nr. 49 einen größeren Wirtschaftshof besaß, heiratete danach noch zweimal, in zweiter Ehe Agatha Beusser von Ingelheim (-1588), über die er an Erbe der Beusser in Ingelheim kam, und in dritter Ehe Ursula von der Hauben. Das Todesjahr 1632 ist exakt das Jahr, in dem die Schweden das Gebiet im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges unter ihre Kontrolle brachten und die spanisch-katholische Herrschaft im Ingelheimer Grund beendeten. Er hatte nach Humbracht neben dem erwähnten tot geborenen Sohn noch zwei Töchter, Anna Barbara von Geispitzheim, vermählt mit Marquard von Helmstatt, und Anna Amalia von Geispitzheim, vermählt mit Bernhard Horneck von Weinheim. Der Stamm wurde über seine Brüder Georg von Geispitzheim, der Margret Blick von Lichtenberg heiratete, und Reichard von Geispitzheim, der Anna Margret zum Jungen heiratete, fortgesetzt.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.9633521,8.063605,19z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@49.96342,8.0636428,72m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Geschichte der Burgkirche Ingelheim, im Projekt Ingelheimer Geschichte, hrsg. vom Historischen Verein Ingelheim e.V.
http://www.ingelheimer-geschichte.de/index.php?id=30
evangelische Burgkirchengemeinde:
https://burgkirche-ingelheim.ekhn.de/startseite.html - Geschichte der Burgkirche: https://burgkirche-ingelheim.ekhn.de/startseite/burgkirche/historisches.html
Die Inschriften der Evangelischen Stephanskirche in Simmern, bearbeitet von Susanne Kern, Inschriften Mittelrhein-Hunsrück, Heft 12, herausgegeben von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz und dem Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V., Mainz 2008
Hartmut Geißler: Adelsfamilien in Ingelheim und ihre Grabmale in der Burgkirche, hrsg. vom Förderverein zur Erhaltung der Burgkirche zu Oberingelheim e.V., Verlag Eckoldt, Ingelheim 2011
Hartmut Geißler: Grabplatte des Wolf Michael von Geispitzheim, im Projekt Ingelheimer Geschichte, hrsg. vom Historischen Verein Ingelheim e.V.
http://ingelheimer-geschichte.de/index.php?id=423
Burgkirche Ingelheim auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Burgkirche_(Ingelheim)
Philipp Krämer: Die Burgkirche zu Ober-Ingelheim, Ober-Ingelheim 1960
von Koppenstein auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Koppenstein_(Adelsgeschlecht)

ev. Burgkirche, Epitaph für Lyse (Lisa) Wolf von Sponheim - ev. Burgkirche, Epitaph für Friedrich Justus Lopes de Villanova und zwei seiner Kinder - ev. Burgkirche, Epitaph für Anna Amelia Lopes de Villanova - ev. Burgkirche, Epitaph für Dorothea Brendel von Homburg - ev. Burgkirche, Epitaph für Ingetrud Hofwart von Kirchheim - ev. Burgkirche, Epitaph für Bega Beusser von Ingelheim - ev. Burgkirche, Epitaph für Anna Catharina von Wallbrunn

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