Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 3171
Ingelheim (Landkreis Mainz-Bingen)
Epitaphien in der Burgkirche Ingelheim: Lyse (Lisa) Wolf von Sponheim und ihr Ehemann
Diese hochrechteckige Platte, die lediglich in der linken oberen Ecke eine Beschädigung bzw. Reparaturstelle aufweist, beeindruckt durch ihr vorzüglich gearbeitetes Wappenrelief in Form eines Ehewappens im Zentralfeld. Daß sie so wundervoll erhalten ist, liegt daran, daß sie in Zweitverwendung lange im Boden verborgen war und erst 1956 bei der Kirchenrenovierung wiederentdeckt wurde, direkt neben dem Epitaph ihres Mannes dicht unter dem Fenster. Diese Zweitverwendung bewahrte die herrliche Reliefplatte vor den Wappenzerstörern der französischen Revolutionszeit. Die auf dem Rand umlaufende Inschrift in gotischen Minuskeln lautet: "Anno d(o)m(ini) m ccccc iii uff sanct / agata dag starb die E(h)rsam(e) fraw lyse wolffin von spanheim (herrn) / ...nsen von Ingelnheym / Ritters husch fraw der gott g(enedi)g und barmhertzig sey. Amen" ("husch fraw" meinst: Hausfrau). Es handelt sich um Lyse (Lisa, Elisabeth) Wolf von Sponheim (-5.2.1503, denn der agata dag = Agathentag = Tag der hl. Agatha von Catania = 5.2.), bei deren Eltern wir je nach Quelle ganz unterschiedliche Angaben finden: 1.) Nach Möller (1951) und nach Humbracht (1707) sind das Adam Wolf von Sponheim und Irmgard von Lewenstein gen. Randeck, 2.) nach dem wenig verläßlichen Biedermann (1751) sind die Eltern Conrad Wolff von Sponheim und Elisabeth Kämmerer von Worms gen. Dalberg, wobei diese Filiation nirgendwo sonst zu finden ist und aufgrund der bekannten Problematik der Biedermannschen Angaben wenig wahrscheinlich ist, und 3.) nach Euler (1971) sind die Eltern Heinrich IV. Wolf von Sponheim und Margarethe Brendel von Homburg. Es ist wahrscheinlich, daß Möller sich bei seinen Angaben an Humbracht orientiert hat. Die offene Frage wäre nur, woher Euler, der jüngste Autor, seine Daten hat, und warum er sich trotz Kenntnis der anderen drei Daten für diese entschieden hat. Erstaunlicherweise hat hier die älteste Quelle, nämlich Humbracht, Recht, und der entscheidende Beleg findet sich in einem Schöffenverzeichnis der Gerichte in Ingelheim (1451-1514): "Anno domini m cccc liiij (1454) da kauft juncher Hans von Ingelnheim junfrauwe Lisen, junkher Adam Wolffs seligen dochter."
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Das heraldisch rechte Vollwappen ist dasjenige der Herren von Ingelheim, in Schwarz ein rot-golden geschachtes durchgehendes Balkenkreuz, auf dem Helm mit rot-goldenen Decken ein wie der Schild bezeichneter Flug. Das Vollwappen gegenüber ist dasjenige der Wolf von Sponheim, rot-golden geschacht mit einem silbernen rechten Freiviertel, dieses belegt mit einem schwarzen Doppeladler, auf dem Helm mit rot-goldenen Decken aus einem golden-rot geschachten Köcher hervorkommend zwei naturfarbene (grüne) Pfauenfederstöße (hier wie mehrstufige Federstöße ohne Augen dargestellt, in anderen Darstellungen wird jedoch deutlich, daß Pfauenfedern gemeint sind).
Das Wappen ist offensichtlich ein Derivat des Sponheimer Schachs, das aber rot-silbern (Hintere Grafschaft) bzw. blau-golden (Vordere Grafschaft) war und kein Freiviertel mit Adler hatte. Von diesem grundsätzlich geschachten Wappen finden wir einige Varianten, die zum größten Teil dadurch entstanden sind, daß dem Wappen ein Freiviertel mit einer gemeinen Figur hinzugefügt worden ist (Löwe, Ankerkreuz, Topf, Flügel, Rabe, Lilie, Stern, Adler). Diese eine eigene rheinisch-moselländische Wappengruppe bildenden Derivate entstanden entweder durch Stammesverwandtschaft, uneheliche Abkunft oder häufiger aufgrund eines Burgmannschafts- oder Ministerialitätsverhältnisses. Der schwarze Adler in silbernem Freiviertel ist typisch für die Wolf von Sponheim, die aus einer unehelichen Nachkommenschaft von Emich von Sponheim entstanden sind, Kleriker, 1299 Archidiakon, 1305 Stellvertreter des Mainzer Dompropstes und 1305 einer der beiden Elekten des Mainzer Domkapitels, aber Peter von Aspelt unterliegend. So wurde das Beizeichen schon 1351 von den Brüdern Johann, Wolf und Heinrich, Wepelinge Wolf von Sponheim geführt, desgleichen 1395 von einem Ritter Wolf von Sponheim. Der Familie gehörte das Hofgut in Lauschied, wo sie seit der Mitte des 14. Jh. mit der Hälfte des Ortes belehnt waren und die oberste Gerichtsbarkeit ausübten. Die Familie gab es noch Anfang des 18. Jh. (spätester Wappenfund 1710, Bayreuth, Ordenskirche St. Georgen), ist dann aber bald mit Augustus Werner Wolf von Sponheim als letztem männlichem Familienmitglied erloschen. Die Besitzungen kamen durch Überträge 1702 und 1729 an die Freiherren, späteren Grafen von Ingelheim.
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Auch für Lisas Ehemann Hans von Ingelheim (-30.3.1480) gibt es ein Epitaph in der Burgkirche, gänzlich anders als das seiner Frau, rein figürlich im Plattenpanzer, die Rechte an der Streitaxt, die Linke am Schwert, und fast vollplastisch mit starker Hervorhebung des Verstorbenen selbst, zu Füßen ein Löwe, dafür ohne erhaltenen Wappenschmuck; die Fläche über der Figur zeigt deutlich die Wunden im Stein, die Spuren des Abschlagens der Wappen durch die Revolutionäre. Diese völlig unterschiedliche gestalterische Behandlung liegt daran, daß Lyse (Lisa) ihren Mann um 23 Jahre überlebte, und in diesen Jahren hatte sich der Geschmack bereits gewandelt. Es wäre möglich, daß das ehemals dort angebrachte Wappenpaar ein Ehewappen (Ingelheim und Wolf von Sponheim) oder eine 2er-Ahnenprobe (Ingelheim und Werberg, Eltern: Philipp von Ingelheim, Epitaph in der Burgkirche mit zwei vollständig abgeschlagenen Wappen, und Meygen/Mia/Maria Werberg von Lindenfels, Epitaph in der Burgkirche ohne Wappen) war. Lt. Helwich traf ersteres zu. Die Inschrift für Hans von Ingelheim lautet: "anno d(omi)ni m cccc lxxx penultima die marcij starb der holtselig / loiblich strenge her hanß von Ingelnhey(m) rytter de(m) gott gnade".
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Wer das Wappen der Herren und späteren Grafen von Ingelheim in Farbe sehen möchte, findet zwei davon auf den Gewölbeschlußsteinen, wo die Revolutionäre nicht zum Abschlagen drankamen.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@49.9633521,8.063605,19z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@49.96342,8.0636428,72m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Geschichte der Burgkirche Ingelheim, im Projekt Ingelheimer
Geschichte, hrsg. vom Historischen Verein Ingelheim e.V. http://www.ingelheimer-geschichte.de/index.php?id=30
evangelische Burgkirchengemeinde: https://burgkirche-ingelheim.ekhn.de/startseite.html - Geschichte der Burgkirche: https://burgkirche-ingelheim.ekhn.de/startseite/burgkirche/historisches.html
Hugo Loersch: Der Ingelheimer Oberhof, Bonn 1885, S. 528 f. = Nr.
34: Schöffenverzeichnis. ... Aus dem grossen Copiar des
Ingelheimer Gerichts im Grossherzoglichen Haus- und Staatsarchiv
zu Darmstadt, Bl. 306 - 1944 bei der Bombardierung Darmstadts
verbrannt, zitiert hier: http://www.ingelheimer-geschichte.de/index.php?id=446 , online verfügbar hier: https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/varia/content/titleinfo/4107192
Hartmut Geißler: Grabplatte des Hans von Ingelheim, im Projekt
Ingelheimer Geschichte, hrsg. vom Historischen Verein Ingelheim
e.V. http://ingelheimer-geschichte.de/index.php?id=514
Hartmut Geißler: Grabplatte der Lyse Wolf von Sponheim, im
Projekt Ingelheimer Geschichte, hrsg. vom Historischen Verein
Ingelheim e.V. http://ingelheimer-geschichte.de/index.php?id=424
Georg Helwich: Syntagma Monumentorum et Epitaphiorum ... =
Abschriften von Inschriften der Umgebung von Mainz, 1615,
Original im Archiv des Priesterseminars Mainz, ab S. 358
Burgkirche Ingelheim auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Burgkirche_(Ingelheim)
Philipp Krämer: Die Burgkirche zu Ober-Ingelheim, Ober-Ingelheim
1960
Wolf von Sponheim auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Wolf_von_Sponheim
Herren von Ingelheim auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ingelheim_(Adelsgeschlecht)
ev. Burgkirche, Epitaph für Wolf Michael von Geispitzheim - ev. Burgkirche, Epitaph für Friedrich Justus Lopes de Villanova und zwei seiner Kinder - ev. Burgkirche, Epitaph für Anna Amelia Lopes de Villanova - ev. Burgkirche, Epitaph für Dorothea Brendel von Homburg - ev. Burgkirche, Epitaph für Ingetrud Hofwart von Kirchheim - ev. Burgkirche, Epitaph für Bega Beusser von Ingelheim - ev. Burgkirche, Epitaph für Anna Catharina von Wallbrunn
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